Vor einigen Jahren ist Verfassungsbeschwerde gegen landesgesetzliche Regelungen erhoben worden, die das automatische Ablesen von Kraftfahrzeug-Kennzeichen und ihre Auswertung zu Zwecken der polizeilichen Fahndung erlaubten. Das Bundesverfassungsgericht ist darauf erstaunlicherweise eingegangen. Sein Urteil aus dem Jahr 2008 beruht im Kern auf der Behauptung, die angewandte Methode werde "Einschüchterungseffekte" verursachen. Die Richter befürchteten, die "Unbefangenheit des Verhaltens" werde gefährdet, "wenn die Streubreite von Ermittlungsmaßnahmen dazu beiträgt, dass Risiken des Missbrauchs und ein Gefühl des Überwachtwerdens entstehen".
Das ist die Art pauschaler Argumentation, die den verbreiteten Verschwörungstheorien entspricht, vorgetragen ausgerechnet vom höchsten Verfassungsgericht. Dabei wird aber übersehen, dass es zahlreiche rechtliche und praktische Hindernisse gibt, die den Missbrauch der gesammelten Daten verhindern - nicht zuletzt die Kontrolle durch die Datenschutzbeauftragten. Und es wird schlicht unterlassen zu fragen, wer denn ein Interesse daran haben könnte, ein umfassendes Überwachungssystem gegen jedermann einzurichten. Es stimmt: Sicherheitsbehörden neigen manchmal zu Übereifer. Aber es ist Unfug, die deutschen Polizeibehörden wie einen potenziellen Unterdrückungsapparat nach Art der Gestapo oder der Stasi anzusehen.
Wer untersuchen will, ob eine Methode der Datensammlung oder Datenverarbeitung verfassungskonform ist, muss zunächst fragen, ob der damit verfolgte Zweck legal und legitim ist und die eingesetzten Mittel keine verbotenen Nebenwirkungen haben. Es gibt Zwecke, die gewichtiger sind als andere; gewichtige Zwecke gehen den weniger wichtigen vor. Gefordert ist also die Bewertung des Informationsvorgangs und die Abwägung seines erwartbaren Nutzens mit den möglichen Nachteilen. Dann erst kann entschieden werden, ob und unter welchen Modalitäten dazu personenbezogene Daten gesammelt werden dürfen.
Der vermeintlich perfekte Datenschutz
Der Gesetzgeber hat bei dieser Abwägung übrigens bisher meist dem Interesse des Fiskus an der Erhebung von Steuern und Gebühren einen besonders hohen Rang eingeräumt. Um ehrliche Angaben zu erhalten, schützen unsere Finanzämter die Betroffenen vor fremder Neugierde. Das Steuergeheimnis wird höher gehalten als viele andere berechtigte Interessen. Ebenso ist man bei den Mautdaten vorgegangen. Sie dürfen überhaupt nur für die Zwecke der Mauterhebung genutzt werden. Staatsanwaltschaften und Polizei haben keinen Zugriff darauf.
Dass solche Daten nicht einmal dazu genutzt werden dürfen, schwerste Straftaten zu verhindern oder aufzuklären, zeigt deutlich, welche Schlagseite ein vermeintlich perfekter Datenschutz verursacht. Die fiskalisch bedeutsamen Daten gegen jegliche Ermittlungsarbeit der Polizei abzuschotten, war ein schwerer Fehler des Gesetzgebers. Angemessener wäre es, den Schutz der Mautdaten nach demselben Prinzip zu modifizieren, nach dem das Steuergeheimnis an neue Notwendigkeiten angepasst wurde. In der Abgabenordnung ist die Offenbarung von Steuerdaten jetzt unter anderem dann ausdrücklich zugelassen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten, der Schwarzarbeit und der Geldwäsche geht.
Die Steuerdaten sind sehr viel aussagekräftiger als die Mautdaten. Ein allgemeines Überwachungssystem wird weder aus dem einen noch aus dem anderen Datenverarbeitungssystem entstehen.