Schulpolitik:"Gebühren durch die Hintertür"

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Michael Wrase, 43, ist Professor für Öffentliches Recht mit dem Fokus Sozial- und Bildungsrecht an der Stiftung Universität Hildesheim. Zudem forscht er für das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. (Foto: David Ausserhofer)

Warum der Staat Privatschulen stärker kontrollieren und mehr Kindern den Zugang ermöglichen sollte.

Interview von Susanne Klein

SZ: Herr Wrase, Sie mahnen immer wieder, dass Privatschulen ihre Schüler nicht nach finanziellen Kriterien aussuchen dürfen. Warum ist diese Mahnung nötig?

Michael Wrase: Weil der Staat die Privatschulen zwar großenteils finanziert, sie aber zu wenig in die Pflicht nimmt. Nach dem Grundgesetz müssten sie ihre Schulgelder so gestalten, dass jeder sein Kind dorthin schicken kann, unabhängig vom Geldbeutel. Das tun sie aber nicht. Das Problem drängt, Privatschulen boomen. Es gibt doppelt so viele wie vor zehn Jahren, sie machen je nach Bundesland bis zu 14 Prozent aller Schulen aus.

Diesen Montag veröffentlicht die Heinrich-Böll-Stiftung ein Strategiepapier von Ihnen . Was steht drin?

Politische Handlungsempfehlungen. Die Länder sollten ihre Förderung an klare Regeln knüpfen. Gebühren durch die Hintertür, wie durch eine elterliche Pflichtmitgliedschaft im Förderverein, darf es nicht geben. Das Schulgeld muss nach den Elterneinkommen gestaffelt werden, bis hin zum Nullbetrag. Ein Mindestbeitrag von 100 Euro pro Monat, wie in Berlin, ist aus unserer Sicht verfassungswidrig, da er viele Familien überfordert. Die Länder sollten auch festlegen, wie hoch das Schulgeld im Durchschnitt sein darf.

Warum das?

Weil sie sonst keine gute soziale Durchmischung nach dem Solidarprinzip hinbekommen. Staffelangebote reichen nicht, eine Schule könnte ja trotzdem bevorzugt Kinder von Gutverdienern aufnehmen. Richtigerweise müssen Vielzahler mit Wenigzahlern aufgewogen werden. Effizient wäre eine Kappung: Fließen über die durchschnittliche Höchstgrenze hinaus Elternbeiträge in die Schule, sinkt dafür die staatliche Förderung. Nimmt eine Schule dagegen mehr Kinder aus ärmeren Familien auf, könnte die Förderquote steigen.

Klingt nach rot-rot-grünen Wahlversprechen. Was davon wird jemals kommen?

Oh, das täuscht. Das CDU-geführte Kultusministerium in Baden-Württemberg hat uns positiv mit einem Gesetzentwurf überrascht. Darin stehen ein durchschnittliches Schulgeld, das Recht der Eltern auf Beiträge von maximal fünf Prozent ihres Einkommens und weitreichende Kontrollrechte der Behörden. Wir vermissen die Befreiung für Geringstverdiener und eine Geschwisterermäßigung, doch das Signal ist gut. Die Ministerin Eisenmann hat erklärt, wenn das Land so viel Förderung gebe, dann wolle es auch sicherstellen, dass die Privatschulen der Allgemeinheit nützen.

Wie viel zahlt Baden-Württemberg?

80 bis 90 Prozent der Kosten, die eine öffentliche Schule hat. Andere Länder geben 60 bis 90 Prozent in die Privatschulen.

Was unternehmen andere Bundesländer?

Die Privatschulfinanzierung wird vielerorts neu verhandelt. Fragt sich, was die Politik daraus macht. Der Berliner Senat will seine Regeln überarbeiten, Niedersachsen rührt sich auch. Hessen muss etwas tun, es hat krasse Probleme mit sozialer Sonderung in Großstädten, etwa in Frankfurt.

Und das Land von Manuela Schwesig?

Auch Mecklenburg-Vorpommern hat noch keine vernünftige Regulierung. Die Privatschule, die der Sohn der Ministerpräsidentin besucht, nimmt 200 Euro je Monat. Die Kritik an ihrer Schulwahl war so groß, dass ich gespannt bin, was politisch daraus resultiert.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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