Commerzbank:Eine Bank für alle Fälle

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Wie der Einstieg des Bundes bei der Commerzbank eingefädelt wurde - und was die Regierung nun mit der Bank anstellen könnte.

Guido Bohsem und Claus Hulverscheidt

Es war gleich nach dem zweiten Weihnachtstag, als Martin Blessing zum Telefonhörer griff und in Berlin Finanzstaatssekretär Axel Nawrath anrief, Blessing wollte über die Zukunft der Commerzbank sprechen. Der Bankchef hatte es eilig, bis zum neuen Jahr konnte er nicht mehr warten. Denn es ging um nichts Geringeres als um die spektakulärste Rettungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik. An deren Ende werden gut 25 Prozent der Anteile des zweitgrößten privaten deutschen Finanzinstituts in den Händen des Staats liegen.

(Foto: Grafik: SZ)

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen musste der Bankier beim Bund vorstellig werden, um das Überleben seines Instituts sichern und die lange geplante Fusion mit der Dresdner Bank bewältigen zu können. Zum zweiten Mal musste er die Politik um Hilfe bitten, während sein größter Konkurrent, Josef Ackermann von der Deutschen Bank, immer noch jede Unterstützung des Staats ablehnt.

Katastrophale Wochen

Blessings Institut hatte katastrophale Wochen hinter sich. Schon im dritten Quartal hatte die Bank wegen der miserablen Wirtschaftslage und der Finanzkrise große Probleme gehabt. Doch die letzten drei Monate waren ein Desaster. Das vom Staat bereitgestellte Eigenkapital von 8,2 Milliarden Euro war geschmolzen wie Schnee in der Sonne, heißt es in Finanzkreisen. Noch schlimmer traf es die Dresdner Bank, wo sich immer größere Löcher auftaten. Löcher, die mit einer Übernahme zum Problem der Commerzbank werden.

Die Entscheidung für einen Einstieg des Staates in die Bank fiel dann am vergangenen Mittwoch gegen 16.30 Uhr. Der Lenkungsausschuss des Soffin - des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, des Kontrollgremiums für den Rettungsschirm der Banken - tagte im Finanzministerium. Der Runde war längst klar, dass die Commerzbank weitere zehn Milliarden Euro brauchte, doch wie das geregelt werden könnte, war unklar.

Für einen kurzen Moment herrschte Schweigen. "So geht es nicht weiter", sagte schließlich eines der fünf Ausschussmitglieder. Der Staat könne nicht einfach 18 Milliarden Euro in das Institut pumpen, ohne sich ein Mitspracherecht zu sichern. "Was ist, wenn morgen eine französische Großbank auf der Matte steht, die Commerzbank, die an der Börse keine sechs Milliarden Euro mehr wert ist, übernimmt - und unsere 18 Milliarden als Morgengabe einstreicht?"

Keine Einmischung ins operative Geschäft

So beschloss die Runde, sich 25 Prozent plus eine Aktie an der Commerzbank zu sichern. Der Bund wird damit eine Sperrminorität halten. Das heißt, gegen seinen Willen kann das Institut nicht an einen Großinvestor verkauft werden und auch keine strategische Neuausrichtung der Geschäftspolitik erfolgen. "Wir wollen diese starke Bank", erklärte der Sprecher von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) am Freitag. Ziel sei es, die Anteile später wieder zu verkaufen, möglichst mit Gewinn für den Steuerzahler.

Die Fachleute der Regierung verfolgten noch eine andere Absicht. Um keinen Preis wollten sie die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank an der schlechten Finanzausstattung der Institute scheitern lassen - zu sehr gefällt Steinbrück und auch Kanzlerin Angela Merkel die Vorstellung, neben der Deutschen Bank ein weiteres Institut von Weltrang im Land zu wissen.

Was genau der Bund mit seiner neuen Bank vorhat, ist offen. Vermutlich werden Nawrath und sein Amtskollege aus dem Wirtschaftsministerium, Walther Otremba, einen Sitz im Aufsichtsrat erhalten. Ins operative Geschäft wolle man sich aber nicht einmischen, heißt es in der Regierung. Jedoch erlaubten es die Auflagen des Rettungspakets, die Commerzbank zu einer großzügigen Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen zu bewegen.

Unklar ist, ob die Regierung als Eigentümer auch Kündigungen verhindern möchte, die in beiden Häusern anstehen. Das hofft zumindest die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. "Ich glaube, dass mit dem Einstieg des Bundes die Chancen gestiegen sind, dass wir einen sozialen Konsens erzielen", sagte deren Bundesvorstand Uwe Foullong am Freitag.

Ursprünglich wollte das neu fusionierte Institut insgesamt 9000 Stellen abbauen - jetzt soll die Regierung das Schlimmste verhindern. Der Bund mit seinen beiden Aufsichtsratmitgliedern stehe in der "Mitverantwortung", sagte Foullong. Es sei "paradox", trotz staatlicher Milliardenhilfen weiterhin auf Stellenstreichungen zu bestehen. In Berlin hält man sich bedeckt. "Wir müssen uns noch an den Gedanken gewöhnen, in Zukunft bei einer der größten Banken mitzureden", hieß es.

© SZ vom 10.01.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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