Studium:Die halbe Miete

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Zimmer gesucht: Die WG ist unter Studenten zur Wohnform Nummer eins aufgestiegen. (Foto: Felix Kästle/dpa)

Warum immer mehr Studierende in einer Wohngemeinschaft leben - und gleichzeitig auch immer mehr bei ihren Eltern bleiben.

Von Paul Munzinger

Die WG-Hauptstadt Deutschlands ist nicht Berlin, Marburg oder Heidelberg, sondern Friedrichshafen. Sechs von zehn Studierende in der 60 000-Einwohner-Stadt am Bodensee leben in einer Wohngemeinschaft - deutlich mehr als in allen anderen deutschen Städten. Warum? Das können sie sich an der Zeppelin-Universität, eine der Hochschulen der Stadt, auch nicht so recht erklären. Ein Sprecher verweist darauf, dass die Studierenden aus ganz Deutschland kommen, vergleichsweise wenige also aus der Region - weshalb auch wenige bei ihren Eltern wohnen, tatsächlich sind es nur 3,5 Prozent. Dazu sei die Stadt beliebt, könne aber nur begrenzt wachsen - auf der einen Seite liegt schließlich der See. Entsprechend knapp sind die Wohnungen, ein WG-Zimmer koste 300 bis 500 Euro. Und womöglich gebe es an der 2003 gegründeten Privatuni mit ihren nur 1000 Studierenden so etwas wie ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl.

Zwei von drei jungen Leuten, die in Brühl oder Wetzlar studieren, wohnen bei ihren Eltern

Der Trend geht zur WG, das ist nicht nur in Friedrichshafen so, sondern in ganz Deutschland. Einer jüngst veröffentlichten Studie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh zufolge leben heute 31 Prozent der Studierenden in einer Wohngemeinschaft - 2003 waren es erst 22 Prozent. Die WG ist damit zur am weitesten verbreiteten Art des Wohnens im Studium aufgestiegen. Auch das Hotel Mama erfreut sich wachsender Beliebtheit - jeder vierte Studierende wohnt bei seinen Eltern, drei Prozentpunkte mehr als 2003. Verlierer der Statistik ist die Privatwohnung, in der Studierende alleine oder mit Partner leben. 2003 wohnten noch 36 Prozent in der eigenen Wohnung - weit mehr also als in einer WG. 2018 waren es nur noch 27 Prozent.

Die Gründe für diese Entwicklungen sind vielfältig. Hauptursache dürften die zum Teil erheblich gestiegenen Mieten sein. Und geteilte Miete ist eben die halbe Miete. Zumal die Konkurrenz unter Studierenden besonders groß ist. Ihre Zahl ist seit 2003 erheblich gestiegen, von zwei auf fast drei Millionen. Der Ausbau von Wohnheimplätzen und bezahlbarem Wohnraum habe mit diesem Zuwachs aber nicht mithalten können, kritisiert die Studie. Dass die WG gegenüber der Privatwohnung gewinnt, dürfte aber noch einen weiteren Grund haben: Infolge von G 8 und dem Ende der Wehrpflicht werden Studienanfänger immer jünger: 2003 waren sie im Schnitt 22,1 Jahre alt - heute sind es 19,7 Jahre.

Der frühere Einstieg und hohe Mieten tragen auch dazu bei, dass heute mehr Studierende als früher bei den Eltern wohnen. Und noch etwas kommt dazu: Das Netz an Hochschulen wird immer dichter - zwischen 1990 und 2016 sind der CHE-Studie zufolge fast 400 neue Hochschulstandorte eröffnet worden. Die Folge: Nirgendwo in Deutschland ist der nächste Studienplatz heute weiter als 59 Kilometer entfernt. Wer also nicht in die Ferne schweifen will, kann auch in Brühl, Wetzlar oder Neunkirchen studieren. Und zwei von drei jungen Menschen, die sich für eine dieser drei Kleinstädte entscheiden, wohnen bei den Eltern.

© SZ vom 21.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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