Umsorgte Studenten:Reise und Reife

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Wenn Studierende einen Auslandsaufenthalt planen, lassen sie sich nicht von ihren Eltern beeinflussen - das hat eine Studie ergeben. Das ist überraschend, denn das Prinzip der "Helikopter-Eltern" hat sich auf die Hochschulen übertragen.

Von Johann Osel

Mama, Papa, ich bin dann mal weg! Das ist der Satz, der laut einer Umfrage am häufigsten fällt, wenn Studenten einen Auslandsaufenthalt planen. 85 Prozent der Studenten lassen sich demnach bei ihrer Entscheidung für Semester oder Praktikum in der Ferne nicht von ihren Eltern beeinflussen, sie treffen den Entschluss "ganz unabhängig". Dieses Ergebnis einer Online-Umfrage, diesen erstaunlich hohen Prozentsatz vermeldet nun Uniplaces, ein Portal zur Buchung von Studentenunterkünften. Das ist eine gute Nachricht (der Firma, der es um Werbung geht, wohl kaum bewusst); widerlegt sie doch das Bild über die aktuelle Studentengeneration, das oft kolportiert wird: dass nämlich Studenten von heute eher unselbständig und mutlos sind, sich im verschulten Bachelor-System bequem einrichten; und dass das aus Schulen bekannte Prinzip der "Helikopter-Eltern" - überfürsorgliche und jederzeit zum Landeanflug bereite Mütter und Väter - längst fortgeschrieben wird in der akademischen Welt.

Belege? An immer mehr Hochschulen gibt es inzwischen Elternabende. "Das liegt nicht nur daran, dass es durch das Fehlen der Wehrpflicht minderjährige Studierende gibt; wir sehen eine Nachfrage, auch wenn die Kinder schon 20 sind", sagt ein Uni-Sprecher. Der Münchner Jura-Professor Volker Rieble hat in der Zeitschrift Aviso mal gewarnt, dass sich die Haltung breitmache, Unis seien freundliche Betreuungseinrichtungen - "neues und larmoyantes Zeichen dieser Entwicklung ist die Intervention der Eltern volljähriger Studenten, ja selbst Doktoranden, die die Betreuungsrechte ihres Sprösslings geltend machen". Als die Mutter eines Doktoranden mit ihm allen Ernstes über Abgabefristen zu verhandeln begann, schreibt der 55-Jährige, habe er ihr "den Kontakt zu meiner durchaus noch rüstigen Mutter angeboten, damit sich die Damen aus elterlicher Perspektive verständigen können". Nun also - indirekt - Entwarnung durch die Umfrage: Nix Gängelband, Eltern werden eben beim Thema Auslandssemester vor vollendete Tatsachen gestellt.

Auslandssemester geplant? Dann heißt es: "Mama, Papa, ich bin dann mal weg!"

Womöglich hat sich aber ein Teil der Befragten überschätzt und die Auslandsentscheidung verwegener interpretiert, als sie es wirklich war. Statistisch müssen Eltern früh eingebunden werden bei einem solchen Vorhaben - als Finanzier. Laut Sozialerhebung der Studentenwerke werden drei Viertel aller mobilen Studenten bei ihrer Reise von der Familie unterstützt. Auch diejenigen, die zum Beispiel auf ein Erasmus-Stipendium (41 Prozent) zurückgreifen können, bekommen dadurch nur einen Bruchteil ihrer Auslagen erstattet - auch hier heißt die Devise wohl: Mama und Papa zahlen.

Das ist übrigens maßgeblich dafür, dass Studenten überhaupt ins Ausland gehen. Analysen zeigen: Je vermögender das Elternhaus eines Studenten, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er nicht nur an der Heimatuni studiert. Experten sehen die Finanzierung als Haupthindernis für den Weg ins Ausland und als Ursache dafür, dass die Quote der reisefreudigen Studenten hinter den Erwartungen der Politik zurückbleibt. "Mama, Papa, ich bin dann mal weg!" wird also, selbst wenn es stolz verkündet werden sollte, sicherlich in den meisten Fällen schnell um die Frage nach einem Zuschuss ergänzt. Ein Trost bleibt Eltern zudem, so die Umfrage des Portals: Die meisten Absolventen von Auslandssemestern gaben an, sich mindestens einmal pro Woche bei den Eltern daheim gemeldet zu haben.

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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