Technische Tricks:Drucker-Hersteller zocken Kunden ab

Druckerpatronen

Die Tinte ist das eigentliche lukrative Geschäft der Drucker-Hersteller.

(Foto: Manuela Fiebig - Fotolia)

Abgesehen von edlem Whiskey oder Champagner gibt es kaum eine teurere Flüssigkeit: Druckertinte. Doch in Zeiten von Smartphones und Tablets schrumpft der Drucker-Markt und damit auch die Nachfrage nach Tinte - dem lukrativsten Geschäft der Hersteller. Die wissen sich offenbar nur noch mit Tricks zu helfen.

Von Oliver Hollenstein

Zwischen einem Wettcafé und einem Imbiss, einige Hundert Meter vom Bahnhof entfernt, hat Hasan Özer eine der teuersten Flüssigkeiten der Welt verkauft. Fünf Jahre lang. Nun stehen in seinem Laden nur noch ein Stuhl und ein paar Kartons. "Wir machen zu", sagt der 32-jährige. Warum? "Es lohnt sich nicht mehr."

Für 0,90 bis 1,50 Euro pro Milliliter, also für bis zu 1500 Euro pro Liter, hat Özer Druckertinte angeboten. Viele Jahre haben die Druckerkonzerne mit Tinte das große Geschäft gemacht. Wer nicht gerade Fan von edelstem Whiskey oder teuerstem Champagner ist, dürfte in seinem Leben niemals mehr für eine Flüssigkeit bezahlen.

Doch mit der zunehmenden Verbreitung von Smartphones und Tabloid-Computern wird weniger gedruckt. Der weltgrößte Druckerhersteller Hewlett Packard (HP) hat im vergangenen Jahr 15 Prozent weniger Drucker verkauft. Die Marktforscher von IDC schätzen, dass der Markt insgesamt um zehn Prozent geschrumpft ist - und dass in Zukunft noch weniger Drucker verkauft werden. Für die Konzerne ist das ein doppeltes Problem: Wenn sie heute weniger Geräte loswerden, verdienen sie morgen weniger mit Tinte, dem eigentlich lukrativen Geschäft. Was werden sie tun? Hasan Özer sagt: "Wenn es läuft wie bisher, werden sie sich ein paar technische Tricks einfallen lassen, um den Einsatz von günstiger Tinte unattraktiver zu machen."

Drucker sind viel billiger geworden

Die günstigsten Drucker gibt es heute für 60 Euro. "Die Preise sind in den vergangenen Jahren sehr stark gefallen", sagt Dirk Lorenz, der bei der Stiftung Warentest für Drucker zuständig ist. Selbst bei den günstigen Geräten sei die Qualität inzwischen so gut, dass sie kaum zu verbessern sei. "Ein 60-Euro-Drucker kann heute das, wofür sie vor 20 Jahren ein komplettes Fotolabor gebraucht haben." Gleichzeitig koste ein Drucker heute nicht mal ein Fünftel des Preises von vor zehn Jahren.

Trotz des Preisverfalls ist das Geschäft für HP, Canon, Brother, Samsung und Co. eine Goldgrube. HP hat im vergangenen Jahr mit Druckern und Zubehör 3,6 Milliarden Dollar verdient. Die Idee ist: Drucker günstig unter die Leute bringen, dann an der Tinte verdienen. Oder wie Lexmark im Geschäftsbericht 2012 schreibt: "Zubehör ist immer der wichtigste Profitbringer unseres Geschäftsmodells gewesen."

Um das Prinzip zu verstehen, hilft ein Besuch im Elektronikmarkt. 106 verschiedene Patronenarten alleine für HP listet der Computer auf, der den Kunden bei der Auswahl der passenden Kartusche helfen soll. Von 12,99 Euro bis mehr als 40 Euro. Für den günstigen 60-Euro-Drucker kostet die Kombination aus Farb- und Schwarzpatrone 26 Euro. 190 Seiten schwarz plus 165 Seiten bunt kann man damit angeblich drucken. Die Schwarzpatrone allein kostet 17 Euro. Für eine Textseite wären das neun Cent, fast doppelt so viel wie der Durchschnitt bei Stiftung Warentest.

Billigtinte aus China

Fast mit jedem Druckermodell bringen die Konzerne neue Patronen auf den Markt. Die seien technisch verbessert, heißt es dann. Allerdings dürfte auch das Kalkül dahinterstehen, den Konkurrenten das Leben schwerer zu machen, die am lukrativen Tintengeschäft mitverdienen wollen. Im vergangenen Jahrzehnt öffnete in fast jeder Kleinstadt ein Tinten-Refiller, der günstig Patronen auffüllt. Tintenproduzenten wie Pelikan begannen, die Original-Patronen nachzubauen oder gebrauchte Behälter wieder zu befüllen. Und seit neuestem kämpfen auch Anbieter von Billigtinte aus China um Marktanteile.

Hasan Özer, der Tintenverkäufer aus dem Bahnhofsviertel, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, hat den Wettlauf jahrelang mitgemacht, die Margen fallen sehen. "Inzwischen kann man mit dem Geschäft in größeren Städten kaum noch die Miete zahlen", sagt er. Jetzt sinkt auch noch die Nachfrage: 31 Milliarden Dollar wurden nach Schätzungen der Marktforscher von Lyra 2008 weltweit mit Druckertinte umgesetzt, 29 Milliarden Dollar waren es 2012.

Für die Druckerhersteller also höchste Zeit, sich strategisch neu zu positionieren. In den vergangenen Jahren haben die Konzerne einiges versucht, um den Nachfüllern und Nachbauern die Sache schwer zu machen. Die Innenkammern vieler Patronen sehen aus wie ein Labyrinth. Für Kunden und Nachfüller wie Hasan Özer drängt sich da ein Verdacht auf: Die Zwischenwände sollen das Nachfüllen schwieriger machen. Die Konzerne dagegen winken ab: Die Konstruktion mit verschiedenen Kammern sei technisch notwendig, damit "trotz einer schnellen Bewegung der Tintenpatronen auf dem Druckerschlitten ein stabiler Zufluss der Tinte zum Druckkopf" gewährleistet ist, heißt es etwa von Canon.

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