Computerkonzern Hewlett-Packard:Gefangen in der Vergangenheit

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Fußgänger laufen in Palo Alto, Kalifornien, an der Zentrale von Hewlett-Packard vorbei. (Foto: AFP)

Tausende Kündigungen und gefloppte Innovationen: Hewlett-Packard rutscht seit der Jahrtausendwende immer tiefer in die Krise. Vorstandschefin Whitman muss das Unternehmen radikal neu ausrichten und geht dafür große Risiken ein. Die Anleger vertrauen ihr - noch.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Im Innenhof des gläsernen Kundencenters von Hewlett-Packard in Palo Alto steht eine Eiche. William Hewlett und David Packard pflanzten sie in den Sechzigerjahren, die Gebäude wurden später um den Baum herum gruppiert. Er symbolisiere die Tradition des Unternehmens, sagt die Firma. Die Eiche passe zur Unbeweglichkeit von HP, meinen dagegen Spötter. HP-Chefin Meg Whitman ist nicht als Naturliebhaberin bekannt und auch nicht als Traditionalistin. Zu ihren Lieblingsvokabeln gehören "effektiv und effizient". Für die Belegschaft bedeutete das bislang nichts Gutes: Vor wenigen Tagen kündigte der Computerkonzern die nächste Entlassungswelle an, bis zu 50 000 Mitarbeiter könnten unter Whitman Ende 2015 ihren Job verloren haben.

Seitdem die ehemalige Ebay-Chefin im Jahre 2011 das Unternehmen nach der chaotischen Zeit unter Léo Apotheker übernommen hat, hat sie daran gearbeitet, den Gründungskonzern des Silicon Valley endlich ins 21. Jahrhundert zu verpflanzen. "Diese Firma hat viel durchgemacht", erinnert die 57-Jährige immer wieder an die ständigen Strategiewechsel des Konzerns, der Ende vergangenen Jahres noch 317 500 Mitarbeiter hatte. Doch der Beweis, dass sie selbst den richtigen Weg eingeschlagen hat, steht noch aus.

Whitman spricht von einer "neuen Weltordnung", in der sich das Unternehmen zurechtfinden müsse. Von einem Produktspektrum aus Cloud-Computing, moderner Server-Technik und Komplettlösungen für Geschäftskunden. Doch in diesen Bereichen wächst der Konzern nur langsam, immer noch machen PC- und Druckergeschäft, die Produkte aus der "alten Weltordnung" also, etwa die Hälfte des Umsatzes aus. Im zweiten Quartal konnte die Firma immerhin dort wachsen, weil viele Unternehmen im Zuge der Markteinführung von Windows 8 ihre Computer erneuerten.

Das Ende des PC-Zeitalters ist jedoch absehbar. Doch die Vergangenheit hält HP gefangen, inklusive der Fehlentscheidungen: Die frühere Konzernchefin Carly Fiorina kaufte 2001 Compaq und legte den Konzern damit auf die PC-Sparte mit ihren schmalen Gewinnmargen fest. Ihr Nachfolger Mark Hurd trieb ab 2005 das Unternehmen zu Umsatzrekorden, strich aber die Entwicklungsabteilung so sehr zusammen, dass HP auf den Smartphone- und Tablet-Boom keine Antwort wusste. Und Ex-SAP-Mann Léo Apotheker schließlich setzte in seinem kurzen Gastspiel auf Software und verbrannte mit dem Kauf des britischen Unternehmens Autonomy Milliarden.

"Heiß" auf neue Technik

Whitman hat sich bis 2016 Zeit gegeben, aus dem Chaos ein Zukunftsunternehmen zu formen. In den Sparten Cloud Computing und IT-Dienstleistungen liegen jedoch Rivalen wie Rackspace, Salesforce, Amazon und Google weit vorne, und mit IBM mischt ein weiterer alternder Computerkonzern mit. Ständig sinkende Preise für Online-Speicherplatz lassen ohnehin Zweifel daran aufkommen, wie lukrativ der Markt sein wird.

Das schwächelnde Server-Geschäft möchte HP durch ein Bündnis mit dem taiwanischen Hersteller Foxconn stützen, sieht sich aber günstigen Produzenten aus Asien gegenüber. Die jüngst von HP vorgestellten Android-"Phablets", also Hybriden irgendwo zwischen Smartphones und Tablets, erzeugen wenig Euphorie. Sie zielen auf Geschäftskunden in Schwellenländer-Märkten, wo an günstigen Android-Geräten sowieso kein Mangel herrscht.

Im Sommer könnte HP die ersten 3-D-Drucker präsentieren. Das Unternehmen ist Whitman zufolge "heiß" auf diese neue Technik, die langsam in der Industrie Fuß fasst. Bis 2020 soll sich der Markt auf ein Volumen von umgerechnet 6,2 Milliarden Euro vervierfachen. Seine Zulieferkette könnte dem Computerkonzern helfen, den Konkurrenten mit Niedrigpreisen zuzusetzen.

Ungeduld bei Aktionären wächst

Noch glauben die Aktionäre an die Strategie des HP-Vorstands, das Unternehmen erwirtschaftet ordentliche Gewinne, der Kurs hat in den vergangenen zwölf Monaten um 30 Prozent zugelegt. Doch die Ungeduld wächst. "Wir haben wenig gesehen, das uns das Gefühl gibt, dass sie wieder wachsen können", gab der Evercore-Analyst Rob Cihra nach den jüngsten Quartalszahlen ratlos zu Protokoll. Andere merkten an, dass der personelle Schrumpfkurs zwar die Wall Street beruhige, aber kein Ersatz für geschäftlichen Erfolg sei.

Der Sparkurs hat Spuren in der Belegschaft hinterlassen. Die ständigen Stellenkürzungen hätten nicht gerade zur Motivation der als loyal geltenden Hewlett-Packard-Belegschaft beigetragen, heißt es in Palo Alto. Während die Konkurrenz aus dem Silicon Valley ihre Mitarbeiter hofiert, klagen HP-Mitarbeiter über stagnierende Gehälter und geringe Karrierechancen. Nicht jeder traut dem neuen Management zu, Whitmans Strategie umsetzen zu können.

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Was also, wenn die Spötter recht behalten und HP zu unbeweglich für das 21. Jahrhundert ist? Angst vor dem Scheitern habe sie nicht, sagte Whitman vor ein paar Monaten an der Elite-Uni Stanford. "Ich habe mich ja schon einmal für ein öffentliches Amt beworben", erinnerte sie grinsend an ihre verpatzte Gouverneurskampagne 2010. "Also kann nichts mehr meine Gefühle verletzen."

© SZ vom 02.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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