Bundesweites Hilfsprogramm:Aus dem Abseits

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Seit zehn Jahren finanziert das Programm "Soziale Stadt" Projekte in Problemvierteln. Zum Beispiel in Würzburg-Heuchelhof.

Von Ingrid Weidner

Das Wasser des kleinen Schwimmbads im Würzburger Stadtteil Heuchelhof ist längst abgelassen. Wo früher die Anwohner badeten, besuchen sie heute Deutschkurse, Tanznachmittage oder Yoga-Kurse. Das Areal ist das, was im allgemeinen Sprachgebrauch Problemviertel genannt wird. In dem Würzburger Stadtteil hat sich aber in den vergangenen Jahren viel getan. Mit den Mitteln aus dem Programm "Soziale Stadt" hat die Kommune die Veränderungen angestoßen.

Ob frische Farben oder neue Begegnungszentren: Das Programm "Soziale Stadt" soll die Lebensbedingungen in Problemvierteln verbessern. (Foto: Foto: dpa)

Bebaut wurde das insgesamt etwa 21 Hektar große Areal in den sechziger Jahren. Um die Fläche des ersten Bauabschnitts (H1) zogen die Planer eine Ringstraße, die das neue Viertel auf einem Hochplateau wie einen Festungsring umschloss. Im Innern prägen zwölfgeschossige Gebäude und eine dichte Bebauung die Silhouette. Viele der 3700 Bewohner leben in einer Sozialwohnung.

Bauliche Handicaps, soziale Spannungen

Anders als von den Architekten erdacht, förderte die dichte Bebauung Konflikte. Vandalismus, Kriminalität und ein schlechtes Image prägten lange den Heuchelhof. Auch andere städtebauliche Innovationen erwiesen sich als tückisch. Die Lüftungsschächte der Tiefgaragen bilden Barrieren an der Oberfläche und durchziehen die Grünanlagen mit großen Gräben. Auch die Arkadengänge schafften kein mediterranes Flair, sondern verwandelten sich abends eher in düstere Säulenschluchten, die von den Bewohnern gemieden wurden.

Neben den baulichen Handicaps verschärften sich die sozialen Spannungen. Verschiedene Einwanderungswellen prägten den Stadtteil von Anfang an. Auch mit der großen Zahl an zugezogenen Spätaussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion Anfang der neunziger Jahre war die Gemeinschaft des Viertels überfordert. Das fragile soziale Gefüge geriet aus dem Lot, die Integration der meist russischsprachigen Neu-Würzburger lief schleppend. Ressentiments gegenüber den Neuen nahmen zu, den zentralen Platz "Place de Caen" haben manche Bewohner in "Klein Moskau" umbenannt. Vor zehn Jahren beschloss die Kommune, das Problemviertel aus dem Abseits zu holen.

Seit 1999 unterstützt das bundesweite Projekt "Soziale Stadt" Kommunen, städtebauliche und soziale Probleme anzugehen. Im Mittelpunkt stehen bauliche Veränderungen, die durch soziale Begleitprogramme ergänzt werden sollen. "In fast jeder größeren Stadt gibt es Problemgebiete", sagt Christa Böhme vom Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin.

Bayern ist hier keine Ausnahme. Gefördert wurden bisher Projekte in kleinen Kommunen ebenso wie in Großstädten wie Nürnberg oder München. "Wenn städtebauliche und soziale Probleme zusammentreffen, bietet das Projekt Soziale Stadt die Chance zur gezielten Förderung", ergänzt Daniel Kaus, Bauoberrat in der Obersten Baubehörde des Bayerischen Innenministeriums. "Wir haben bisher noch kein Quartier, das uns zur Aufnahme ins Programm vorgeschlagen wurde, abweisen müssen." Die Ideen kommen meistens direkt von den Kommunen.

