Anekdoten zu Twitter:Macht, Macken und Milliarden

Lesezeit: 3 min

Twitter verdankt seinen Namen einem vibrierenden Smartphone (Foto: Kacper Rempel/Reuters)

Das Hashtag lehnen die Gründer anfangs ab, Ashton Kutcher will das Unternehmen kaufen und ein Chef übergibt sich in den Papierkorb: Fünf Geschichten, die Twitter zu dem Unternehmen machten, das es heute ist.

Von Varinia Bernau

Frauen sind bei Twitter etwas zahlreicher unterwegs als Männer, Teenager aber in der Minderheit. Und mal abgesehen von den Amerikanern twittern vor allem die Indonesier, Brasilianer und Holländer ganz gern. Aber wer steckt eigentlich hinter dem Kurznachrichtendienst? Nick Bilton, Reporter der New York Times und ein Kenner der Gründerszene in San Francisco, hat sich auf die Suche gemacht. Sein Ergebnis, 335 Seiten dick, erscheint an diesem Donnerstag auch auf deutsch - mit dem bezeichnenden Untertitel "Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat".

1. Eine Frage des Preises

Glückt der Börsengang, so dürfte Twitter gut 13 Milliarden Dollar wert sein. Aber als der damalige Chef Jack Dorsey im Juni 2007 zur ersten Verkaufsverhandlung schritt, scherzten die anderen noch: "Wenn schon sonst nichts rauskommt, wird es zumindest interessant zu sehen, welchen Wert wir haben." Damals liebäugelte Yahoo mit dem Start-up. Zwölf Millionen Dollar wollte der Konzern bieten. Zu wenig, wie das Gründerteam damals befand. Sie nahmen es eher als Ermunterung, dass sich ein so großer Konzern vor ihrem kleinen Dienst fürchtete.

Nur eineinhalb Jahre später wurde Twitter bereits auf 500 Millionen Dollar taxiert - und auch andere machten Avancen: Der Schauspieler Ashton Kutcher, der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und der Microsoft-Chef Steve Ballmer. Mit einem außergewöhnlichen Argument wartete der einstige Vizepräsident Al Gore auf: Er lud zwei der vier Gründer in sein Luxusappartement, um eine Fusion mit seinem Fernsehsender Current TV einzufädeln - und reichte, als die Überzeugungsarbeit sichtlich schwierig wurde, eine Flasche Tequila der edlen Marke Patrón.

2. Jeder gegen jeden

Evan Williams letzte Amtshandlung als Chef von Twitter? Er musste sich in den Papierkorb seines Eckbüros übergeben. Er wusste selbst nicht so genau, ob es die Nerven waren oder ein Virus. Wenig später wurde ein Blogeintrag auf der Seite des Unternehmens freigeschaltet: Von 165 Millionen registrierten Mitgliedern, die täglich 90 Millionen Tweets sendeten, war darin zu lesen. Fünf Absätze weiter stand, dass Williams auf eigenen Wunsch zurücktrete. Tatsächlich aber war er, der Twitter einst mit drei anderen gegründet hatte, von anderen Mitarbeitern und den Investoren aus dem Unternehmen gedrängt worden. Das war im Oktober 2010.

Ironie der Geschichte: Zwei Jahre zuvor hatte Williams einen der anderen Gründer, Jack Dorsey, in einem ähnlichen Machtkampf von der Spitze verdrängt. Und wiederum zwei Jahre zuvor hatten die beiden gemeinsam Noah Glass aus dem Unternehmen gedrängt, der ebenfalls ein Mann der ersten Stunde gewesen war.

Während sich Glass zurückzog und irgendwann sogar ein ganz glückliches Leben jenseits von Twitter führte, wählte Jack Dorsey einen anderen Weg: Er gründete den Bezahldienst Square - und inszenierte sich nebenbei geschickt als wichtigster Kopf hinter Twitter. Im März 2011 kehrte Dorsey auch als Manager ins Unternehmen zurück. Er ist heute der einzige aus dem vierköpfigen Gründerteam, der bei Twitter noch etwas zu sagen hat. Geführt wird das Unternehmen inzwischen von Dick Costolo, der den Chefposten übernahm, während Williams mit flauem Magen auf dem Boden seines Büros kauerte.

3. Lauter verrückte Einfälle

Jack Dorsey ist derjenige, der die Idee zu einer Art Statusmeldung hatte - und sie im Februar 2006 einbringt, nachdem Apple seinen digitalen Plattenladen iTunes um Podcasts erweitert und damit jenes Unterfangen obsolet macht, an dem die Gründer von Twitter ursprünglich tüftelten. Aber Dorsey hat auch noch eine Menge anderer Ideen: So rannte er mal mit seiner Handynummer auf dem T-Shirt durch San Francisco - und wartete auf Anrufe. Auf Ebay bot er an, dem Meistbietenden aus einem Kinderbuch vorzulesen. Und dann war da noch die Sache mit der unterstützenden Zusammenarbeit: Er wollte mal ein Start-up gründen, das die Teamarbeit von Entwicklern erleichtert: Einer sollte programmieren, während ihm der andere die Schulter massierte. Anschließend sollten die Plätze getauscht werden.

4. Gezwitscher

SZ JetztMärchen in Twitter-Länge
:Die 140-Zeichen-Märchenstunde

Berlins erstes Storytelling-Festival hat via Twitter zum Märchenerzählen aufgerufen - in 140 Zeichen. Die Veranstalterin Dorothea Martin hat für uns die besten Tweets ausgesucht.

Von Charlotte Haunhorst

Vier Köpfe, vier Vorschläge, wie dieses neue Ding nun heißen sollte. "Status", schlug einer vor, was die anderen für zu technisch hielten. "Ssmsy", meinte einer, worauf die anderen entgegneten: "Süß, aber nein". Und "Friendstalker" hielt die Mehrheit für das sicherste Mittel, all jene zu vergraulen, die nicht gerade 18, männlich und ziemlich allein waren. Noah Glass blätterte gerade im Wörterbuch, als sein Handy vibrierte - und bei ihm die Assoziation zu einer Zuckung (englisch: a twitch) weckte. Er blätterte weiter und stieß schließlich auf Twitter: das leise Zirpen bestimmter Vögel, auch ein vor allem leises, bebendes Sprechen oder Lachen.

Bekannt machen wollten die Gründer ihren Dienst dann übrigens im September 2006 auf einem Rave in San Francisco. Sie schenkten kostenlos Wodka aus und verteilten Handzettel mit der Internetadresse. Allerdings hatten die wenigsten Technofans Taschen dabei. Das ganze brachte: weniger als 100 neue Nutzer. Und am Ende des Tages landete Jack Dorsey mit einer Platzwunde am Kopf in der Notaufnahme. Beim zweiten Versuch, auf der Konferenz South by Southwest ein halbes Jahr später lief's dann deutlich besser.

5. Zeichensprache

@ und # sind aus dem Twitter-Universum nicht wegzudenken. Doch keines der beiden Zeichen hatten sich die Macher von Twitter einfallen lassen. Das @ benutzte erstmals ein junger Apple-Designer im November 2006, als er seinem Bruder über den Kurznachrichtendienst antwortete. Ein anderer Designer sprach persönlich beim Unternehmen vor - und regte an, unbedingt etwas aus den Hashtags zu machen. Nur was für Nerds, befanden die Gründer. Zu hart, zu schwer zu verstehen. Die Twitterer sahen das anders - und benutzten die Zeichen trotzdem.

© SZ vom 07.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: