Bankenkrise in Europa:Quittung für Europas Selbstbetrug

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Die Griechen mussten ja partout zum Reich des Euro gehören. Dafür nahmen die EU-Spitzenpolitiker hin, dass die düsteren Statistiken des Landes so lange frisiert wurden, bis sie zum Stabilitätsmantra der Euro-Schöpfer passten. Jetzt gibt es die Rechnung für den fortgesetzten Selbstbetrug. Beglichen wird sie vom Steuerzahler.

Hans-Jürgen Jakobs

Alles schon mal dagewesen, alles wie vor drei Jahren: Regierungen müssen wieder Banken retten. 2008 war es der Kollaps der US-Investmentbank Lehman, der die Finanzmärkte in Turbulenzen stürzte, diesmal ist es die verdrängte, verschwiegene, camouflierte Pleite des Euro-Staats Griechenland, die für Furcht und Schrecken sorgt. Weil nun mal viele Geldhäuser in Anleihen des sklerotischen Mittelmeerstaats investiert hatten, der ja als Mitglied der angeblich wetterfesten Euro-Zone zum Klub der Stabilität gehörte, und weil auch Anleihen der hoch verschuldeten Länder Italien, Irland, Portugal, Belgien und Spanien bedroht sind, tun sich inzwischen Klafter von Risiken in den Bankbilanzen auf. Hier soll, auf vielen Wegen organisiert, wie gehabt öffentliches Geld helfen. Es gilt das Prinzip: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert.

Banken sind sich für so gut wie kein Geschäft zu schade, und mit einigem Recht können sie darauf verweisen, dass sie von der Politik geradezu gedrängt wurden, in Papiere von Staaten wie Griechenland zu investieren. (Foto: dpa)

Das Problem betrifft vor allem französische Banken - und damit jenes Land, das mit Deutschland zum Kern Europas gehört. Frankreich steht vor riesigen Rettungsaktionen, was die Kraft angesichts bereits vorhandener Großschulden zu überfordern droht. Erstes Menetekel ist der Niedergang der belgisch-französischen Großbank Dexia. Aber auch Pariser Finanzgrößen wie BNP Paribas und Crédit Agricole sind vollgepumpt mit Anleihen aus Euro-Problemländern.

So wird verständlich, dass der am Wochenende von Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Kanzlerin Angela Merkel beredete Bankenrettungsplan noch Zeit braucht, und der hierfür nötige, für kommende Woche terminierte EU-Gipfel verschoben wird. Weil nach einer Griechenland-Rettung sofort die Spekulationen über Italien und all die anderen Krisenkinder der Euro-Familie einsetzen werden, könnte Frankreich wegen des Engagements seiner Banken rasch jenes Prädikat verlieren, das der Grande Nation so am Herzen liegt: das Triple-A der Ratingagenturen, die Bestnote für Kreditwürdigkeit.

Die Frage ist, ob die Politik diesmal die Feuerwehr organisieren kann, bevor die Schwelbrände ausbrechen. Wohl deshalb ist mehr Zeit nötig: zum Beispiel dafür, dass die Banken noch schnell Anleihen-Sondermüll bei der Europäischen Zentralbank loswerden, die zuletzt als Deponie für kritische Wertpapiere fungiert hat. Hier, bei der EZB, sind die Steuerzahler der Euro-Länder als letzte Finanziers unweigerlich im Obligo.

Es wird jetzt die Rechnung für fortgesetzten Selbstbetrug beglichen. Der ging davon aus, dass die Griechen und ihr Wiegenland der Demokratie partout zum Reich des neuen Euro gehören müssten, wofür die EU-Spitzenpolitiker hinnahmen, dass die düsteren Statistiken des Landes so lange frisiert wurden, bis sie zum Stabilitätsmantra der Euro-Schöpfer passten. Die amerikanische Großbank Goldman Sachs half dabei in kreativer Manier. Banken sind sich für so gut wie kein Geschäft zu schade, und mit einigem Recht können sie darauf verweisen, dass sie von der Politik ja geradezu gedrängt wurden, in Papiere von Staaten wie Griechenland zu investieren.

Als vor einigen Monaten mit viel Brimborium Stresstests für Europas Geldhäuser zur Beruhigung des Publikums veranstaltet wurden, sah unter dem Strich alles fast gülden aus. Geradezu gehärtet wirkten die Leistungswerte - man hatte einfach die kritischen Staatsanleihen ausgeklammert. Nichts war in der Euro-Zone so perfekt organisiert wie das System Selbstbetrug. Dazu passt, auch, dass die Top-Politiker noch Anfang September hohnlachten über die neue Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, die ein Loch von 200 Milliarden Euro bei den europäischen Finanzinstituten entdeckt hatte.

Nun, immerhin, wird die Realität nicht länger geleugnet. Realität ist, dass Griechenland seine Kredite nicht bedienen kann, was unschön formuliert "Pleite" heißt. Realität ist, dass bei dem nun erwogenen Schuldenschnitt von 50 Prozent jeder Gläubiger auf die Hälfte der Forderungen verzichtet. Realität ist, dass die Banken mit mehr Kapital ausgestattet werden, um all die Probleme mit den Euro-Krisenländern zu verkraften. Vermutlich wird auch der Euro-Rettungsfonds EFSF angezapft. Politisches Gebot der Stunde ist es nun mal, alle Gelder zu mobilisieren. Und für die steht eines Tages der Steuerzahler gerade. Der jahrelange Selbstbetrug wird teuer.

© SZ vom 11.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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