Architekturexperte:"Erzeugen Sie gute Gefühle"

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Eckhard Feddersen ist Architekt in Berlin. Schon früh arbeitete er auf dem Gebiet der Sozialbauten für Senioren, Kinder und Behinderte. 2016 erhielt er den Otto Mühlschlegel Preis der Robert Bosch Stiftung. (Foto: Feddersen Architekten)

Architekt Eckhard Feddersen über demenzfreundliche Wohnungen und die Frage, was wirklich wichtig ist.

Interview von Felicitas Witte

SZ: Herr Feddersen, was ist ein demenzfreundliches Heim?

Eckhard Feddersen: Bei Menschen mit Demenz verschieben sich die Erinnerungen an einen Raum oder gehen ganz verloren. Der Betroffene kann sich zum Beispiel nicht mehr erklären, warum gerade dieser Stuhl im Raum dort steht oder dass er zum Sitzen dient. Wir müssen versuchen zu verstehen, was der Demenzkranke in seinem Kopf gerade für einen Raum sieht.

Wie sieht das praktisch aus?

Kein Mensch geht gern ins Dunkle, wenn er den Weg sucht. Aber er zieht sich gern ins Dunkle zurück, wenn er Schlaf braucht. Kein Mensch setzt sich gern großem Lärm aus, aber er hört gerne ein gewaltiges Konzert. Kein Mensch findet es schön, wenn er ein Ziel hat und sich ihm Dinge in den Weg stellen. Aber er braucht, wenn er das Ziel erreicht etwas, das diesen Platz gegen außen abschirmt und verteidigt. Es geht immer darum, "gute" Gefühle zu erzeugen.

Das kann sich aber rasch ändern. Morgens finde ich ein gewaltiges Konzert im Radio toll, am Nachmittag aber nicht?

Genau. Deshalb dürfen die Angebote im Raum auch nicht fix und eindimensional sein, sondern müssen aus komplementären Ideen entstehen. Also zum Beispiel aus einem Ort der Wärme wie ein Kaminfeuer und gleichzeitig ein Ort der Kühle wie ein Balkon. Sie müssen zunächst herausfinden, was für den Betroffenen noch bedeutsam ist. Dann kann man sich auf zwei Aspekte konzentrieren. Erstens: Reduzieren Sie auf das Wesentliche. Entfernen Sie das, was nicht wirklich emotional oder praktisch gebraucht wird, und machen Sie das, was bleibt, sichtbarer und wichtiger. Zweitens: Alles, was bleibt, muss dem dualen Anspruch gerecht werden - dem Wunsch nach Abstand oder Nähe, Farbigkeit oder Neutralität, Wärme oder Kälte. Einen großen Effekt haben Veränderungen, die der Betroffene nicht wahrnimmt. Etwa Teppiche als Stolperfallen beseitigen. In der CD-Sammlung sollte eine Palette von heiterer bis besinnlicher Lieblingsmusik vorhanden sein. In den Schrank könnten Sie Glas einbauen, damit man sieht, was drin ist.

Geht es den Betroffenen damit besser?

Durch das intuitive Wahlangebot schafft man Zufriedenheit. Auch Menschen mit Alzheimer bleiben bis zum Schluss Gefühlswesen, die sich instinktiv für sich richtig verhalten.

© SZ vom 17.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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