Finanzmisere:"Ein Hammerschlag für alle Portugiesen"

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Die Finanzmisere in Portugal erzwingt drastische Maßnahmen: Das Land verkauft staatlichen Besitz und friert Beamtenlöhne ein. Es gibt kein Tabu.

Javier Cáceres, Madrid

Die größte portugiesische Oppositionspartei hat den Weg für das Sparprogramm der Minderheitsregierung in Lissabon frei gemacht. Die Sozialdemokraten (PSD) wollten sich ihrer Stimmen enthalten, sagte Parteichefin Manuela Ferreira Leite am Donnerstag.

Die Partei stimme den Zielen des Programms grundsätzlich zu, wenn auch einzelne Maßnahmen abgelehnt würden. Damit kommt die Regierung von Ministerpräsident José Sócrates einen wichtigen Schritt bei ihrem Vorhaben voran, das Haushaltsdefizit bis 2013 wieder unter die Grenze von drei Prozent zu drosseln. 2010 lag der Fehlbetrag bei 9,3 Prozent der Wirtschaftsleistung.

"Für die Exzesse der Märkte verantwortlich"

Am Tag nach der Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Fitch rieb sich so mancher Portugiese die Augen - mit geballten Fäusten. Rating-Agenturen? War da nicht mal was? Richtig: Das waren jene Institutionen, schrieb die liberale Zeitung Público, die "für die Exzesse der Märkte verantwortlich gemacht wurden, die zum Ausbruch der Krisen geführt haben", gleichwohl noch immer imstande sind, "ganze Staaten in ernste Schwierigkeiten zu bringen."

Zum Beispiel: Portugal. Von "AA" auf "Aa-" hatten die Analysten der US-Firma am Mittwoch die Bonität Portugals abgesenkt, die Kredite an den internationalen Finanzmärkten werden damit absehbar teurer. "Es ist", so die Zeitung Diario Económico, "ein Hammerschlag für alle Portugiesen."

"Es war einmal"

Er geriet umso heftiger, als die Versprechungen Makulatur sind, mit denen die Sozialisten von Ministerpräsident José Sócrates im vergangenen Jahr es geschafft hatten, stärkste Partei im Parlament zu bleiben.

Den Schutz der Schwächsten der Gesellschaft hatte Sócrates beschworen, zwar nur moderate, aber immerhin Lohnerhöhungen in Aussicht gestellt, überdies keynesianische Maßnahmen, wie sie im Buche stehen: öffentliche Investitionen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise, die in Portugal zu einem - im Vergleich mit dem Nachbarland Spanien - leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit von knapp zehn Prozent geführt hat. Doch mittlerweile werden all die Vorsätze unter dem Motto "Es war einmal" verbucht.

Wochen lang rieb sich Sócrates' Minderheitsregierung bei den Versuchen auf, eine Unterstützung für das Wachstums- und Stabilitätsprogramm zu erhalten, das Portugal der Europäischen Union (EU) bis Ende des Monats vorlegen muss.

Milliardenentlastung für öffentliche Haushalte

Das Ziel lautet, das Haushaltsdefizit bis 2013 wieder unter die Dreiprozentmarke zu drücken, die im Maastricht-Vertrag vorgesehen sind. Vergangenes Jahr hatte die Neuverschuldung 9,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, für 2010 ist ein Wert von 8,3 vorgesehen. Entsprechend hart sind die Einschnitte, die vorgenommen werden sollen.

Insgesamt soll der öffentliche Haushalt um 6,5 Milliarden Euro entlastet werden. Den Löwenanteil daran - ungefähr ein Sechstel - soll den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aufgebürdet werden. So sollen ihre Löhne in diesem Jahr eingefroren und bis 2013 bloß unterhalb der Inflationsrate erhöht werden.

Nur noch die Hälfte der frei werdenden Stellen soll wieder besetzt werden. Alle nicht besteuerbaren Sozialleistungen sollen gleichfalls bis 2013 eingefroren werden - darunter das Familiengeld. Das Arbeitslosengeld soll gekürzt, der Druck auf Arbeitslose, jeden Job anzunehmen, massiv erhöht werden.

Umgekehrt sollen Einkünfte jenseits der 150.000-Euro-Marke mit 45 Prozent besteuert werden, auf Börsengewinne wird eine Abfuhr von 20 Prozent fällig. Zudem verhökert die Regierung ihr Tafelsilber, um Geld in die Kassen zu spülen.

"Alles muss raus"

Ob Beteiligungen an der Erdölfirma Galp, dem Energiekonzern REN und der Fluggesellschaft TAP, der BPN-Bank, der Softwarefirma Edisoft, der Technologiefirma EID oder der Verteidigungsindustrie-Holding Emordef - alles muss raus.

Auch Anteile an Großunternehmen in den früheren Kolonien sollen verkauft werden. Der Bau einer Hochgeschwindigkeitszugverbindung zwischen Lissabon und Porto, den beiden wichtigsten Städte des Landes, soll um mindestens zwei Jahre hinausgezögert werden.

© SZ vom 26.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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