Anlageberatung:Deal mit Rücktrittsrecht

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Die Banken laufen Sturm, doch die Regierung gibt nicht nach: Anleger sollen den Kauf von Finanzprodukten künftig stornieren können - wenn die Beratung am Telefon erfolgte.

A. Hagelüken u. M. Zydra

Die große Koalition will deutsche Anleger trotz massiver Proteste der Finanzbranche besser schützen. Die Banken laufen gegen ein neues Gesetz Sturm, wonach Kunden den Kauf von Finanzprodukten wie Aktien oder Fonds stornieren können, wenn die Beratung dazu am Telefon erfolgte. Die Branche intervenierte direkt im Bundeskanzleramt und warnte vor "großen wirtschaftlichen Risiken". Weil sie damit bei der Union Anklang fand, stand das Gesetz diese Woche auf der Kippe. Nun aber wollen CDU/CSU und SPD es am Freitag verabschieden, bestätigten Abgeordnete beider Parteien.

Anleger sollen künftig den Kauf von Finanzprodukten stornieren können - wenn die Beratung telefonisch erfolgte. (Foto: Foto: istock)

Die Bundesregierung reagiert mit den neuen Regeln darauf, dass viele Deutsche wegen schlechter Beratung durch Banken in der Finanzkrise Geld verloren. Unter anderem wurden riskante Zertifikate der US-Bank Lehman Brothers nach deren Pleite wertlos, was 40.000 Anleger traf. Zahlreiche von ihnen hatten ihrer Bank gesagt, sie wollten ihr Geld sicher anlegen - ein klarer Widerspruch zu der Empfehlung, Zertifikate zu kaufen. Nach einer Studie im Auftrag der Bundesregierung kostet schlechte Beratung die Deutschen jedes Jahr 20 bis 30 Milliarden Euro.

Das neue Gesetz sieht unter anderem vor, dass die Bank dem Kunden nach einer Beratung ein Protokoll aushändigen. Damit hat der Anleger künftig vor Gericht einen Beweis in der Hand, wenn er das Geld sicher anlegen wollte und ihm die Bank beispielsweise Zertifikate oder andere riskante Papiere verkaufte. Wenn der Kunde das Protokoll falsch findet, kann er den Kauf sofort verweigern.

SPD beharrt auf Rücktrittsrecht

Die Finanzbranche nimmt die Änderungen grundsätzlich hin. Sie wehrt sich aber massiv dagegen, dass der Kunde künftig eine Woche lang vom Kauf zurücktreten kann, wenn er aus seiner Sicht falsch beraten wurde. Das Argument: Wenn zwischenzeitlich der Kurs der Aktie oder des Fonds, müsste das Geldhaus den Verlust tragen, wenn der Kunde zurücktritt. Anleger könnten auf diese Weise kostenlos auf kurzfristig höhere Kurse spekulieren, alle Risiken trage die Bank.

Die SPD beharrt trotz der Lobbyarbeit der Branche auf dem Rücktrittsrecht. "Die Alternative wäre, dass die Banken die Gespräche auf Band aufzeichnen. Das wäre für sie schlechter", sagte der SPD-Abgeordnete Ortwin Runde. "Inzwischen hat sich auch die Union wieder unserer Meinung angeschlossen, dass es ein Rücktrittsrecht geben muss." Zwischendurch forderten einige Unions-Abgeordnete, den Banken entgegenzukommen.

Dann setzte Fraktionschef Volker Kauder am Mittwoch durch, dass es bei dem Gesetz bleibt. Die Union hätte sonst kurz vor der Bundestagswahl als Partei dagestanden, die die Anleger mitten in der Finanzkrise nicht besser schützen will. "Die Kritik der Banken ist berechtigt", sagt die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner. Ein Rücktrittsrecht sei aber immer noch besser als eine telefonische Aufzeichnung. Es werde ohnehin wenige Fälle geben, in denen ein Anleger das Recht missbrauche. "Mit so einem Kunden macht die Bank doch nur einmal ein Geschäft." Voraussetzung für den Rücktritt sei ohnehin, dass der Kunde falsch beraten wurde.

Radikale Briten

Radikaler als in Deutschland wird momentan in Großbritannien über den Anlegerschutz diskutiert. Die britische Aufsicht FSA will bis 2012 den Finanzvermittlern verbieten, von Banken und anderen Gebühren zu kassieren, wenn sie ihre Produkte verkaufen. Künftig sollen die Kunden den Vermittler direkt bezahlen. Diese Regelung stelle sicher, so die FSA, dass die Beratung unabhängig verlaufe und wirklich die Interessen des Kunden berücksichtige.

Großbritannien würde damit eine ähnliche Regelung einführen, wie sie in den skandinavischen Staaten Dänemark, Schweden und Norwegen bereits für den Versicherungsmarkt gilt. Dort wurden die Vermittlungsprovisionen abgeschafft. Im Kern schreiben Skandinavien und Großbritannien damit die Honorarberatung fest, die auch in Deutschland in den letzten Jahren an Einfluss gewann. Bei der Honorarberatung bezahlen Kunden den Finanzberater direkt, sei es auf Stundenbasis oder mit einer jährlichen Fixsumme.

In Deutschland fordert eine Allianz von Aufsehern, Gewerkschaften, Verbraucherschützern und Banken eine strengere Aufsicht über den milliardenschweren grauen Kapitalmarkt. Bei einer Anhörung des Bundestagsfinanzausschusses warnten Experten vor unseriösen Anbietern und Betrügern, die Anleger auf diesem Markt jedes Jahr Milliarden abluchsen.

© SZ vom 02.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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