BGH-Urteile:Einkassiert und ausgezogen

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Der Bundesgerichtshof musste 2017 wieder eine ganze Reihe von Grundsatzfragen klären. Vor allem bei Kündigungen wegen Eigenbedarfs gibt es neue Regeln für Eigentümer und Mieter.

Von Andrea Nasemann

In diesem Jahr hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zahlreiche wichtige Urteile gesprochen: Es geht um Lärm, Betriebskosten, Kündigungen, Verjährung, Sozialklausel, Schönheitsreparaturen oder Betriebskosten. Ein Überblick.

Eigenbedarf

Stellt der Mieter nach seinem Auszug fest, dass der Vermieter nach einer Eigenbedarfskündigung doch nicht in die Wohnung eingezogen ist, kann er Schadenersatz geltend machen. Der Vermieter muss zahlen, wenn er nicht darlegen kann, warum es doch keinen Grund für den Eigenbedarf gegeben hat. (Urteil vom 29. März 2017, VIII ZR 44/16).

Kündigt der Vermieter wegen Eigenbedarfs, muss er dem Mieter eine andere Wohnung anbieten, wenn eine solche frei steht oder während der Kündigungsfrist frei wird. Allerdings können dies nur Wohnungen des Vermieters sein, die im selben Haus oder in derselben Wohnanlage frei werden. Hat der Vermieter eine freie Wohnung dem Mieter nicht angeboten, bleibt die Kündigung wirksam, zieht aber Schadenersatzansprüche des Mieters nach sich: Er kann zum Beispiel seine Umzugs- und Maklerkosten ersetzt verlangen (Urteil vom 14. Dezember 2016, VIII ZR 232/15).

Braucht der Vermieter die Räume aus gewerblichen Gründen, muss er die Kündigung mit einem allgemeinen berechtigten Interesse begründen, nicht mit Eigenbedarf (Urteil vom 29. März 2017, VIII ZR 45/16).

Auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) kann ein Wohnungsmietverhältnis wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters kündigen. Denn die GbR darf nicht schlechter gestellt werden als eine Miteigentümer- oder Erbengemeinschaft (Urteil vom 15. März 2017, VIII ZR 92/16).

Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs muss der Vermieter genaue Angaben zu der Person machen, die in die Wohnung einziehen soll. Dazu gehören Name, Alter und Anschrift. Ebenso muss das Interesse dieser Person an der Wohnung genannt werden. Bei der Eigenbedarfskündigung für ein volljährig werdendes Kind bedarf es aber keiner Beschreibung der bisherigen Wohnverhältnisse. Der Wille zur Gründung eines eigenen Hausstandes ist nachvollziehbar (Urteile vom 15. März 2017, VIII ZR 270/15).

Nutzungsentschädigung

Mieter müssen eine gegebenenfalls deutlich höhere Miete bezahlen, wenn sie nicht rechtzeitig aus ihrer Wohnung ausziehen. Maßgeblich ist die Miete, die der Eigentümer bei einer Neuvermietung hätte erzielen können, hat der BGH entschieden. Im konkreten Fall hatte der Vermieter wegen Eigenbedarfs zum 30. Oktober 2011 gekündigt. Die Mieter zogen aber erst eineinhalb Jahre später im April 2013 aus. Unterdessen zahlten sie lediglich ihre bisherige Warmmiete in Höhe von monatlich 1047 Euro weiter. Dem Vermieter war das nicht genug. Laut Gesetz könne er "die Miete verlangen, die für vergleichbare Sachen ortsüblich ist". Beide Seiten stritten nun, was "ortsüblich" meint. Der Mieter verwies auf die ortsübliche Vergleichsmiete. Der Vermieter wollte den Mietpreis haben, den er aktuell bei einer Neuvermietung hätte erzielen können. Nach einem vom Amtsgericht München eingeholten Gutachten waren dies zusätzlich 7300 Euro. Der BGH gab dem Vermieter recht. Die gesetzliche Entschädigungsregelung solle Druck auf die Mieter ausüben, ihre Wohnung pünktlich zu räumen. Bleiben die Mieter länger, könne der Vermieter daher die Miete verlangen, die er bei einer Neuvermietung bekommen hätte. Das gelte auch dann, wenn er die Wohnung gar nicht vermieten, sondern selbst einziehen wollte. (Urteil vom 18. Januar 2017, VIII ZR 17/16)

