Bundestag beschließt Änderungen:Wer wirklich vom Rentenpaket profitiert

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Was Fotografen zum Thema Rente einfällt: Senioren in Geesthacht bei Hamburg. (Foto: dpa)

Das Rentenpaket, das der Bundestag heute gebilligt hat, ist beliebt. Vielen Menschen bringt es mehr Geld. Doch was genau ändert sich - und wem nutzt die Reform am meisten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Die große Mehrheit der Bundesbürger lässt sich von der Kritik der Fachleute nicht irritieren. Das Rentenpaket, das der Bundestag an diesem Freitag gebilligt hat, ist beliebt - es bringt ja auch vielen Menschen mehr Geld. Vom 1. Juli an erhalten 9,5 Millionen Mütter und ein paar Väter eine höhere Altersrente. Zugleich können sich Hunderttausende Arbeitnehmer ab 63 vorzeitig aus dem Arbeitsleben verabschieden ohne die bei Frührenten sonst üblichen Abschläge vom Altersgeld. Aber was ist dabei alles zu beachten? Die wichtigsten Fragen und Antworten auf einen Blick:

Wer erhält die neue Mütterrente?

Damit werden Erziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren sind, stärker als bisher anerkannt. Bislang wird für diese Mütter und Väter ein Jahr berücksichtigt. In Zukunft sind es zwei Jahre.

Was bringt dies in Euro und Cent?

Das Altersgeld wird für jedes Kind, das vor 1992 auf die Welt kam, um einen Rentenpunkt (Entgeltpunkt) erhöht. Das entspricht vom 1. Juli an 28,61 Euro im Westen und 26,39 Euro im Osten. Es handelt sich jedoch um Bruttobeträge, von denen gegebenenfalls Kranken- und Pflegeversicherung sowie Steuern abgezogen werden.

Wann und wie wird das Geld ausgezahlt?

Wer schon eine Rente bezieht, muss nichts tun. Die höhere Mütterrente kommt automatisch - allerdings voraussichtlich erst im Oktober oder später, weil die Rentenversicherung Zeit braucht für die Umstellung. Das in den Vormonaten aufgelaufene zusätzliche Altersgeld wird dann rückwirkend auf einen Schlag ausgezahlt.

Gibt es die Mütterrente, wenn ich noch kein Altersgeld bekomme?

Aktiv werden müssen nur Versicherte im Rentenalter, die bislang noch keine Zeiten der Kindererziehung bei der Rentenversicherung geltend gemacht haben. Es kann dabei um einiges gehen: Einen Anspruch auf eine normale Altersrente hat nur, wer mindestens fünf Beitragsjahre vorweisen kann. Da durch die erweiterte Mütterrente künftig zwei Jahre pro Kind anzurechnen sind, reichen drei vor 1992 geborene Kinder aus, um - ohne eine Einzahlung in die Rentenkasse - immerhin 171,66 (2 x 3 x 28,61) Euro Rente im Monat zu bekommen. Wer dadurch erstmals Anspruch auf eine Rente erwirbt und schon im Ruhestand ist, sollte möglichst schnell sein Altersgeld beantragen. Die Deutsche Rentenversicherung rät: "Damit die Rente zum frühstmöglichen Zeitpunkt ab Juli 2014 beginnen kann, muss der Rentenantrag bis Ende Oktober 2014 gestellt werden." Wer dies versäumt, bekomme sein Altersgeld erst von dem Monat an, in dem der Antrag gestellt wurde.

Lohnt es sich, Beiträge nachzuzahlen?

Fehlen Beitragsjahre bis zur Mindestversicherungszeit von fünf Jahren, können diejenigen, die noch nicht in Rente sind, freiwillige Beiträge nachzahlen. Beispiel: Eine nicht berufstätige Mutter mit zwei vor 1992 geborenen Kindern zahlt einen Mindestbeitrag von 85,05 Euro zwölf Monate lang oder einmalig 1020,60 Euro ein, um die fünf Jahre vollzubekommen. Die Rente für diese Mutter beläuft sich so auf 118,87 Euro. "Das lohnt sich fast immer", so die Stiftung Warentest.

Wird die Mütterrente mit anderen Einkünften verrechnet?

Ja, sie wird auf die Grundsicherung im Alter angerechnet. Auch die Hinterbliebenenrente kann sich dadurch verringern, wenn bei der Witwe oder dem Witwer die Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder anerkannt wurden. Die Faustregel dabei: Einkommen oberhalb eines Freibetrags, der bei Witwen- und Witwerrenten derzeit 742,90 (im Osten: 679,54) Euro beträgt, wird zu 40 Prozent auf die Hinterbliebenenrente angerechnet.

