Leute-Suchmaschine:Entblößtes Ego

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Wer Spock.com anwählt, könnte bald alles über sich finden - auch das, was geheim bleiben sollte.

Tanja Rest und Jürgen Schmieder

Die Nachricht war erst ein paar Stunden in der Welt, da wandte sich der Blogger Zwonull bereits alarmiert an die große Internet-Gemeinde draußen an den Bildschirmen: "Bin ich der Einzige, der Spock.com sehr bedenkenswert findet?" Wenigstens in einer Hinsicht kann Zwonull unbesorgt sein - die Chatforen und etwas später auch diverse Printmedien waren ganz auf seiner Seite. "Suchmaschine schnüffelt Menschen aus", "Spock macht Jagd auf Menschen" oder auch "Spock.com - ein Datenerfassungsmonster wird legal", so lauteten die Schlagzeilen.

Anfang vergangener Woche hat das kalifornische Start-up-Unternehmen Spock.com in einer vorläufigen Beta-Version den Dienst aufgenommen. Der Name ist nicht etwa eine Anspielung auf den spitzohrigen Vulkanier von der Enterprise, sondern ein Akronym: "Single Point of Contact and Knowledge". Kontakt herstellen zu anderen Menschen, Wissen sammeln über sie - das ist das Ziel der ersten expliziten Leute-Suchmaschine im Netz.

Vorgefilterte und gebündelte Personen-Infos

Zunächst klingt das nicht sehr innovativ. Wer hat nicht schon einmal bei Google seinen Namen eingegeben und dabei vieles gefunden, mitunter mehr, als ihm lieb ist? Während Google zu einer beliebigen Person jedoch lange Adresslisten von Internetseiten ausspuckt, aus denen man sich die relevanten Informationen selbst zusammensuchen muss, versprechen die Spock-Gründer "Ergebnisse rund um Menschen" - vorgefiltert und gebündelt auf einer einzigen Seite.

Noch eine weitere Schwäche soll ausgeräumt werden: Wer bei Google zum Beispiel nach dem alten Schulfreund Helmut Schmidt aus München sucht, muss sich erst durch Tausende Webseiten über den Ex-Bundeskanzler wühlen.

Spock.com will dagegen jeden Einzelnen mit Hilfe von Schlagwörtern so genau indizieren, dass Verwechslungen ausgeschlossen sind - und geht noch einen Schritt weiter: "Wenn in einem Dokument über eine Person namens Charlie steht, dass John gerne Golf spielt, dann identifiziert unsere Suchmaschine das als Information über John und weist sie dieser Person zu. Das kann Google nicht", so Mitbegründer Jaideep Singh gegenüber der SZ. 100 Millionen Menschen haben nach Firmenangaben bereits ihr eigenes passgenaues Spock-Profil. Eines Tages - so zumindest die Vision - sollen es Milliarden sein.

Um das Individuum im weltweiten Datenwust aufzuspüren, durchforstet die Leute-Suchmaschine vor allem sogenannte soziale Internetzwerke wie MySpace, Facebook oder Xing (früher openBC). Den Grundstock der Profile bilden also Informationen, die der Einzelne selbst über sich ins Netz gestellt hat.

Die amerikanische Datenschützerin Beth Givens hat in diesem Zusammenhang davor gewarnt, die eigene Online-Identität auf die leichte Schulter zu nehmen: "Ich glaube, die jungen Leute sind sich nicht wirklich darüber im Klaren, dass sich der zukünftige Chef ihre MySpace-Seite anschaut."

