Google-Spiel Ingress:Eine Runde Weltherrschaft

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Realität plus X: Bei Ingress wird die reale Welt von einer virtuellen Ebene überlagert. Die kriegt man aber nur zu sehen, wenn man auch rausgeht. (Foto: PR)

Wenn Erleuchtete auf Widerständler treffen: Googles ortsbasiertes Handy-Spiel Ingress verbindet die virtuelle mit der realen Welt - und unterscheidet sich damit maßgeblich von anderen Computerspielen.

Von Mirjam Hauck

Die Weltherrschaft, na klar. Zwei Teams, die sich bekämpfen. Soso. Und das soll eine neuartige Spielidee sein? Ist es sehr wohl. Denn Googles Handy-Spiel Ingress funktioniert nicht von der heimischen Couch aus. Die Spieler müssen die eigene Wohnung verlassen und mit dem Smartphone in der Hand sogenannte Portale ablaufen. Und am besten funktioniert das ganze, wenn man sich mit anderen zusammentut - mit echten Menschen.

Ingress (das heißt Eingang) ist eine Kombination aus virtueller Schnitzeljagd und dem Brettspiel "Risiko". Die Oberfläche des Online-Kartendienstes Google Maps verbindet sich mit der realen Welt, es gilt, gegnerische Gebiete zu erobern. Eine Technik namens Augmented Reality schafft diese Verbindung. Die ganze Welt wird zum Spielfeld, über das am Smartphone Zusatzinformationen gelegt werden.

Vor Spielbeginn müssen sich die Nutzer erst einmal entscheiden, zu welcher der beiden Gruppen im Spiel sie gehören möchten: zu den Erleuchteten (Enlightened, grün) oder dem Widerstand (Resistance, blau). Die Eroberung kann beginnen, indem die Spieler markante Punkte wie Denkmäler, Museen oder andere auffällige Orte ("Portale") scannen und diese miteinander verbinden ("verlinken"), gegnerische Portale erobern ("hacken") oder verteidigen. Dazu gibt es eine Rahmenhandlung, bei der es neuartige Energieformen zu entdecken gilt.

Internes Start-up

Noch erfolgreicher wird der Spieler, wenn er sich mit anderen verabredet. Gemeinsam verteidigen oder erobern sie nun die Felder. "Ingress ist ein Spiel, das auf Konkurrenz ausgelegt ist, aber auf eine sehr freundliche Art", sagt dazu der Erfinder des Spiels, John Hanke. Er kam 2004 zu Google und gründete dort Niantic Labs, ein internes Start-up. Seine Aufgabe ist es, Kartendienste und Gaming auf mobilen Anwendungen zusammenzubringen. Ein Ergebnis ist Ingress, das 2012 veröffentlicht wurde. "Die Idee hinter Ingress ist es, die Welt in ein Game zu packen, das alle Menschen auf der Welt zusammen spielen können", erklärt Hanke. Und auch eine private Motivation gab es, das Spiel zu erfinden: Seinen Sohn. Der liebe Videospiele, aber, findet der Vater, er soll lieber nicht den ganzen Tag am Computer sitzen.

Um teilzunehmen braucht man nur ein Android-Smartphone. Mittlerweile spielen Menschen in 200 Ländern Ingress, vier Millionen mal wurde die App heruntergeladen, die Nutzer haben drei Millionen Portale fotografiert, sie benannt und bei Ingress hochgeladen. Um diese können sich die Spieler nun balgen und liefern dem Konzern damit gleich unzählige Daten kostenlos mit.

So kennt Google mittlerweile wohl mehr Sehenswürdigkeiten als jeder Reiseführerverlag. Zudem übermitteln die Spieler noch ihre Bewegungsdaten dank GPS, das beim Spiel immer eingeschaltet werden muss. Die wertvollen Daten seien aber nichts, worauf sich der Konzern bei dem Spiel konzentriere. Man sammle sie nur, um den Nutzer ein ungetrübtes Spielvergnügen zu bieten. Gaming sei einfach ein wichtiger Punkt für Mobilgerät. "80 Prozent aller Nutzer wollen auf ihrem Handy spielen", erklärt John Hanke.

Mit Ingress hat Google ein Feature, das Nutzer bindet. Googles Mobilbetriebssystem Android hat weltweit einen Marktanteil von rund 75 Prozent. "Vielleicht ist Ingress sogar die Killer-Applikation", sagt John Hanke. Das Science-Fiction-Spiel helfe den Leuten dabei, mit der realen Welt zu interagieren. Zu oft isoliere Technologie den Nutzer: "Sie zieht den Menschen in den Bildschirm und damit weg von anderen Menschen." Bei Ingress sei das anders. Das Spiel bringe Menschen zusammen. Tatsächlich gibt es viele regionale Communities, in denen sich wildfremde Menschen treffen und sich über das Spiel austauschen. "Das ist die Zukunft des mobilen Computings", ist sich Hanke sicher.

Und weil der Konzern möglichst alle potenziellen Nutzer gewinnen will, dürfen jetzt auch Apple-Käufer Portale hacken. Seit kurzem gibt es das Spiel auch als iOS-App. Zudem soll es für Ingress noch mehr Einsatzmöglichkeiten geben. Spielen mittels Datenbrille Google Glass oder einer Smartwatch sind für Hanke Szenarien aus einer nicht allzu fernen Zukunft.

Bezahlte Orte

Die Ingress-App ist kostenlos. Das heißt aber nicht, dass Google mit dem Spiel kein Geld verdient. So gibt es in Deutschland eine Kooperation mit Vodafone, die Läden des Telekommunikationsanbieters sind als Portale aktiviert. In den USA kooperiert Google unter anderem mit dem Autoverleiher Zip Car. Diese bezahlten Orte lassen sich für weitere ortsbezogene Werbung ausbauen. Über spezielle Aktionen und Gutscheine können die Unternehmen die Spieler ansprechen und ihnen Angebote machen. Weitere Werbe-Möglichkeiten will John Hanke nicht ausschließen. Google hält sich hier alle Optionen offen.

Die Filialen anderer Handelsketten können dagegen nicht als Portal markiert werden. Diese Art der Werbung über gesponserte Orte habe, so argumentiert Hanke, für die Nutzer einen großen Vorteil. Denn anders als bei vielen sogenannten Free-to-Play-Spielen, bei denen man um das nächste Level zu erreichen, irgendwelche Dinge kaufen müsse, sei Ingress quasi barrierefrei. Darüber müsse sich der Nutzer doch freuen.

© SZ vom 16.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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