Was ist mit dem Versorgungsausgleich?

Die Mütterrente erhöht normalerweise das Altersgeld der geschiedenen Frau. Der geschiedene Mann könnte daher ein finanzielles Interesse haben, einen Antrag auf Neuberechnung des Versorgungsausgleichs zu stellen. Möglich ist dies immer dann, wenn einer der Geschiedenen bereits eine Rente bezieht oder innerhalb der nächsten sechs Monate in den Ruhestand geht. Die Stiftung Warentest empfiehlt aber, sich vorher beraten zu lassen. Denn der Antrag auf Änderung könne sich auch als Bumerang erweisen, weil das Familiengericht dann alle Ansprüche neu ermittelt.

Was ändert sich durch die Rente ab 63?

Derzeit beläuft sich die Regelaltersgrenze auf 65 Jahre und drei Monate. Wer früher in den Ruhestand will, muss pro vorgezogenem Monat Abschläge von 0,3 Prozent vom Altersgeld in Kauf nehmen - mit einer Ausnahme: Wer 45 Jahre pflichtversichert war und 65 ist, kann ohne Abzüge in Rente gehen. Künftig wird dies schon mit 63 möglich sein. 45 Beitragsjahre sind dafür weiter nötig. Bei diesen Zeiten werden wie bisher alle Beitragsjahre, der Wehr- oder Zivildienst, Kindererziehungszeiten oder etwa Phasen berücksichtigt, in denen Angehörige gepflegt oder Kranken- oder Kurzarbeitergeld ausgezahlt wurde. Neu vom 1. Juli an ist, dass die Rentenversicherung auch die Zeiten mitzählt, in denen der Versicherte Arbeitslosengeld I erhielt, nicht aber die letzten beiden Arbeitslosenjahre vor Eintritt in die Rente. Jahre, in denen es Hartz IV gab, werden nicht berücksichtigt.

Wie sieht die Rente ab 63 genau aus?

Wer die Ansprüche erfüllt, vor dem 1. Januar 1953 geboren ist und noch keine Rente erhält, bekommt sie tatsächlich ab 63. Bei danach geborenen Versicherten wird die Altersgrenze stufenweise angehoben ( Grafik). Für die Jahrgänge ab 1964 liegt das normale Eintrittsalter in die vorgezogene abschlagsfreie Rente wieder bei 65 Jahren.

Ist ein Antrag für die Rente ab 63 nötig?

Ja. Ist aber bereits ein Antrag nach dem bislang gültigen Recht gestellt und noch kein bindender Rentenbescheid erteilt worden, können Versicherte diesen Antrag zurücknehmen und einen neuen für die Rente ab 63 stellen. Wer schon einen bindenden Rentenbescheid hat, kann dies nicht ändern. Er wird nicht rückwirkend bessergestellt.

Und wenn ich in Altersteilzeit bin?

Wer in Altersteilzeit ist, beantragt seine Rente am Ende dieser Phase. Dies ist auch für die neue Rente ab 63 möglich, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.

Wie sieht es mit Nebenverdiensten aus?

Rentner, die ihre Regelaltersgrenze erreicht haben, können unbegrenzt Geld hinzuverdienen. Sind sie noch nicht so alt, wird ein Nebenverdienst von in der Regel mehr als 450 Euro im Monat auf die Rente angerechnet. Dies gilt auch für die neue Rente ab 63.

Was ändert sich für Rentner mit einer Erwerbsminderung?

Wer schon eine Erwerbsminderungsrente bezieht, weil er zu krank ist, um noch voll oder überhaupt arbeiten zu können, geht leer aus. Von den Verbesserungen im Rentenpaket profitieren nur erwerbsgeminderte Neurentner. Sie werden vom 1. Juli an dann so gestellt, als ob sie mit ihrem bisherigen durchschnittlichen Einkommen bis zum 62. statt wie bisher zum 60. Geburtstag weitergearbeitet hätten. Im Durchschnitt fallen die Renten dadurch 40 Euro brutto höher aus. Außerdem werden die letzten vier Jahre vor Rentenbeginn besser bewertet. Einkommenseinbußen, etwa durch eine Krankheit, wirken sich nicht mehr negativ auf die Höhe der Erwerbsminderungsrente aus.

Wer berät mich kostenlos?

Die Rentenversicherung hat eine Hotline eingerichtet. Die Berater sind erreichbar von montags bis donnerstags von 7.30 bis 19.30 Uhr, freitags bis 15.30 Uhr. Die Telefonnummer: 0800/10004800.

© SZ vom 23.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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