Rauschgift

Der Vermieter kann fristlos kündigen, wenn der Mieter Cannabispflanzen auf seinem Balkon anbaut. Das gilt auch, wenn der Bewohner beim Handeln mit Heroin in der Wohnanlage erwischt wird. Eine vorherige Abmahnung ist dann entbehrlich. Auch wenn der Mieter Marihuana in der angemieteten Wohnung aufbewahrt, kann dies ein vertragswidriger Gebrauch der Mietwohnung sein (Urteil vom 14. Dezember 2016, VIII ZR 49/16).

Lärm

Kinderlärm muss von Nachbarn grundsätzlich toleriert werden. Doch auch hier gibt es eine Grenze. Wann diese erreicht ist, hängt laut BGH von Art, Intensität, Dauer und Uhrzeit sowie vom Alter und Gesundheitszustand des Kindes ab. Entscheidend ist auch, ob der Lärm vermeidbar ist, zum Beispiel durch ein Einschreiten der Eltern.

In dem Fall hatten sich Mieter über Lärmstörungen durch heftiges Stampfen, Springen, Poltern sowie durch Schreie und sonstige lautstarke und aggressive familiäre Auseinandersetzungen beklagt. Ist ein bestimmtes Maß überschritten, können betroffene Mieter eine Mietminderung verlangen. Bei immer wiederkehrenden Beeinträchtigungen muss der Mieter kein detailliertes Lärmprotokoll vorlegen (Beschluss vom 22. August 2017, VIII ZR 226/16).

Will ein Mieter die Miete wegen Lärms mindern,muss er Angaben zur Art der Beeinträchtigung, Tageszeit und Dauer machen. Zur Ursache des Lärms müssen Mieter nichts weiter vortragen: Es sei ihnen als Laien nicht möglich, die Lärmquelle einer bestimmten Wohnung zuzuordnen. Auch müssen Mieter nicht darlegen, ob der Lärm auf einem unangemessenen Verhalten anderer Bewohner oder auf einem mangelhaften Schallschutz beruht (Beschluss vom 21. Februar 2017, VIII ZR 1/16).

Betriebskosten

Eine Betriebskostenabrechnung ist ordnungsgemäß, wenn sie es dem Mieter ermöglicht, die einzelnen Kostenpositionen zu erkennen und er den auf ihn entfallenden Anteil rechnerisch nachprüfen kann (Urteil vom 19. Juli 2017, VIII ZR 3/17).

Eine Betriebskostenabrechnung ist deshalb auch dann in Ordnung, wenn der Mieter hin und her blättern muss, um die auf mehreren Seiten verteilten Rechenschritte nachvollziehen zu können (Urteil vom 19. Juli 2017, VIII ZR 3/17).

Bei der Betriebskostenabrechnung muss der Vermieter immer alle Positionen einzeln auflisten. Eine Zusammenfassung mehrerer Betriebskostenarten in einer Summe ist nur ausnahmsweise zulässig und braucht einen sachlichen Grund. Nicht zulässig ist es, die Kosten für "Wasserversorgung/Strom", "Straßenreinigung/Müll/Schornsteinfeger", "Hausmeister/Gebäudereinigung" und "Hausmeister/Gebäudereinigung/Gartenpflege" zusammenzufassen. Dies gilt ebenfalls für die Positionen "Grundsteuer" und "Straßenreinigung" (Beschluss vom 24. Januar 2017, VIII ZR 285/15).

