Plagiatsfälle:Fußnote

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An der Uni Münster tauchten immer wieder unsaubere Dissertationen auf. Nun sanktioniert die Hochschule einen Doktorvater.

Von Christina Berndt

Blutjung sind Doktoranden oft, doch das Schicksal kennt keine Gnade: Wenn sich eine Dissertation, und sei es Jahrzehnte später, als Plagiat herausstellt, verliert der ehemalige Doktorand seinen liebgewonnenen Doktortitel - und seine Ehre noch dazu. Dabei ist unbestritten, dass ein Promovend nicht allein die Verantwortung für seine Arbeit trägt. Schließlich muss ein Doktorvater die wissenschaftliche Arbeit begleiten und am Ende für gut befinden, bevor ein junger Mensch sich die karrierefördernde Abkürzung "Dr." vor den Namen schreiben darf. Der Doktorvater müsste demnach - je nach Art und Schwere der Verfehlungen - mindestens eine Mitverantwortung tragen, wenn ein Doktorand großflächig abgeschrieben, Daten manipuliert oder gar gegen ethische Grundsätze verstoßen hat, wie dies gerade Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgeworfen wird. Dieser Logik folgend, greift die Universität Münster nun durch: Dort soll ein Professor, der mehrere unsaubere Doktorarbeiten betreut hat, schmerzhafte Sanktionen erfahren.

Die Uni hat eine Reihe von Plagiats-Verdachtsfällen aufzuarbeiten. Im Laufe des vergangenen Jahres präsentierte die Internet-Plattform Vroniplag-Wiki insgesamt 30 mögliche Plagiate bei Doktorarbeiten aus Münster, 23 davon aus der medizinischen Fakultät. Es sind krasse Fälle darunter: Eine gerade mal 21 Seiten lange Dissertation war auf 17 Seiten mit einem anderen Werk nahezu identisch; und eine Arbeit war über weite Teile bei einer Dissertation abgeschrieben, die wiederum von einer anderen abgekupfert war. Vier Doktoren wurden bereits die Titel entzogen, vier weitere wurden gerügt, sich besser an die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens zu halten. In 15 Fällen steht das Urteil noch aus.

Eine 21 Seiten lange Dissertation war auf 17 Seiten mit einem anderen Werk nahezu identisch

Gleich vier Plagiate stammen aus dem Team von Professor T. Ende September hatten sich deshalb schon das Rektorat der Universität und die Untersuchungskommission wissenschaftliches Fehlverhalten für eine "spürbare Sanktion" des Professors wegen "schweren wissenschaftlichen Fehlverhaltens" ausgesprochen. Geplant ist, dem 60-Jährigen bis zum Eintritt in den Ruhestand Mittel in Form von Geld, Personal oder Räumlichkeiten zu kürzen, auf die er keinen rechtlichen Anspruch hat. Dies hat der Fachbereichsrat der medizinischen Fakultät nun mit einem Grundsatzbeschluss ermöglicht. "Es sollen spürbare Sanktionen sein", sagt Uni-Sprecher Norbert Robers, "aber zugleich soll die Arbeitsfähigkeit der Abteilung erhalten bleiben." Das Dekan werde in Kürze entscheiden, was konkret gegen T. unternommen wird.

Der Schritt gilt in jedem Fall als außergewöhnlich. Bekannt wurden bisher vor allem Sanktionen gegen Professoren, die sich für Promotionen bezahlen ließen. Ansonsten überstanden Doktorväter die Plagiatsaffären ihrer Promovenden gemeinhin ohne Wunden. In Münster hat man allerdings schon einmal härter durchgegriffen: Im Jahr 2011 verhängte die Uni eine Promovier-Sperre über einen Medizin-Professor. Dieser durfte zwei Jahre lang keine Doktoranden mehr betreuen, nachdem er eine in weiten Teilen abgeschriebene Arbeit "aus Unachtsamkeit" durchgewinkt hatte, wie seine Fakultät befand.

Mit ihrem Durchgreifen will die Uni ein Zeichen setzen - auch weil sie von besonders zahlreichen Plagiaten betroffen ist. "Der Generalverdacht kratzt auch am Image", sagt Medizin-Dekan Wilhelm Schmitz. In Münster wird es deshalb wohl bald noch weitere Sanktionen gegen Professoren geben. Denn in den zurückliegenden Monaten hat die Uni rund 1300 Doktorarbeiten mit einer speziellen Software geprüft. Dabei wurden in 18 weiteren Arbeiten schwerwiegende Plagiate gefunden. Die hat bisher noch nicht mal Vroniplag entdeckt.

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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