Nicht immer macht der Name klar, welche Inhalte tatsächlich in Studiengängen stecken. Eines aber wird schnell deutlich: Die Master-Absolventen müssen wahrlich Experten sein. Ein Streifzug durch den Online-Kompass der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), in dem alle Angebote quer durch die Republik aufgelistet sind, liefert zum Beispiel diese Master-Fächer: Europäische Kommunikationskulturen, Dezentrale Energiesysteme, Kulturelle Begegnungsräume der Frühen Neuzeit, Abenteuer- und Erlebnispädagogik, Bahnsystemingenieurwesen oder Nachhaltigkeitsgeografie. Was sich anhört wie quasi eine einzelne Vorlesung, ist oft ein vollwertiger Studiengang. Wer soll das alles studieren?
Kürzlich ist eine Debatte über unbesetzte Studienplätze entflammt. Wie schon in den vergangenen Jahren sind auch zum Ende dieses Semesters mindestens 15 000 eigentlich zulassungsbeschränkte Studienplätze unbesetzt. Das ergab eine Umfrage von Spiegel Online. Grund sei, dass bei erfolgreichen Bewerbungen an vielen Unis kein Abgleich stattfindet - ein gemeinsames IT-System der Hochschulen ist immer noch im Anfangsstadium. Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde, rügte dies im Deutschlandradio, brachte aber noch einen Grund für vor allem unbesetzte Master-Plätze vor: die zu starke Spezialisierung. "Die Hochschulen müssen sehr darüber nachdenken, das Angebot stärker an die Nachfrage anzupassen", sagte er.
Die These wird gestützt durch den Kompass der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) mit unzähligen, teils kurios klingenden Spartenangeboten. Und durch neue Daten der HRK: Erstmals gibt es mehr Studiengänge für den Master als für den Bachelor, bundesweit 7700. Vor sieben Jahren waren es nur gut 2800. Dabei gibt es viermal so viele Studenten im Bachelor wie im Master.
Lieblingsthemen der Professoren
Der Grund für das ausufernde Expertentum liegt auch im System. Nachdem die Unis auf Druck der Studentenproteste viele Bachelor-Studiengänge inhaltlich entschlackten, versuchten offenbar einige Professoren, ihre Lieblingsthemen in den Master zu packen. Ein Mitglied des Fakultätentags für Maschinenbau sagte in einem Zeit-Interview: "So mancher Professor möchte gern seinen eigenen Studiengang haben. Wenn die Fakultät sich dem nicht entgegenstellt, wird der eben eingerichtet." Ausgeprägt ist der Hang zur detailverliebten Ausbildung an Fachhochschulen - sie bieten oft maßgeschneiderte, exotische Angebote für örtliche Firmen an.
Hört man sich an Hochschulen um, werden die steigenden Anforderungen an Absolventen genannt. Aus einigen Branchen kommen aber des Öfteren Klagen über zu viel Spezialisierung. Das bestätigt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), Matthias Anbuhl, DGB-Abteilungsleiter Bildungspolitik, sagt: "Es mangelt an Transparenz. Jede Hochschule strickt ihr eigenes Angebot. Die Frage, welcher Master wirklich berufliche Perspektiven bietet, bleibt offen." Der DGB empfiehlt bundeseinheitliche Standards, wie im Dualen System. Der studentische Dachverband fzs warnt: "Studiengänge müssen so gestaltet werden, dass die Studierenden zur selbständigen wissenschaftlichen Tätigkeit befähigt werden."
Die Vielzahl der Studiengänge spiegele eben die Vielfalt der Forschung, das sei nicht in relevanter Größenordnung an unbesetzten Plätzen schuld, sagte der HRK-Vizechef Holger Burckhart der Süddeutschen Zeitung. "Wir müssen aber als Fakultäten und Hochschulen ein Auge darauf haben, dass nicht eine zu große Anzahl von nebeneinander laufenden Studienprogrammen übermäßig viele Ressourcen bindet." Der Zuschnitt dürfe nicht so eng sein, dass er keine Basis "für eine ausreichend breite berufliche Entwicklungsmöglichkeit bietet". Die HRK analysiere die Situation intensiv, die Veränderung von Studiengängen sei letztlich "ein fortlaufender Prozess", so Burckhart. Das lässt durchaus hoffen - hatten die Hochschulen ja beim Bachelor tatsächlich gegengesteuert.