Vermieter müssen innerhalb von zwölf Monaten über die Betriebskosten abrechnen. Eine schlampige Hausverwaltung entlastet sie nicht. Im entschiedenen Fall hatte ein Vermieter erst nach zwei Jahren über die Betriebskosten abgerechnet. Er begründete dies damit, dass die Verwaltung die Abrechnung nicht innerhalb der Frist vorgelegt habe - ohne Erfolg. Erhält der Mieter nicht spätestens zwölf Monate nach Ende der Abrechnungsperiode seine Betriebskostenabrechnung, muss er keine Nachforderungen des Vermieters mehr bezahlen (Urteil vom 25.1.2017, VIII ZR 249/15).

Verwertung

Eine Wohnungskündigung aus wirtschaftlichen Interessen muss aus Sicht des Bundesgerichtshofs (BGH) sorgfältig begründet werden. "Das ist kein Selbstläufer", sagte die Vorsitzende Richterin Karin Milger bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Eine Kündigung sei nur dann zulässig, wenn dem Eigentümer andernfalls ein erheblicher Nachteil entstünde. Diesen dürfe er "nicht nur pauschal, plakativ benennen". In dem Fall hatte ein Investor ein Wohnhaus gekauft und den Mietern gekündigt. Er begründete dies damit, das Gebäude abreißen zu wollen, um ein Modegeschäft einer Schwestergesellschaft im Nachbarhaus zu vergrößern. Durch die langfristige Verpachtung an den Laden sei ein deutlich höherer Mietertrag zu erwirtschaften. (Urteil vom 27. September 2017, VIII ZR 243/16)

Verjährung

Hat der Mieter während der Mietzeit die Wohnung beschädigt, hat der Vermieter nach Auszug des Mieters nur sechs Monate lang Zeit, die Schäden geltend zu machen. Der Gesetzgeber habe mit der kurzen Verjährungsfrist aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erreichen wollen, dass bei der Rückgabe der Mietwohnung zeitnah bestehende Ansprüche geklärt werden, betont der BGH. Deren Prüfung sei in sechs Monaten auch möglich. Eine Klausel im Mietvertrag, die diese Verjährungsfrist auf zwölf Monate verlängert, ist laut BGH unwirksam. Es handele sich um eine unangemessene Benachteiligung des Mieters. Nicht nur, weil sie die Frist von sechs auf zwölf Monate verdopple, sondern weil die Verjährungsfrist auch nach dem Wortlaut der Klausel erst mit dem Mietvertragsende beginnen sollte. Auch dies sei unwirksam, denn nach dem Gesetz müsse die Verjährung bereits mit der Rückgabe der Mietsache anfangen (Urteil vom 8. November 2017, VIII ZR 13/17).

Härte

Der Mieter kann einer Kündigung entgegenhalten, dass die Kündigung für ihn, seine Familie oder Angehörige seines Haushalts eine Härte bedeuten würde. Die Gerichte müssen sich darüber inhaltlich auseinandersetzen. Wenn ihnen die eigene Sachkunde dazu fehlt, müssen sie ein Sachverständigengutachten einholen (Urteil vom 15. März 2017, VIII ZR 270/15).

Schönheitsreparaturen

Vermieter können im Mietvertrag einen Zuschlag für Schönheitsreparaturen verlangen. Der Zuschlag stelle Vermieter und Mieter nicht anders, als wenn sie von Anfang an eine um den Zuschlag höhere Grundmiete hätten. Den Zuschlag muss der Mieter bezahlen, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Vermieter tatsächlich Schönheitsreparaturen durchführt (Urteil vom 30. Mai 2017, VIII ZR 31/17).

Grundsteuer

Wer ein Gebäude vermietet, in dem sich sowohl Gewerbe- als auch Wohneinheiten befinden, muss bei der Umlage der Grundsteuer in der Betriebskostenabrechnung keinen Vorwegabzug für die gewerblich genutzten Einheiten vornehmen (Urteil vom 10. Mai 2017, VIII ZR 79/16).

© SZ vom 29.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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