Software zur Plagiat-Erkennung:Wider das Abschreiben

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Es geht wieder los an den Hochschulen der Republik: Studenten recherchieren für ihre Abschlussarbeiten. Doch schreibt tatsächlich noch jeder selbst? Nach den Plagiatsaffären des vergangenen Jahres sind die Institute misstrauisch geworden - und setzen auf Software zur Erkennung von Betrügern.

Sebastian Ehm

Jedes Semester geht das Spiel von vorne los: Studenten an den Hochschulen müssen einige ihrer Lehrveranstaltung mit wissenschaftlichen Arbeiten beenden. In Bayern studieren derzeit mehr junge Leute als je zuvor - etwa 320.000 sind immatrikuliert. Damit haben die Lehrenden jede Menge Seminar- und Abschlussarbeiten zu lesen. Und: Jedes einzelne Schriftstück muss ganz genau auf Einzigartigkeit überprüft werden.

In regelmäßigen Abständen müssen Studenten wissenschaftliche Arbeiten abliefern. Anti-Plagiatssoftware soll betrügerisches Abschreiben verhindern. (Foto: Stephan Rumpf)

Denn: Kaum ein Student erfindet ein Thema neu - und so kann sich kein Dozent sicher sein, dass nicht das Internet zu Hilfe genommen wird. Auf einschlägigen Seiten veröffentlichen unbekannte Autoren ihre Werke, für vergleichsweise wenig Geld kann man sich dort dann fertige Arbeiten herunterladen. Für manche Studenten sind solche Portale und das Internet ganz generell ein riesiger Fundus an Ideen. Und eine Versuchung, der sie nicht widerstehen können.

Um betrügerisches Abschreiben aufzudecken, kommt an deutschen Hochschulen schon seit einiger Zeit Software zum Aufspüren von Plagiaten zum Einsatz. Das bekannteste dürfte "Turnitin" sein, der Weltmarktführer aus den USA, der diesen Dienst seit einigen Jahren anbietet und mittlerweile eine riesige Datenbank aus wissenschaftlichen Texten aufgebaut hat. Auch von deutschen Firmen werden Programme angeboten. Verwendet werden unter anderem "PlagiarismFinder" und "PlagScan". Die Funktionen sind bei allen Programmen ähnlich. Die Software sucht Internet und Datenbanken (sofern vorhanden) nach Wortgruppen ab, die eine Ähnlichkeit mit dem eingegebenen Text haben. Anschließend wird ein Bericht erstellt, in dem alle gefundenen Verdachtsfälle aufgelistet sind.

Verwendung in Bayern

Auch an den bayerischen Hochschulen kommen die Programme zum Einsatz. Anders als etwa in Großbritannien wird im Freistaat allerdings nicht ein einziges Programm für alle Studiengänge verwendet. Nicht einmal für jede Universität oder sogar Fakultät gibt es ein einheitliches Programm. Das Thema Plagiatssoftware wird dezentral geregelt. Jedes Institut ist auf sich allein gestellt. Die einen entscheiden sich für, andere gegen eine flächendeckende Verwendung. Wieder andere liegen genau dazwischen und überlassen den Lehrbeauftragten die Entscheidung. Warum nimmt man nicht, wie in England, ein zentrales Programm für alle bayerischen Universitäten?

"Das macht wenig Sinn", meint Stefan Jablonski, Professor für Informatik an der Universität Bayreuth, "die Plagiatsfälle sind oftmals fachspezifisch. Beispielsweise sind Plagiatsfälle von Informatikern ganz anders geartet als in anderen Fachdisziplinen." Das Problem bei der Verwendung einer einheitlichen Software sei auch die "Immunisierung gegen dieses eine Programm", meint Bernhard Goodwin, Geschäftsführer des Instituts für Kommunikationswissenschaften und Medienforschung an der LMU (IfKW). Die Studenten könnten sich so bayernweit gegen eine Software wappnen. Das führe deren Sinn ad absurdum.

Das IfKW in München setzt fast flächendeckend eine Plagiatssoftware ein und hat damit schon Erfolg gehabt. Bernhard Goodwin weiß aber, dass eine Software Plagiate zwar nicht einwandfrei aufdecken kann. Er betrachtet es aber als nützliches Tool. Außerdem "sollen sich die Studenten der Tatsache bewusst sein, dass es eine solche Software gibt". Einen gewissen Abschreckungsgedanken schreibt auch Stefan Jablonski den Programmen zu. "Studenten sollen von vornherein Respekt davor haben, entdeckt zu werden."

Von der Universität Regensburg ist hingegen zu hören, dass die Software einen kritischen Blick einer Dozentin oder eines Dozenten nicht ersetzen könne. Und überhaupt, gelte es die Studierenden nicht unter Generalverdacht zu stellen. Das hält auch Manfred Schwaiger, Studiendekan der Fakultät für Betriebswirtschaft an der LMU, für richtig. Man solle diese Software nur bei einem begründeten Anfangsverdacht einsetzen. Ansonsten wende man die Programme an seiner Fakultät stichprobenartig an.

Debora Weber-Wulff ist Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und untersucht seit Jahren die Wirksamkeit solcher Programme. "Ich würde keines empfehlen, ich bin auch generell gegen den Einsatz dieser Software", meint sie. Das Problem ist, dass eine sogenannte Anti-Plagiatssoftware sehr viele Zusammenhänge nicht erkennen kann. Textpassagen aus Büchern, die nicht im Internet oder in der Datenbank der Software verfügbar sind, Übersetzungen oder einfache Umformulierungen bleiben unentdeckt. "Statt Island und Grönland schreibt man Grönland und Island und schon wird es von der Software nicht mehr gefunden", sagt Weber-Wulff.

Debora Weber-Wulff rät den Dozenten vielmehr die Arbeiten sorgfältiger zu lesen. Es könne passieren, dass man sich wegen der großen Menge an Studenten und Leistungsnachweisen zu sehr auf die Plagiatssoftware verlasse. Wenn man einen begründeten Verdacht hat, reicht es auch einfach drei bis fünf verdächtige Wörter in Google einzugeben. Zusammen mit einer intensiven Nachbearbeitung des Dozenten erhalte man meistens eine ausreichende Antwort auf den Verdacht.

Der Bayreuther Professor Jablonski stellt einen Dreisatz auf, der helfen soll Plagiate zu verhindern. Plagiatsentdeckungsprogramme sollen weitläufig zum Einsatz kommen, die Studenten durch eine reine Anwesenheit dieser Software abgeschreckt und so früh wie möglich im wissenschaftlichen Arbeiten geschult werden. Debora Weber-Wulff hält vor allem die Schulung in wissenschaftlichen Methoden für den zentralen Ansatzpunkt. "Die Studenten werden allein gelassen. Sie wissen heutzutage nicht mehr wie man wissenschaftlich arbeitet."

Weber-Wulff plädiert sogar für ein Übergangsjahr zwischen Schule und Universität. "Da hätten die Studenten dann die Möglichkeit Mathe, Fremdsprachen und Schreiben zu lernen. Die Schüler kommen heutzutage an die Universitäten und sind nicht dazu in der Lage tatsächlich zu studieren. Da finde ich es daneben, den Studenten etwas vorzuwerfen, das man ihnen nicht beigebracht hat."

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