Amerika lockert Alkoholgesetz:Ende der Prohibition

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Schnaps gegen Schulden: Noch immer ist es in manchen Gegenden der Vereinigten Staaten leichter, ein Gewehr zu kaufen als ein Bier. Doch Amerikas Kassen sind derart klamm, dass sich das nun ändern könnte. Das Alkoholgeschäft soll in vielen US-Bundesstaaten privatisiert werden.

Nikolaus Piper, New York

In einigen Gegenden Amerikas ist es immer noch einfacher, ein Sturmgewehr zu kaufen als ein Bier. Man muss auf jeden Fall 21 Jahre alt sein, um in der Öffentlichkeit Alkohol zu konsumieren - in Waffenläden, zum Beispiel in Oklahoma, liegt die Altersgrenze bei 18 Jahren. Und Wirte, denen ihre Lizenz lieb ist, überprüfen das Alter ihrer Kunden anhand des Führerscheins, gelegentlich sogar dann, wenn der Betreffende erkennbar die 50 schon hinter sich hat. In den meisten Staaten dürfen Wein und Schnaps nur in speziellen "Liquor Stores" verkauft werden. In 17 Bundesstaaten - und einem County in Maryland - werden diese Liquor Stores sogar ausschließlich von der Regierung betrieben.

Prohibition in Amerika: Ein Mann zerstört in den 1920er Jahren Fässer mit Alkohol. (Foto: Getty Images)

Daran nun könnte sich demnächst etwas ändern. Der Grund ist die schlechte Wirtschaftslage. Nach Schätzung der Agentur Bloomberg werden die US-Bundesstaaten in diesem Jahr Defizite von zusammen 103 Milliarden Dollar einfahren; das erhöht den Anreiz für viele, das Alkoholgeschäft zu privatisieren. Im Bundesstaat Washington an der Nordwestküste etwa stimmen die Wähler an diesem Dienstag darüber ab, ob die staatlichen Alkoholläden an private Betreiber verkauft werden sollen.

Die Behörden hoffen danach auf 480 Millionen Dollar Lizenzeinnahmen über die nächsten sechs Jahre.

Noch vor einem Jahr war eine ähnliche Initiative abgelehnt worden. In Utah, wo die Alkoholgesetze wegen des Einflusses der Mormonenkirche besonders streng sind, empfahl bereits im April eine unabhängige Kommission die Privatisierung der Liquor Stores. Ähnliche Debatten gibt es in Virginia und North Dakota. In Pennsylvania liegt ein Gesetz zur Liberalisierung im Landesparlament. Der Verkauf der Alkoholläden soll Einnahmen von 1,6 Milliarden Dollar in dem notorisch klammen Bundesstaat bringen. Die Hauptstadt Pennsylvanias, Harrisburg, hat Konkursantrag gestellt und steht jetzt unter staatlicher Zwangsverwaltung.

Die vielen Einschränkungen des Alkoholkonsums gehen zurück auf die Prohibitionszeit. Am 28. Oktober 1919 hatte der Kongress - gegen das Veto von Präsident Woodrow Wilson - den Konsum von Alkohol in jeder Form durch einen Verfassungszusatz verboten. Das Prohibitionsgesetz führte tatsächlich dazu, dass der Alkoholverbrauch zurückging, es schuf jedoch gleichzeitig einen blühenden Schwarzmarkt und löste einen beispiellosen Anstieg des organisierten Verbrechens aus. Der Gangster Al Capone wurde in Chicago zum Symbol einer ganzen Epoche.

Die Prohibition hatte auch enorme kulturelle und gesellschaftliche Implikationen, die bis heute nachwirken. Das Alkoholverbot war seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem von puritanischen Gesellschaftsreformern verfolgt worden. Auf der anderen Seite des Konflikts standen besonders deutsche Einwanderer, die die Braukunst nach Amerika gebracht hatten und für die Bier und Wein zum Lebensstil gehörten. Nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg 1917 fielen diese Einwanderer als politisch einflussreiche Gruppe aus, was den Erfolg der Prohibition im Kongress sicherte.

Verkauf von Alkohol heftig umstritten

Wegen seiner verheerenden Nebenwirkungen auf die Gesellschaft wurde das Alkoholverbot am 5. Dezember 1933 unter Präsident Franklin D. Roosevelt in aller Form wieder aufgehoben. Die bis heute geltenden Kontrollmaßnahmen wurden zum größten Teil nach dem Ende der Prohibition erlassen. Wenn man Alkohol schon nicht verbieten konnte, so sollte der Konsum wenigstens streng kontrolliert werden.

Auch heute noch ist die weitere Liberalisierung des Verkaufs von Wein und Spirituosen heftig umstritten. Im Februar sprach sich eine Untersuchungskommission von Ärzten und anderen Gesundheitsexperten gegen den Verkauf der Liquor Stores aus. Es gebe "eindeutige Hinweise darauf, dass die Privatisierung zu einem erhöhten Pro-Kopf-Konsum führt, was wiederum ein Indiz für Alkoholmissbrauch ist", heißt es in dem Papier. Michael Schippa, Sprecher der Verbrauchergruppe "Alcohol Justice", warnt, dass die Liberalisierung des Alkoholverbrauchs nicht etwa zu höheren Steuereinnahmen führt, sondern zu höheren Kosten für den Staat in Form von mehr Jugendalkoholismus, Verkehrsunfällen und häuslicher Gewalt.

Auf beiden Seiten des Streits stehen wirtschaftliche Interessen. Die Liberalisierung in Washington wird unterstützt von großen Einzelhandelskonzernen. Dagegen engagierten sich die vereinigten Wein- und Schnaps-Großhändler der USA, für die das geltende System wirtschaftlich günstiger ist.

© SZ vom 08.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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