Schon seit 1999 gehört Heuchelhof (H1) zu den Fördergebieten "Soziale Stadt". Mit den Mitteln hat die Kommune zwei Stadtteilzentren als Begegnungs- und Veranstaltungsorte gebaut. Einige der Arkaden wurden geschlossen und in Ladengeschäfte umgewandelt, die zentrale Verbindungsachse im Viertel, der Place de Caen, wurde aufgewertet. Die Fassaden der Häuser haben frische Farben erhalten, Grünflächen sowie Spielplätze wurden neu gestaltet.

Die Quartiermanagerin

Neben der engen Kooperation verschiedener städtischer Partner wie Bau- und Sozialreferat sowie Gartenbauamt saßen die betreffenden Wohnungsbaugesellschaften mit am Planungstisch. Ein wichtiges Element des Projekts "Soziale Stadt" ist es, die im jeweiligen Stadtteil lebenden Menschen mit ihren Ideen einzubeziehen. Gerade für viele Spätaussiedler war es ungewöhnlich, dass sie nach ihren Wünschen gefragt wurden. "Wir wollten die Fähigkeiten der Leute, die gekommen sind, nutzen und einbeziehen", sagt Siegfried Scheidereiter, Koordinator im Würzburger Sozialreferat. "Für viele war das ein Crashkurs in Demokratie."

Hermine Seelmann arbeitet seit 2003 als Quartiermanagerin in Heuchelhof. Ihr Büro befindet sich im neuen Stadtteilzentrum "Altes Schwimmbad". Seit gut einem Jahr sind die Sanierungsarbeiten dort abgeschlossen. Seelmann organisiert Kulturprogramme, initiierte ein Zirkusprojekt für die Kinder des Viertels und steht den Bewohnern als Ansprechpartnerin zur Verfügung, wenn es Ärger mit Nachbarn, Behörden, Formularen oder andere Sorgen gibt.

Seelmann fördert auch gemeinsame Projekte mit anderen Stadtteilen Würzburgs, um Vorurteilen entgegenzutreten. "Der Quartiermanager ist ein Kernelement der Sozialen Stadt. In circa 95 Prozent der Projekte gibt es diese Position", erläutert Christa Böhme von der Bundestransferstelle. Ihre Aufgabe ist es, die Fäden zusammenzuhalten, zu koordinieren oder zu moderieren. Viele Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften wissen deren Arbeit mittlerweile zu schätzen und übernehmen auch dann die Kosten, wenn die Förderung "Soziale Stadt" ausläuft.

Das Projekt Soziale Stadt soll bundesweit weitergeführt werden. Im Bundeshaushalt wurden 2009 insgesamt 105 Millionen Euro bewilligt. Mittlerweile werde das Programm von allen Parteien mitgetragen, schließlich sei das Geld gut investiert, meint Daniel Kaus vom Bayerischen Staatsministerium des Innern. "Nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung setzt jeder Euro, der in die Städtebauförderung fließt, weitere acht Euro an Folgeinvestitionen frei", erklärt Kaus. Im Haushalt der Stadt Würzburg gibt es ein Budget für kleinere Projekte, wenn die Förderung für den Stadtteil Heuchelhof im kommenden Jahr ausläuft.

Nach zehn Jahren Projektlaufzeit arbeiten die Akteure in Würzburg enger zusammen. Jedoch Baumaßnahmen alleine reichen nicht. Gerade, wenn es um Themen wie Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit oder fehlende Wirtschaftskraft geht.

Doch hier stößt das Programm an seine Grenzen. "Mit dem Projekt Soziale Stadt lassen sich nicht alle Probleme lösen", sagt Siegfried Scheidereiter, Koordinator im Sozialreferat der Stadt Würzburg. "Kern ist die Städtebauförderung. Damit besteht das Risiko, dass notwendige soziale Maßnahmen fördertechnisch zu Beiwerk verkümmern." Er wünscht sich flexiblere soziale Programme mit niedrigen bürokratischen Hürden, um soziale Probleme anzupacken. Ideen und Pläne haben Hermine Seelmann und die Bewohner des Heuchelhofs schließlich noch viele. Besonders gefragt ist derzeit im Treffpunkt "Altes Schwimmbad" ein Angelkurs.

© SZ vom 16. 09. 2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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