Schule:Warum ist Bildung eigentlich Ländersache?

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Die Bundestagswahl könnte auch eine Entscheidung über das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Schulwesen werden. (Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa)
  • Gleich mehrere Parteien wollen nach der Bundestagswahl das sogenannte Kooperationsverbot abschaffen.
  • Es besagt, dass Bildung Ländersache ist und der Bund etwa im Schulwesen kaum mit den Ländern zusammenarbeiten darf.

Von Matthias Kohlmaier

In der Schule waren alle Wähler mal. Und viele haben Kinder oder Enkel, die gerade in die Schule gehen. Bildung ist allen wichtig und deshalb ist sie auch ein Thema in jedem Wahlkampf, es geht schließlich um "unsere Kinder".

Die Parteien überbieten sich regelrecht mit ihren Forderungen. "Beste Schulen" will die SPD, "gute Bildung" die Linke; die Union legt mit "beste Bildung und Ausbildung" noch eins drauf, belegt bei den Bildungswahlversprechen aber dennoch nur Rang zwei hinter der FDP. Deren Forderung: "weltbeste Bildung".

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Ob sich deshalb nach der Bundestagswahl in der Bildung tatsächlich etwas ändern wird, ist dennoch mindestens ungewiss.

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Freilich sind das alles Wahlkampfworthülsen, die Programme der Parteien triefen nicht nur beim Thema Schule vor Superlativen. Der Witz ist nur: Das Grundgesetz gibt diese Versprechen gar nicht oder nur sehr bedingt her. Denn dort ist das sogenannte Kooperationsverbot verankert, es verbietet dem Bund, den Ländern insbesondere im Schulwesen - bei den Hochschulen sind die Vorgaben laxer - großartige Vorschriften zu machen oder sich sonstwie einzumischen. Es gibt Ausnahmen, zum Beispiel darf der Bund klamme Gemeinden beim Bau von Schulgebäuden unterstützen. Wenn es aber an das geht, was in den Klassenzimmern passiert, gilt immer noch: Bildung ist Ländersache.

Aber warum eigentlich, warum gibt es in Deutschland nicht eines, sondern 16 Schulsysteme? Ein kleiner Exkurs:

Vor der Gründung des Deutschen Reiches 1871 bestand Deutschland aus diversen Feudalstaaten und freien Reichsstädten, die alle ihre eigene Bildungs- und Kulturpolitik betrieben. Auch nach der Reichsgründung und bis zum Ende der Weimarer Republik blieb die Bildung dezentral organisiert. Das änderte sich während der Nazi-Diktatur, wo Schulen, Hochschulen und auch die Kultur Teil der Propagandamaschinerie des Regimes und unter dessen Kontrolle gestellt wurden.

Das führte nach dem Krieg nicht nur dazu, dass die föderale Struktur in der Bildung wertgeschätzt wurde. Auch belegten die Alliierten den Gesamtstaat mit umfangreichen Auflagen, was sein Engagement in Bildungsfragen betraf. In der DDR war die Bildung zwar im Gegensatz zur BRD wieder zentral gesteuert, seit der Wende aber, und trotz zweier Föderalismusreformen in den Nullerjahren, entscheiden überall in Deutschland die Länder, was wie und wo unterrichtet wird.

Und dieses vermeintliche Klein-Klein hat durchaus den ein oder anderen Vorteil. Es kann etwa auf geografische Besonderheiten der Länder eingegangen werden. So ist zum Beispiel im Saarland an den meisten Grundschulen Französisch erste Fremdsprache, während im Rest von Deutschland gewöhnlich zuerst Englisch gelehrt wird. Auch lassen sich Reformen, wo sie denn für nötig erachtet werden, im kleineren Rahmen eines einzelnen Bundeslandes deutlich flotter umsetzen, als das bundesweit der Fall wäre.

Dennoch treten die meisten Parteien zur Bundestagswahl - neben dem Versprechen von "guter", "bester" und "weltbester" Bildung - mit dem Credo an: Das Kooperationsverbot muss weg! SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat es so formuliert: "Der Bund darf nicht an den Schultoren stehenbleiben." Argumente für ein zentraler geregeltes Bildungswesen gibt es dabei eine Menge: der Schulwechsel zwischen Bundesländern wäre einfacher, die Leistungen der Schüler vergleichbarer, die Forschritte bei Großprojekten wie Inklusion oder Digitalisierung nicht von Reichtum/Armut des jeweiligen Bundeslandes abhängig.

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Von SZ-Autoren

Die Union will am Bildungsföderalismus dennoch festhalten. Ganz vorne beim Verteidigen des Status quo steht Bayern, vertreten durch Kultusminister Ludwig Spaenle von der CSU. "Die Verantwortung der Länder für die schulische Bildung hat sich bewährt und gehört zu den Kerninhalten der föderalen Ordnung der Bundesrepublik", sagt Spaenle. Was er nicht sagt: Bayern ist ein reiches Bundesland und hat es gar nicht nötig, durch eine engere Verzahnung mit dem Bund Kompetenzen in den Schulen abzugeben.

Bleibt abzuwarten, wie es nach der Bundestagswahl aussieht. Denn nicht nur wollen SPD, Grüne, Linke und FDP die föderalen Bildungsmauern in der kommenden Legislaturperiode zumindest ein bisschen einreißen. Bereits am vergangenen Freitag haben sieben von SPD, Grünen und Linken regierte Länder im Bundesrat auch eine Initiative gestartet, um das Kooperationsverbot im Grundgesetz aufzuheben. Für eine Grundgesetzänderungen bräuchte es allerdings eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat.

Für die Union bedeutet das unter Umständen: In Koalitionsverhandlungen, egal mit welcher Partei, wird man sich bezüglich der Schulen wohl etwas bewegen müssen.

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