Klischees in Schulbüchern:Es geht auch ums Geschäft

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Mit dem staatlichen Segen haben die Verlage jedoch erst die Eintrittskarte für den Markt. An den Schulen entscheiden die Fachkonferenzen der Lehrer, welche Bücher gekauft werden. Verlage schicken Vertreter dorthin, knüpfen Netzwerke, bieten Fortbildungen für Lehrer an, präsentieren sich auf Kongressen.

Es geht ums Geschäft - Schulbuchverlage arbeiten nicht aus Mildtätigkeit. Mit der Entwicklung eines Buches treten sie in Vorleistung. Wenn nach Jahren der Arbeit ein Werk erscheint, muss der Absatz erst die Kosten decken, dann Gewinn bringen. Wenn ein Buch floppt, verliert man Geld. Ein Buch könnte floppen, falls es verschreckt, etwa mit dem Konsens zu bestimmten Themen bricht.

All das verlangsamt die Branche. Und kommt ein Werk in den Schulen an, bleibt es erst mal dort. Sechs, acht, zehn Jahre lang arbeiten Schüler mit einem Buch oder noch länger, wenn keine Lehrplanreform ansteht. Das liegt auch an den Materialkosten. Die Seiten sind reißfester als bei normalen Büchern, sie werden nicht nur von einem Schüler geblättert, müssen schokoladenverschmierte Kinderhände aushalten. Die Bindung ist teuer, Bücher müssen stets aufgeschlagen auf dem Tisch liegen.

1970 bildet der Klett-Verlag erstmals eine Frau mit Hose ab

Vom Konzept bis zur Entsorgung vergeht so schon mal ein Vierteljahrhundert. Ilas Körner-Wellershaus macht aber keinen behäbigen Eindruck. Er hat nach dem Abitur eine Lehre zum Verlagsbuchhändler gemacht, dann studiert und promoviert, Religionsgeschichte, Politik, Geschichte, war Schulbuchredakteur, wurde Programm- und Verlagsleiter. Ein findiger Wissensverkäufer, der selbst viel weiß. "Wir sind Dienstleister für die Schulen und für die Bildung", sagt er. Zwischen Markt und Macht. Wohl daher versteht sich der Verlagschef in der Kunst des Abwägens.

Die Darstellung von Frauen habe sich über Jahrzehnte "radikal gewandelt", sagt er. Aber auch: Man müsse inzwischen darauf achten, dass die Jungen nicht zu kurz kommen. Der Verlag bilde etwa alleinerziehende Mütter ab - aber auch bewusst intakte Familien, "so wie die Lebenswelt ist". Und die Lebenswelt bei der sexuellen Orientierung? In Büchern für Sozialkunde, für Ethik müssten alle Optionen bei den Familienmodellen vorkommen. "Aber wie sollen wir das im Mathebuch machen?"

Man kann mit dem Schulbuchmacher trefflich streiten über die Frage, ob das nicht einen Versuch wert wäre: Herr und Herr Schmidt kaufen ein Sofa. Über mehr Mut. Es gebe " Austausch" mit den Ministerien dazu, sagt der Verlagsleiter. "Es gibt aber keine Anweisungen dafür."

Als der Klett-Verlag 1970 erstmals eine Frau mit Hose abbildete, war die Zeit dafür reif. Längst reif, kann man im Nachhinein wohl sagen. Es gab aber keinen Beamten, auf dessen Order hin die Jeans den Rock ersetzte. Es ist ein großes Einsickern.

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