Bei Spock.com kommt allerdings hinzu, dass auch Artikel und Weblogs über Personen hinzugezogen werden: Wenn zum Beispiel irgendjemand im Netz behauptet, Herr Meier sei ein Trinker und bezahle seine Miete nicht, dann kann auch das in Meiers Spock-Steckbrief auftauchen. Ein Filter solle dafür sorgen, dass keine üble Nachrede veröffentlicht wird, versprechen die Betreiber. Autoren falscher Profile sollen außerdem - ähnlich wie bei der Online-Enzyklopädie Wikipedia - per User-Voting gebrandmarkt werden. Dass dennoch Falschinformationen wochenlang im Netz stehen, wenn man den eigenen Spock-Steckbrief nicht im Auge hat, ist also nicht ganz auszuschließen.

"Jeder muss sich klar machen, wie viel über ihn im Netz steht"

Den bereits laut werdenden Bedenken von Datenschützern begegnet Jaideep Singh gelassen: "Jeder muss sich klar machen, wie viel über ihn bereits im Internet steht. Wir bündeln diese Informationen nur." Wer Einwände habe, könne das Löschen seines Profils beantragen.

Acht Millionen US-Dollar haben die Risikokapitalgeber Clearstone Venture Partners und Opus Capital Ventures zur Anschubfinanzierung in das Projekt gesteckt. In Zukunft soll es sich durch Werbung rechnen, was prinzipiell kein Problem sein dürfte: Der Markt für Leute-Fahndung im Netz ist gewaltig. Schätzungen zufolge werden via Suchmaschine jeden Monat 20 Milliarden Anfragen getätigt, die sich ausschließlich mit Personen beschäftigen.

Personenbezogene Suchwörter machen heute insgesamt bereits 30 Prozent aller Anfragen aus - der größte Batzen überhaupt. Dem US-Magazin Newsweek zufolge versucht Spock.com, sich einige der voraussichtlich mehr als 60 Milliarden Dollar unter den Nagel zu reißen, "die für die Entwicklung der Online-Suche in den kommenden vier Jahren ausgegeben werden".

Sehr entgegen kommt Spock.com dabei die eitle Wichtigkeit der YouTube-Generation, die sich in einer immer weiter anschwellenden Flut von Blogs, Podcasts und Videofilmchen unermüdlich selbst bespiegelt. Persönliches preiszugeben, gehört zu den Spielregeln im Netz; die Hoffnung, die sich dahinter verbirgt: dass man damit nicht alleine bleibt.

Suchmaschine für Personalchefs

Networking-Plattformen wie Xing, wo mehr als 1,5 Millionen Nutzer erfasst sind, dienen längst nicht mehr der reinen Selbstdarstellung oder dem Freizeit-Chat mit anderen Mitgliedern, sondern der Vernetzung von Geschäftskontakten, die die eigene Karriere befördern sollen. Dies sei der eigentliche Antrieb gewesen, Spock zu gründen, sagt Singh: "Ich hatte 20 Bewerber auf eine Stelle in meiner Firma und habe versucht, etwas über sie herauszufinden. Da kam mir die Idee, eine Personen-Suchmaschine zu starten."

Wer im Moment die Testseite aufruft, wird allerdings zunächst einmal ernüchtert sein. In den "People"-Charts findet sich die übliche Prominenz aus Sport, Show und Politik - und sehr ausführlich, geschweige denn neu, sind die Inhalte nicht. Der frühere Siemens-Chef Klaus Kleinfeld etwa ist mit zwei Fotos vertreten und in 24 Kategorien verschlagwortet, darunter "Deutscher", "aus Bremen", "Schmiergeldskandal" und "Universität Würzburg". Die Quellen, aus denen diese Informationen stammen, werden angegeben: Es sind gerade mal fünf Webseiten. Wer sich den Umweg über Spock.com spart und direkt zu Wikipedia geht, wird besser bedient.

Im Moment suchen die Neu-Unternehmer im Silicon Valley allerdings selbst nach Leuten - um freie Stellen zu besetzen. Dabei geizt Spock.com nicht mit Lockmitteln: Jeder Mitarbeiter soll einen Flachbildschirm bekommen, einen nagelneuen Mac - und "Tonnen von Snacks".

© SZ vom 14.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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