Auf Druck der EU:ING zerschlägt sich selbst

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Die EU setzt durch, dass sich der niederländische Finanzkonzern ING in zwei Teile aufspalten muss. Nachdem die Zerlegung bekannt wurde, stürzte de ING-Aktie ab.

In dem Drama um den durch die Finanzkrise tief gestürzten niederländischen Finanzkonzern ING hat jetzt der letzte Akt begonnen. Der 1991 aus einer Fusion hervorgegangene Bank- und Versicherungskonzern ING zerschlägt sich auf Druck der Europäischen Union selbst.

Hauptverwaltung der ING Group in Amsterdam: Bis 2013 müssen alle Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäfte losgeschlagen werden. (Foto: Foto: ING Group)

Damit wird nach Fortis ein weiterer großer Finanzkonzern aus den Benelux-Staaten zerlegt. Die von der Europäischen Kommission auferlegte Aufspaltung geht nach Einschätzung einiger Experten weiter als erwartet. Das Unternehmen kündigte zudem an, die Staatshilfe in Höhe von zehn Milliarden Euro bald zurückzahlen zu wollen. Die erste Hälfte soll bereits im Dezember getilgt werden - die andere so bald wie möglich.

Bezahlt werden soll dies unter anderem mit dem Geld für neue Aktien. Der Allianz-Konkurrent will neue Aktien für 7,5 Milliarden Euro am Markt verkaufen.

Aktie beendet Höhenflug

Am Markt sorgte dies für ein Ende des jüngsten Höhenflugs des im EuroStoxx 50 notierten Papiers. Die ING-Aktie stürzte in der Spitze um bis zu knapp zehn Prozent auf 10,50 Euro ab.

Angesichts der immensen Kapitalerhöhung - die angekündigte Summe entspricht etwa einem Drittel des Marktwerts vom Freitagabend - ist der Kursverlust nach Einschätzung von Experten noch vergleichsweise gering ausgefallen.

Mit einem Plus von rund 320 Prozent seit ihrem Tief im Frühjahr gehört das Papier zudem trotz der Verluste am Montag immer noch zu den stärksten Gewinnern unter den europäischen Finanzwerten.

Risiko soll halbiert werden

Wie das Unternehmen am Montag mitteilte, müssen alle Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäfte bis Ende 2013 losgeschlagen werden. Übrig bleibe dann das Bankgeschäft. Hier müsse sich ING allerdings auch noch vom Direktbankgeschäft in den USA und anderen kleineren Sparten trennen, um von der EU die Genehmigung für die bereits erhaltene Staatshilfe zu erhalten.

Die Versicherungs- und Kapitalanlagesparten sollen durch Verkäufe oder Börsengänge aus dem Konzern herausgelöst werden. ING-Chef Jan Hommen würde am liebsten das gesamte Versicherungsgeschäft in einer Einheit an die Börse bringen.

Mit diesen drastischen Schritten soll das Risiko halbiert und das Geschäft des Konzerns insgesamt deutlich reduziert werden. Mit der Aufspaltung der ING ist auch der letzte europäische Allfinanzkonzern mit dem Ziel eines ungefähr gleichgroßen Bank- und Versicherungsgeschäfts am Ende.

Der ING-Konkurrent und Europas größter Versicherer Allianz hatte die Träume eines Konzerns mit ausgewogenem Bank- und Versicherungsgeschäft bereits 2008 endgültig begraben und sich von der Dresdner Bank getrennt, die nach ihrem Erwerb zu Beginn des Jahrtausends zum Milliardengrab geworden war.

Milliardenbelastung für Ergebnis

Zugleich will der Konzern den staatlichen Einfluss reduzieren und schon im Dezember die erste Hälfte der erhaltenen Kapitalhilfe zurückzahlen. In einem ersten Schritt will die ING Wertpapiere über fünf Milliarden Euro mit einem deutlichen Aufschlag vom Staat zurückkaufen.

Neben der Zinszahlung von rund 260 Millionen Euro werde dem Staat für den zuletzt stark gestiegenen Aktienkurs ein Aufschlag zwischen 333 Millionen Euro und 691 Millionen Euro gezahlt. Zudem muss ING dem Staat für die Absicherung von wertlos gewordenen Wertpapieren eine höhere Gebühr als bezahlen bislang bekannt. Dies werde das Ergebnis des Unternehmens im vierten Quartal mit rund 1,3 Milliarden Euro belasten. Experten hatten hier allerdings mit wesentlich höheren Zahlungen gerechnet.

Auch die Zahlen für das dritte Quartal, die ING am Montag ebenfalls vorlegte, überraschten positiv. Der Gewinn vor Sonderposten sei von 229 Millionen Euro im zweiten Quartal auf 750 Millionen Euro gestiegen, wobei das Geschäft mit Versicherungen rund eine halbe Milliarde Euro beisteuerte. Im dritten Quartal 2008 hatte der Konzern noch einen Verlust vor Sonderposten von 568 Millionen Euro erlitten.

Inklusive aller Sonderposten wie Belastungen aus der Finanzkrise und Erlösen aus Verkäufen von Sparten verdiente ING im dritten Quartal rund eine halbe Milliarde Euro.

Den Erlösen aus den bereits erfolgten Spartenverkäufen standen hier krisenbedingte Abschreibungen in Höhe von 850 Millionen Euro gegenüber.

Überraschender Zeitpunkt

Nach Einschätzung des WestLB-Experten Andreas Schäfer geht der von der EU auferlegte Umbau weiter als von ihm gedacht. Die ING habe allerdings bis zum Jahr 2013 Zeit, um das Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäft sowie Teile des Bankgeschäfts loszuschlagen, hieß es in einer Studie. Das sollte dem Konzern genügend Spielraum geben, um vernünftige Preise dafür zu erzielen.

Cheuvreux-Analyst Hans Pluijgers zeigte sich vom Zeitpunkt der Ankündigung über die Aufspaltung überrascht. Der Umfang bewege sich dagegen im Großen und Ganzen innerhalb seiner Erwartungen. Positiv wertete er auch die Konditionen für die Rückzahlung der Staatshilfen.

Die ING müsse hier für die erste Hälfte in Höhe von fünf Milliarden Euro nur eine Prämie von einer Milliarde Euro zahlen. Dies sei weniger als bislang erwartet. Beide Experten bestätigten am Montagvormittag ihre insgesamt positive Einstufung für die ING-Aktie.

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