Börsengang von Twitter:Betonte Bescheidenheit

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Twitter ist an der Börse in New York gelistet. (Foto: AP)

Je länger die Schlange, desto höher der Preis: Twitter hat kurz vor seinem Börsengang den Preis der Papiere erhöht. Trotzdem will das Unternehmen den Eindruck vermeiden, gierig zu sein - und hat damit aus den Fehlern von Facebook gelernt.

Von Varinia Bernau

Erst kürzlich hatte der Ryanair-Chef Michael O'Leary bei Twitter einen eher umrühmlichen Auftritt. Die Billigfluglinie ist bekannt dafür, dass sie den Kunden für jedes kleine Extra extra zur Kasse bittet - und sei es nur, weil dieser vergaß, sein Ticket zu Hause auszudrucken. Ob Fluggäste, so erkundigte sich eine Dame bei der Fragestunde, in Zukunft wohl für jeden Atemzug extra zahlen müssten. "Spitzenidee", twitterte O'Leary. "Ich habe eine Arbeitsgruppe, die sich damit befasst."

Das kam nicht gut an.

Man darf davon ausgehen, dass sie diesen Schlagabtausch auch bei Twitter selbst verfolgt haben. Denn die Führungsmannschaft des gerade einmal sieben Jahre alten Unternehmens legt sich ihrerseits ins Zeug, um keinesfalls als geldgierige Typen abgestempelt zu werden. Als mahnendes Beispiel gilt ihnen allerdings weniger die Billigfluglinie Ryanair - als vielmehr der große Rivale Facebook.

Etwa eineinhalb Jahre ist es her, dass Facebook den Gang aufs Börsenparkett wagte und enttäuschte. Zwar wurde damals, im Mai vergangenen Jahres, ein stattlicher Milliardenbetrag eingespielt. Es gab aber auch technische Pannen und Gerüchte über Absprachen unter Insidern.

Als gelungen gilt ein Börsengang gemeinhin erst dann, wenn weitere Anleger gelockt werden. Im Schnitt klettern Aktien bei ihrem Börsendebüt in den USA um 15 Prozent. Bei Facebook war es am ersten Handelstag nicht mal ein Prozent. Dann folgte der Absturz. Über Monate. Das Angebot der ausgegebenen Aktien war einfach zu groß. Der Preis, im letzten Moment noch einmal nach oben gesetzt, zu hoch. Daraus hat, so scheint es, nun auch Twitter seine Lehren gezogen.

Twitter hat den Preis der Papiere inzwischen erhöht

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Das US-Unternehmen will den Schritt aufs Börsenparkett an diesem Donnerstag wagen. Und es kalkuliert dabei mit einem Erlös von bis zu 1,8 Milliarden Dollar. 70 Millionen Anteilsscheine sollen dann angeboten werden. Zudem steht bei starker Nachfrage eine Mehrzuteilungsoption von 10,5 Millionen Dividendenpapieren zur Verfügung. Den Preis setzte Twitter zunächst sogar noch etwas niedriger an als bei seiner letzten Bewertungsrunde im August, ehe die Firma zur Vorbereitung des Börsenganges ihre Bücher offenlegte. Zum Vergleich: Facebook schlug auf den bei der letzten internen Bewertungsrunde ermittelten Aktienpreis zum Handelsstart sogar noch acht Cent drauf.

Inzwischen aber hat auch Twitter den Preis der Papiere erhöht. Statt für 17 bis 20 Dollar sollen die Aktien nun für 26 Dollar pro Stück angeboten werden. Der Grund? Die derzeit robuste Verfassung der Aktienmärkte kommt Twitter zugute - und eine hohe Nachfrage. Vor allem institutionelle Anleger wie Investmentbanken und Pensionsfonds hätten großes Interesse, hieß es. So ist es üblich bei Börsengängen ebenso wie im Tante-Emma-Laden: Je länger die Schlange, desto höher der Preis. Facebooks Finanzchefs und die Investmentbanker, die damals beraten haben, haben damals in ihrer Gier den Bogen überspannt.

Ob es bei Twitter nun besser läuft? Ein mit den Details vertrauter Insider sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Nachfrage nach den Aktien übersteige das Angebot inzwischen massiv. Daher könnten es sich die börsenbegleitenden Banken erlauben, vor allem solche Investoren herauszusuchen, die die Aktien für eine längere Zeit halten wollten und nicht unmittelbar nur schnell Kasse machen wollten. Zudem seien auch Fonds, die eigentlich nicht bei Börsengängen zugreifen würden, an Twitter-Papieren interessiert. Zum Teil wollten sie bis zu zehn Prozent der verfügbaren Aktien ordern, hieß es.

Twitter ist eine ganze Nummer kleiner als Facebook: Zum Kurznachrichtendienst kommen 232 Millionen Menschen und bleiben dort im Schnitt knapp 13 Minuten. In das soziale Netzwerk klinken sich mehr als eine Milliarde Menschen ein - für fast 23 Minuten. Twitter kann die Anzahl seiner Mitglieder anders als Facebook zum Zeitpunkt des Börsenganges auch noch nicht in Gewinn ummünzen. Selbst der Umsatz, den der Kurznachrichtendienst pro Nutzer macht - vor allem mit Werbung - liegt nicht einmal bei der Hälfte dessen, was Facebook pro Nutzer eintreibt. Auch damit dürfte die betonte Bescheidenheit, die der Kurznachrichtendienst an den Tag legt, zusammenhängen.

Facebook ist eine Zuckerberg AG

Twitter bringt etwa 13 Prozent des Unternehmens an die Börse. Die Papiere sollen an der New Yorker Börse Nyse gehandelt werden - und nicht an der bei Technologieunternehmen beliebten Nasdaq, deren Maschinen seinerzeit unter dem Ansturm derer zusammengebrochen waren, die sich am ersten Handelstag Facebook-Aktien sichern wollten. Verdienen dürfte am Börsengang von Twitter vor allem der Fonds Rizvi Traverse. Dieser wird von dem verschwiegenen Manager Suhail Rizvi geführt, der nahezu unbemerkt 17,9 Prozent an Twitter erworben hat. Größter Einzelaktionär ist Mitgründer Evan Williams mit derzeit zwölf Prozent. Sein Anteil wird sich durch den Börsengang auf 10,4 Prozent verringern.

Auch dies war bei Facebook anders: Die Hälfte des Emissionserlöses ging damals an die Alteigentümer. Sie nutzten das Handelsdebüt, um ihre Firmenanteile zu versilbern, darunter frühere Mitarbeiter, Hedgefonds und Risikokapitalgeber. Vor allem Firmengründer Mark Zuckerberg machte damals ordentlich Kasse. Aber er achtete auch genau darauf, nicht zu viele seiner Anteile abzutreten - schon gar nicht jene Papiere, an die Stimmrechte geknüpft sind. Zuckerberg, der Facebook auch führt, hält die Mehrheit dieser strategisch wichtigen Anteile. Facebook an der Börse, das blieb eine Zuckerberg AG. Twitter hingegen wird heute von Dick Costolo geführt, der nach dem Börsengang nur noch mit 1,4 Prozent an dem Unternehmen beteiligt sein wird.

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