Bau:Mehr Pfusch

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Undichte Dächer, feuchte Wände, Risse: Neue Häuser haben immer häufiger schwerwiegende Mängel. Das liegt vor allem am Bauboom. Denn viele Unternehmen sind völlig überlastet und finden nicht genug qualifizierte Fachkräfte.

Der Bauboom bringt neue Häuser und Wohnungen, aber auch viel Frust. Denn die Mängel an Gebäuden nehmen zu, legt eine Studie des Bauherren-Schutzbundes (BSB) nahe. Die Zahl der Versicherungsschäden hat sich demnach zwischen 2009 und 2016 fast verdoppelt (plus 89 Prozent).

Schuld aus Sicht des Verbands, der mehr als 5800 Haftpflichtfälle der Architekt-Ingenieur-Assekuranz ausgewertet hat: überlastete Firmen, Fachkräftemangel und immer mehr Vorschriften am Bau. "Dadurch steigt auch die Fehleranfälligkeit bei Planung und Bauausführung", sagt BSB-Geschäftsführer Florian Becker. Die Mängel gibt es am häufigsten an Dächern, Decken, Fußböden und Wänden. Die Folge sind feuchte Wohnungen, Risse und falsche Abdeckungen. In der Regel tauchen die Schäden im ersten Jahr nach der Fertigstellung auf. "Manche Probleme wie die fehlerfreie Abdichtung bei bodengleichen Duschen, die schon auf dem Rückzug waren, kommen jetzt wieder verstärkt", sagt Becker.

Hans-Ullrich Kammeyer, Präsident der Bundesingenieurkammer, macht vor allem Termindruck für steigende Bauschäden verantwortlich. "Jahrelang waren Ingenieurbüros nicht ausgelastet und mussten daher zwangsläufig Kapazitäten abbauen. Heute stoßen sie im Boom an ihre Grenzen." Am Bau fehlten Tausende Ingenieure. Die Lücke lasse sich mit Hochschulabsolventen so schnell nicht füllen, zumal es in der Ausbildung Defizite gebe. Er sieht aber auch die Politik in der Pflicht. "Wir brauchen Planungssicherheit bei Investitionen der öffentlichen Hand, damit wir nicht krasse Kapazitätsschwankungen haben."

Auch das Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) beobachtet mehr Schäden. "In Deutschland haben wir mehr als 15 Jahre unsere Infrastruktur, aber auch den Wohnungsbau sträflich vernachlässigt", sagt Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. Auftraggeber würde zudem unqualifizierte Betriebe beauftragen, auch um Kosten zu sparen. Dazu zählten scheinselbständige Fliesenleger, die keine Meisterprüfung hätten, und Subunternehmerketten, an deren Ende unqualifizierte Beschäftigte stünden. Doch nicht nur die Zahl der Schäden steigt, sie werden auch immer teurer, zeigen die Daten des Bauherren-Schutzbundes: So seien 2009 bis 2011 bei Mängeln im Durchschnitt gut 63 000 Euro angefallen. Von 2015 bis 2017 lagen die Kosten nach Hochrechnungen rund ein Drittel höher - bei 84 000 Euro. Denn mit ausgefallenen Wohnwünschen, vielfältigeren Grundrissen und modernen Ausstattungen wird Bauen komplexer. "Früher kam es auch zu Mängeln, aber Häuser waren nicht so technisiert", sagt BSB-Geschäftsführer Becker. Er rät Bauherren zur Qualitätskontrolle durch Sachverständige. Das koste etwa 3000 Euro, jedoch würden Schäden so bestenfalls schon in der Entstehung erkannt.

Andere Verbände sehen keinen so starken Trend zu mehr Schäden, aber grundsätzliche Mängel am Bau. Die Qualität im Schlüsselfertigbereich sei "durchgehend suboptimal", erklärte der Verband Privater Bauherren. Dort komme Planung und Bau aus einer Hand, was Interessenskonflikte mit sich bringe. Aber auch die Ansprüche am Bau verschärften das Problem: Bei der energetischen Dämmung etwa werde heutzutage eine komplett luftdichte Gebäudehülle angestrebt und so die Fehlertoleranz immer kleiner. "Früher wurde die Feuchtigkeit einfach herausgelüftet."

© SZ vom 07.12.2018 / Alexander Sturm/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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