Universitäten:Lust auf Listen

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Das "Wunder von Tübingen" beruht schlicht darauf, dass die Eberhard-Karls-Universität die richtigen Daten für ein Hochschul-Ranking geliefert hat. (Foto: Marijan Muratpicture/dpa)

Internationale Rankings von Universitäten sind wichtig, Spitzenforscher und Studenten aus dem Ausland wählen danach aus. Ein Pilotprojekt hat zwei deutschen Unis nun zu einem Sprung nach vorne verholfen.

Von Yannik Buhl

Als in den Medien Ende 2014 plötzlich vom "Wunder von Tübingen" die Rede war, verschlug es Bernd Engler die Sprache. Engler ist Rektor der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, und kurz zuvor war das aktuelle Uni-Ranking des Magazins Times Higher Education (THE) erschienen - es verspricht, die besten 400 Hochschulen der Welt zu listen. Binnen eines Jahres war Tübingen um fast 100 Ränge nach oben geschnellt, auf Platz 113. Engler sah sich mit dem Vorwurf der "Zahlentrickserei" konfrontiert. "Dabei haben wir lediglich zum ersten Mal die richtigen Daten geliefert", sagt er. Jahrelang habe man "das Kleingedruckte nicht gelesen" und sich so unter Wert verkauft. Nicht nur die Tübinger.

"Vielen deutschen Universitäten fehlen Kenntnis oder Erfahrung, Ziele der Datenerhebungen richtig zu analysieren", sagt Simone Burkhart, die sich beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit Rankings beschäftigt. Dazu sei ein erheblicher Aufwand nötig. Einer, der aus Sicht des DAAD gerechtfertigt ist. Für den Wissenschaftsstandort bedeutet die Missachtung solcher Erhebungen einen hausgemachten Wettbewerbsnachteil - wenn es darum geht, die weltweit besten Studenten und Forscher zu holen. "Wir wollen die schlausten Köpfe, dazu müssen wir eben auch durch Rankings wahrgenommen werden", sagt Engler. "Vor allem in den USA und Asien sind Rankings aber mitunter die wichtigste Entscheidungsgrundlage bei der Wahl eines Hochschulstandorts", bestätigt DAAD-Expertin Burkhart. Ausländischen Hochschulen sei es zudem wichtig, dass deutsche Kooperationspartner eine entsprechende Position in einschlägigen Rankings haben, heißt es beim DAAD.

Sogar das Auswärtige Amt mischt sich ein - und bewirkt in Tübingen ein "Wunder"

Ein gutes Ranking-Ergebnis lohnt sich. Aus dem Grund möchte das Auswärtige Amt, dass deutsche Unis international wahrgenommen werden. So geht das Tübinger Wunder auf ein Pilot-Projekt zurück, an dem neben Tübingen auch die TU Dresden teilgenommen hat und das nun ausgelaufen ist. Zwei Jahre lang finanzierte die Bundesregierung den Hochschulen einen Mitarbeiter, der sich beispielhaft mit den spezifischen Anforderungen des THE-Rankings auseinandersetzte, um korrekte Daten nach London zu senden. Dresden verbesserte sich sogar um 116 Plätze. Ziel sei es, die "Stärken des deutschen Hochschulsystems adäquat und bestmöglich in internationalen Ranglisten" abzubilden und "den Hochschulstandort gezielter" zu bewerben, teilt das Auswärtige Amt mit.

Der größte Aufwand steckt bei Rankings wie THE im Detail, fanden die Unis heraus. So führte allein eine falsche Beschriftung von Fachartikeln dazu, dass Publikationen übergangen wurden - weil der Name der Uni etwa nicht überall gleich lautete. "Es gibt zahllose Varianten unseres Namens", sagt Bernd Engler. Zudem ist es wichtig, penibel darauf zu achten, ob Mitarbeiter als Forscher oder als Lehrende gemeldet sind - schließlich bestimmt THE unter anderem über die Anzahl des Personals pro Student die Qualität der Lehre.

Über die Hochschulrektorenkonferenz sollen alle Hochschulen von den Ergebnissen profitieren. Ein erster Bericht hat sie bereits erreicht, auch den Abschlussbericht wird die HRK ihren fast 300 Mitgliedern bundesweit weiterleiten. "Die Universitäten müssen dann sicherstellen, dass sie korrekt melden, auch bei anderen Rankings", so Engler. Manche Experten sehen die Rolle der Rankings dagegen kritisch. "Sie reduzieren die Vielfalt von Lehre und Forschung auf wenige Parameter", gibt selbst Hans Müller-Steinhagen zu, Rektor der TU Dresden. Andererseits weiß die Wissenschaft um die Macht solcher Rankings heutzutage. "Wir können nicht aussteigen", meint Engler. Also müsse man schauen, wenigstens nicht durch eigene Fehler schlecht dazustehen.

© SZ vom 15.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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