Allergie:Weg mit den Milben

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Viele Menschen werden zu Hause von Niesattacken oder trockenem Husten geplagt. Schuld daran ist oft eine Allergie. Die wichtigste Maßnahme: ein ordentlicher Frühjahrsputz.

Von Felicitas Witte

Die Mitbewohner sind so klein, dass man sie mit bloßem Auge nicht sehen kann. Sie lieben feuchte Wärme, am liebsten tummeln sie sich im Bett. Hausstaubmilben sind eigentlich harmlos, aber viele Leute werden von ihnen mit Niesattacken, verstopfter Nase oder trockenem Husten geplagt - sie haben eine Allergie gegen die Tiere.

"Tagsüber verstecken sich die Milben in der Matratze, aber nachts kommen sie raus und grasen auf der Oberfläche wie Kühe auf einer Wiese", sagt Stefan Wöhrl, Allergologe aus Wien. "Sie fressen dort ihre Hauptnahrung, nämlich unsere Hautschuppen, von denen wir täglich ein paar Gramm verlieren." Die Allergie verursacht vor allem nachts und morgens Niesreiz, die Nase läuft oder ist verstopft, die Augen jucken, brennen oder tränen.

Bei 15,9 Prozent der Menschen lassen sich Abwehrstoffe nachweisen

In schweren Fällen kann es zu Hustenattacken kommen, manche Menschen bekommen kaum Luft. Jeder Zweite bis Dritte, der zuerst nur Symptome an Nase oder Augen hat, bekommt irgendwann Asthma. Allergisch reagieren Leute auf Eiweiße in den Körpern der Tierchen und in deren Kot. Ihr Immunsystem hält diese Allergene für so fremd, dass es dagegen Abwehrstoffe herstellt, IgE-Antikörper. Sie lösen eine Entzündung in den Atemwegen aus und sind für die Symptome verantwortlich. "Warum die Milben die Atemwege so stark in Mitleidenschaft ziehen, wissen wir noch nicht. Vermutlich liegt es daran, dass die Betroffenen das ganze Jahr über total vielen Milben ausgesetzt sind und dass deren Allergene das Immunsystem mehr durcheinander bringen als zum Beispiel Gräserpollen", sagt Jörg Kleine-Tebbe, Allergologe aus Berlin. Leider wird die Allergie oft viel zu spät erkannt. "Die Betroffenen haben oft nicht so schlimme Beschwerden oder sie gewöhnen sich daran und nehmen ständig abschwellende Nasentropfen", erzählt Kleine-Tebbe. "Erst wenn sie an einen besonders staubigen Ort kommen, zum Beispiel den Dachboden ausmisten, fallen ihnen die Symptome auf."

Lüften ist gut für die Betten, hilft aber nicht bei einer Milbenallergie. Wer darunter leidet, sollte den Bettdecken und Kissen eine staubdichte Extra-Hülle verpassen. Wurde die Allergie von einem Arzt diagnostiziert, übernehmen manche Krankenkassen zumindest einen Teil der Kosten. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Im Gegensatz zu Heuschnupfen, bei dem sich die Beschwerden in der Pollensaison häufig plötzlich und akut äußern, entwickeln sich die Beschwerden bei einer Hausstaubmilbenallergie oft schleichend, und man hat sie das ganze Jahr über. "Dann denkt der Betroffene nicht daran, dass er eine Allergie hat, sondern vielleicht dass er anfällig für Erkältungen ist oder eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung hat", sagt Kleine-Tebbe. Ständiger trockener Husten, häufige Infekte mit Schnupfen, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und ein ,bematschtes' Gefühl im Kopf seien häufig aber Zeichen einer Milbenallergie. Laut der "Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland" lassen sich bei 15,9 Prozent der Menschen IgE gegen Milben nachweisen. "Bei vier von zehn dieser Leute hat das aber überhaupt keine Relevanz, sie haben keine Beschwerden und man braucht nichts zu therapieren", sagt Wöhrl. "Nur wenn die Patienten auch Symptome haben und ich im Hauttest eine Reaktion feststelle, hat der Patient eine Milbenallergie."

Jedem Hausstaubmilben-Allergiker mit Symptomen rät Margitta Worm, etwas zu tun. "Sonst kann aus Schnupfen und verstopfter Nase irgendwann Asthma werden", sagt die Allergologin von der Charité in Berlin. "Das wichtigste ist: Weg mit den Milben." Jetzt im Frühling könne man das wunderbar mit dem Frühjahrsputz verbinden, sagt Kleine-Tebbe. "Allerdings sollten das nicht die Betroffenen selbst machen, das kann nämlich akut ziemlich schlimme Beschwerden auslösen." Also entweder einen Mund- und Nasenschutz tragen oder die Familie putzen lassen - endlich hat man eine gute Entschuldigung, sich davor zu drücken. Immer wieder hört Kleine-Tebbe von Patienten, sie würden Kopfkissen oder Bettbezüge ins Tiefkühlfach legen, um die Milben zu töten. "Das klappt aber meist nicht. Besser ist, man mistet mal ordentlich aus und kauft sich milbendichte Überzüge für das Bett."

Hat ein Patient trotz Milbenbekämpfung Beschwerden, verschreiben die Ärzte antiallergische Nasensprays oder Tabletten. "Hat der Patient nach sechs Monaten immer noch Beschwerden oder sind sie sogar schlimmer geworden, empfehle ich eine Immuntherapie", sagt Worm. "Ob und welche in Frage kommt, bespricht man am besten mit einem Allergologen." Bei der Immuntherapie bekommt der Patient drei Jahre lang regelmäßig Hausstaubmilben-Allergene unter die Haut gespritzt oder nimmt sie in Tropfen- oder Tablettenform auf. "Durch die vielen Allergene wird das Immunsystem umgepolt und der Körper ,lernt', nicht mehr überempfindlich auf die Milben zu reagieren", erklärt Stefan Wöhrl. "Die Beschwerden lassen nach, die Leute brauchen weniger Medikamente, und das Asthmarisiko sinkt."

Der Allergologe rät vor allem bei Kindern rechtzeitig zur Immuntherapie, also bevor sich die Allergie auf die Lunge ausgebreitet hat. "Damit kann man bei einigen Kindern Asthma vermeiden", sagt Wöhrl. Man dürfe sich nicht die Hoffnung machen, Hausstaubmilben zu entkommen. "Die sind nicht nur im Schlafzimmer, sondern auch auf Polstern in Kino oder Bus oder auf der Kleidung anderer Leute", sagt er. Eine Möglichkeit gäbe es allerdings: "Die Tierchen brauchen zum Überleben ein Mindestmaß an Luftfeuchtigkeit und Wärme. Mit einem Umzug in kalte und trockene Gegenden wie die Subarktis oder ins Hochgebirge könnte man wirklich milbenfrei leben."

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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