Bauschutt als Rohstoff:Auferstehen aus Ruinen

Lesezeit: 3 min

Von wegen Abfall: Wird Bauschutt fachgerecht getrennt, enthält er wertvolle Rohstoffe. Dass die bislang nur im Straßen- und Erdbau genutzt werden, halten Experten für Verschwendung.

Lars Klaaßen

Biomüll, Glas, Papier, Gelbe Tonne, Restmüll: Abfall zu trennen, damit Rohstoffe recycelt werden können, ist in den meisten Haushalten seit vielen Jahren selbstverständlich. Doch ein Großteil des Mülls fällt nicht in den eigenen vier Wänden, sondern beim Bau und Abriss von Gebäuden an. Viele Materialien können recycelt werden.

In Bayern fallen jährlich etwa acht Millionen Tonnen Bauschutt an - ein Großteil wird recycelt und weiter genutzt. (Foto: Foto: ddp)

"In Bayern fallen jährlich etwa acht Millionen Tonnen Bauschutt an", sagt Umweltingenieur Jürgen Weber, Geschäftsführer des Verbandes Baustoff Recycling Bayern. "Davon werden circa 60 Prozent recycelt und weitere 30 Prozent in Gruben, Brüchen und Tagebauen der Steine- und Erdenindustrie verfüllt." Der Rest werde auf abfallrechtlich genehmigten Deponien beseitigt.

"Mit Recyclingbaustoffen aus Bauschutt und Straßenaufbruch können derzeit zehn Prozent des Bedarfs an Sand und Kies der bayerischen Bauwirtschaft gedeckt werden", sagt Weber. "Dieser beläuft sich jährlich auf 80 Millionen Tonnen."

Auf ein Minimum reduziert

Den Spitzenplatz in der Recyclingquote belegt der Landkreis München: "Im Gegensatz zur bundes- und landesweiten Entsorgung von Bauabfällen, wo noch ein Großteil dieser Stoffe auf Deponien landet, praktizieren wir seit 1985 die Trennung der Bauabfälle in Bauschutt, Bau- und Abbruchholz, und Baustellenabfälle", erläutert Christine Spiegel, Sprecherin des Landkreisamtes. Das Amt hat für Bauherren, Bauleiter, Unternehmer und Poliere die Infobroschüre "Richtige Entsorgung von Bauabfällen" herausgegeben, die auch im Internet heruntergeladen werden kann.

"Durch eine fachgerechte Trennung konnte die zu deponierende Menge an Bauschutt auf ein Minimum reduziert werden", sagt Spiegel. Der Großteil des Bauschutts im Großraum München wird in Kiesgruben verfüllt oder wieder aufbereitet.

Auch der Bedarf ist immens

Es sind vor allem die mineralischen Rohstoffe, die den Großteil dieses Aufkommens ausmachen. Das gilt nicht nur für die Entsorgung, sondern auch für den Immobilienbestand. "In Gebäuden, Straßen, Parkplätzen, Ver- und Entsorgungsleitungen lagerten in Deutschland im Jahr 2000 etwa 50 Milliarden Tonnen mineralische Rohstoffe, also zum Beispiel Kalk, Gipsstein, Schiefer, Kies, Sand, Ton", erläutert Felix Müller, Experte für Ressourcenschonung und Stoffkreisläufe beim Umweltbundesamt. "Bis zum Jahr 2010 dürfte dieser Wert auf circa 60 Milliarden Tonnen wachsen."

Andererseits ist auch der Bedarf immens: Allein im Jahr 2005 setzten Unternehmen in Deutschland etwa 551 Millionen Tonnen mineralische Rohstoffe für die Herstellung von Baustoffen und -produkten ein.

Auf der nächsten Seite: Beim Rückbau ist Vorsicht geboten - wenn Gebäude Schadstoffe enthalten, sind besondere Maßnahmen erforderlich.

Die beim Bauen verwendeten Baustoffe bringen etwa achtmal mehr Material in die Bausubstanz ein, als durch Bauabfälle am Ende wieder herauskommt. Im Jahr 2004 betrug die jährliche mineralische Bauabfallmenge ohne Straßenaufbruch und Bodenaushub etwa 51 Millionen Tonnen.

"Dass diese Materialien nahezu ausschließlich im Straßen- und Erdbau weiterverwertet werden, wird ihrer Hochwertigkeit nicht gerecht", betont Müller. Das sei kein Re-, sondern Downcycling. Langfristig müsse das Ziel der Einsatz im Hochbau sein: "Unter dem Aspekt der Ressourcenschonung ist der Gebäudebestand ein riesiges Materiallager, das wir effizient nutzen sollten, um Rohstoffe zu sparen und Bauabfälle zu vermindern."

Berüchtigte Stoffe

Neben dieser technischen Herausforderung gibt es aber noch eine weitere: "Wenn Gebäude Schadstoffe enthalten, sind beim Rückbau besondere Maßnahmen gefordert", sagt Matthias Heinzel vom Bayerischen Landesamt für Umwelt. "Vor allem Bauten, die nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die neunziger Jahre erstellt wurden, sind betroffen."

Berüchtigte Stoffe wie Asbest, PCB oder gefährliche Holzschutzmittel dürfen seither nicht mehr verwandt werden. Doch auch während der Nutzung können Gebäude kontaminiert werden: etwa durch industrielle Nutzung oder großangelegte Schädlingsbekämpfung, beispielsweise mit dem heute verbotenen DDT. "Im Gesamtbild kann sich also, insbesondere bei industriell, gewerblich oder militärisch genutzten Gebäuden, ein komplexes Belastungsmuster der Bausubstanz ergeben", sagt Heinzel.

Wärmedämmung als Falle

Heutzutage sind Architekten, Bau- und Wohnungsunternehmer gefordert, bereits vor dem Bauen an die spätere Verwendung und Verwertung der Baustoffe zu denken. Umweltfreundliche, langlebige und wiederverwendbare oder stofflich verwertbare Produkte sind angesagt.

Doch trotz zunehmend ökologischem Bewusstsein am Bau bleibt eine Tendenz nach wie vor ungebrochen: "Der Kunststoffanteil pro Wohneinheit ist in den vergangenen Jahrzehnten um ein Mehrfaches angestiegen", sagt Müller vom Umweltbundesamt. Auch wer konsequent ökologisch plane, tappe schnell in eine Falle. Gute Wärmedämmung etwa ist heute zwar selbstverständlich. Dafür werden jedoch Verbundstoffe gefertigt, die aus unterschiedlichen Materialkomponenten bestehen. Wie diese einzelnen Materialien später getrennt werden sollen, um sie anschließend recyceln zu können, ist noch nicht geklärt.

Ratgeber im Internet:

www.lfu.bayern.de (Stichworte Boden, Fachinformationen, Schadstoffratgeber)

www.landkreis-muenchen.de

www.abfallratgeber-bayern.de

© SZ vom 05.01.2010/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: