Streit um Domainvergabe:Amazon erobert ein neues Schlachtfeld

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Buchhändler Amazon: Protest von Autoren und Verlegern (Foto: REUTERS)

Der Internet-Buchhändler Amazon will sich das Monopol auf Internetadressen sichern, die auf .book, .author und .read enden. Konkurrenten sollen bei der Vergabe der begehrten Kürzel leer ausgehen. Autoren und Verleger protestieren.

Von Moritz Koch, New York

Für Verleger und Autoren ist Amazon zu einer unheimlichen Macht geworden. Hinter der Fassade des Versandhauses haben sie einen Netzmonopolisten ausgemacht, dessen Expansionsdrang keine Grenzen kennt. Gerade in Amerika tobt der Kampf ums Buchgeschäft, besonders verbissen stellt sich Alt gegen Neu, Analog gegen Digital, obwohl sich die Fronten nicht immer so klar erkennen lassen; die Formationen der Kontrahenten lösen sich im Getümmel dieser jahrelangen Schlacht auf. Es geht um Markbeherrschung und Wettbewerbsverzerrung, um Aufbruch und Tradition, so viel ist sicher. Und es gibt eine Regel: am Ende gewinnt meistens Amazon.

Selbstbewusst ist das Unternehmen aus Seattle geworden, so siegessicher, dass es jetzt einen Präventivschlag probt. Es will ein Schlachtfeld erobern, das noch gar nicht existiert: Internetadressen, die auf .book, .read und .author enden und bald das bisherige Angebot von Länderkürzeln wie .com und .de ergänzen könnten, sollen künftig unter die Alleinherrschaft von Amazon gestellt werden. So jedenfalls lautet der Plan der Konzernstrategen.

Icann will Entfaltungsmöglichkeiten vergrößern

Hintergrund ist ein ambitioniertes Reformvorhaben der globalen Netzverwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers, kurz Icann. Sie will mit zusätzlichen Domains, also den Adresszusätzen im Internet, die Entfaltungsmöglichkeiten in der virtuellen Welt vergrößern, die durch das bestehende System mehr und mehr eingeschnürt wurden. Künftig soll es kaum noch Grenzen geben, regionale Adress-Endungen sollen möglich sein, .berlin oder .hamburg beispielsweise, Firmennamen und Sachbezeichnungen oder Aktivitäten wie .shop und .buy.

Doch die amerikanischen Autoren und Verleger glauben nicht an neue Freiheiten, sie rechnen mit dem Schlimmsten: noch mehr Macht für Amazon. Vergangene Woche wandte sich Scott Turow, Chef der Authors Guild, der Vereinigung der US-Schriftsteller, mit einem Brief an Icann - in der Hoffnung, Amazons Pläne noch durchkreuzen zu können.

Die Übertragung der Adresskürzel .read, .book und .author an ein privates Unternehmen sei "offen wettbewerbsschädlich" und "nicht im öffentlichen Interesse". Das Missbrauchspotential sei grenzenlos. Die Buchhandlungs-Kette Barnes & Noble sekundierte: Amazon könnte die Kontrolle der Internetadressen nutzen, "um den Wettbewerb im Buchhandel und im Verlagswesen abzuwürgen". Es gehe um nichts weniger als die Zukunft des Urheberrechts in den USA.

Amazon zeigt sich gelassen

Bei Amazon zeigt man sich, wie gewohnt, gelassen. Auch Stacey King, Chefjustitiarin des Unternehmens, hat ein Schreiben an Icann verfasst. Darin argumentiert sie: "Es gibt keinen Beweis dafür, dass geschlossene Domains zu irgendeiner Form von Marktmacht führen." Für Amazon gehe es einzig und allein darum, "neue und innovative Wege, Mechanismen und Plattformen zu finden, um unsere Kunden zu erfreuen". Noch hat Icann über die Vergabe der neuen Domains nicht entschieden. Mit Bekanntgabe einiger vorläufiger Ergebnisse wird in den nächsten Wochen gerechnet.

Selbst wenn die Netzverwaltung die Wünsche des Versandhändlers nicht erfüllt - Amazon wird es verkraften können. Erst im vorigen Jahr hatte der machthungrige Konzern einen großen Triumph feiern können, auch weil er unerwartet Hilfe aus Washington erhielt. Das Justizministerium war gegen Wettbewerbsverzerrungen beim Geschäft mit digitalen Büchern vorgegangen, hatte sich aber nicht den Marktbeherrscher Amazon vorgeknöpft, sondern die Verleger, die sich mit dem iPad-Hersteller Apple zusammengeschlossen hatten, um ein Modell der Buchpreisbindung durchzusetzen. Die Wettbewerbshüter sahen darin illegale Preisabsprachen. Amazon konnte somit wieder zu der alten Masche übergehen, E-Books billiger zu verkaufen als Printversionen und so das klassische Buchgeschäft auszuhöhlen. Inzwischen wird jedes fünfte Buch in den USA in digitaler Form verkauft - und damit auf einem Markt, den Amazon beherrscht.

© SZ vom 12.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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