Online-Scheidungen:Trennung mit der Maus

Lesezeit: 2 min

Den Partner im Internet finden und ihn dort wieder loswerden: Immer mehr Scheidungswillige bereiten ihre Trennung online vor, um Geld zu sparen.

Ann-Kathrin Eckardt

Der Renner unter den subtilen Weihnachtspräsenten kam in diesem Jahr aus Großbritannien. Die Londoner Anwaltskanzlei Lloyd Platt & Company bot Gutscheine für eine Scheidungsberatung zum Verkauf. 30 Minuten ab 140 Euro. Abnehmer, so verriet die Kanzlei, seien Ehemänner und -frauen, aber auch Geliebte gewesen.

Immer mehr Deutsche nutzen Internet-Anwälte, um ihre Scheidung vorzubereiten (Foto: Foto: iStock)

Die Freude der Beschenkten darf in diesem Fall zwar bezweifelt werden, doch der Scheidungs-Gutschein verdeutlicht zweierlei. Erstens: Scheidungen sind teuer. Zweitens: Scheidungen haben manchmal etwas mit Weihnachten zu tun. Auf der Skala der Trennungsauslöser steht das Fest der Liebe weit oben. Bei jeder fünften Scheidung in Deutschland, so schätzen Experten, ist es der Tropfen auf den heißen Stein. "Einige Menschen sehen das Weihnachtsfest als 'Wunder' oder letzten Rettungsversuch für die verkorkste Ehe", sagt Xaver Büschel, Paartherapeut aus Bonn.

Das bekommen Theodor Schmidt und seine Kollegen dann - zehn Trennungsmonate später - im Herbst zu spüren. Anders als in den USA, wo die Akademie der Scheidungsanwaltschaft seit Ende 2008 "einen gravierenden Rückgang" von Scheidungen beklagt, hat die Wirtschaftskrise hierzulande bislang nichts dergleichen bewirkt.

Im Gegenteil: Sie beschert Schmidt, Fachanwalt für Familienrecht, sogar noch mehr Kunden. Der 46-jährige Bochumer war vor sechs Jahren einer der Pioniere der Online-Scheidung in Deutschland. Wieso den Partner fürs Leben nur im Internet suchen? Wieso ihn nicht dort auch wieder loswerden?

Die meisten Anfragen sonntagabends

Am Anfang wurde Schmidt von der Konkurrenz belächelt, doch seine Kundschaft wächst beständig. Allein in diesem Jahr hat er 600 Online-Scheidungen bearbeitet. 65 Prozent der Aufträge kommen von Frauen, etwa fünf Prozent aus dem Ausland.

Täglich erreichen Schmidt ein Dutzend neue Anfragen - meist sonntagabends. Der gesamte Schriftverkehr wird per E-Mail erledigt. "Wenn sich die Eheleute im Guten getrennt haben und es keine Streitpunkte gibt, dann macht eine Online-Scheidung Sinn", sagt Schmidt. Und das sei immerhin bei der Hälfte der jährlich etwa 200.000 Scheidungen der Fall.

Anja Kern (Name geändert), 42, Krankenschwester, sagt, dass sie anfangs Bedenken hatte, als ihr Ex-Mann ihr die Online-Scheidung vorschlug. Den gemeinsamen Anwalt sah sie zum ersten Mal am Tag ihrer Scheidung - vor Gericht. Denn auch wer sich im Netz scheiden lässt, muss in Deutschland noch vor den Richter treten. "Trotzdem", sagt Kern, "hat mir das Ganze viel Zeit und Nerven erspart." Kein Anwaltstermin, kein Wartezimmer, keine Parkplatzsuche, kein Ausbreiten von Privatgeschichten.

Normale Rechtsanwälte betrachten ihre Web-Konkurrenz jedoch mit Skepsis: "Das Scheitern eines Lebensplans wickelt man doch nicht einfach online ab", sagt Ingeborg Rakete-Dombek, Expertin für Familienrecht beim Deutschen Anwaltverein. Es gebe viel zu viele Dinge, die bei einer solchen Scheidung untergehen könnten. "Außerdem sind die Anwaltskosten ja per Gesetz geregelt."

Kaum Spielraum bei den Preisen

Eine Scheidung kostet in Deutschland im Schnitt zwischen 1500 und 5000 Euro pro Person. Die Summe setzt sich aus Anwalts- und Gerichtskosten zusammen. Die Höhe des Anwaltshonorars richtet sich dabei nach dem Streitwert, also dem Dreifachen des gemeinsamen monatlichen Nettoeinkommens des Paares.

Viel Spielraum bleibt für die Online-Scheidung deshalb nicht - das muss auch Theodor Schmidt zugeben. "Wegen des geringeren Arbeitsaufwands kann ich bei Gericht allerdings einen geringeren Streitwert beantragen." Die meisten Richter kämen seinen Anträgen nach. Auch Anja Kern und ihr Ex-Mann hatten Glück: Der Streitwert ihrer Scheidung wurde um 25 Prozent reduziert - und somit das Anwaltshonorar.

Billiger wäre es ihnen höchstens gekommen, überhaupt nicht geheiratet zu haben. Oder zusammengeblieben zu sein.

© SZ vom 29.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: