Klassenkampf - der Schulratgeber:Angst vor dem vermasselten Abitur

Lesezeit: 3 min

Darf eine Lehrerin ihre Weltanschauung im Unterricht einbringen? (Foto: Grafik: Jessy Asmus/SZ.de)

Zwischen Schüler und Lehrerin gibt es Stress - und die Abiturprüfung ist nicht mehr weit. Wie lässt sich der Zwist lösen? Wie viel private Meinung darf ein Pädagoge im Klassenzimmer äußern?

Von Matthias Kohlmaier

Die Leserfrage

Ich bin Schüler an einem Münchner Gymnasium und mache Ende dieses Schuljahres Abitur. Leider hab ich einige Probleme mit meiner Deutschlehrerin. Sie berichtet ständig von ihrer Weltreise und den lebensverändernden Erfahrungen, die sie dabei gemacht habe. Sie möchte uns davon überzeugen, dass Geld unglücklich macht und Zufriedenheit nur durch Meditation zu erreichen ist. Diese Indoktrination finde ich schon sehr nervig und habe ihr das auch so gesagt. Seitdem kommen wir gar nicht mehr miteinander zurecht. Meine Noten, insbesondere die mündlichen, haben sich deutlich verschlechtert.

Nun habe ich das Problem, dass ich bei dieser Lehrerin mein Deutsch-Abitur schreiben werde und ich nicht meinen Abschluss wegen ihr vermasseln möchte. Leider kann ich den Deutschkurs nicht mehr wechseln und weiß daher nicht, was ich tun soll.

Die Antwort

Wie viel private Meinung darf ein Lehrer in den Unterricht einbringen? Und was hat im Klassenzimmer gar nichts verloren?

Lehrer sollen "die verfassungsrechtlichen Grundwerte glaubhaft vermitteln" und müssen in der Schule auf das Tragen von "Symbolen und Kleidungsstücken, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung ausdrücken" verzichten, so steht es im Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG). Von diesen Grundsätzen verletzt die Lehrerin mit ihren Geschichten über Weltreise oder Meditation keinen. Und grundsätzlich finde ich, dass es einen Lehrer sympathisch macht, wenn er zwischendurch eine private Episode einstreut und nicht nur den Lehrplan abarbeitet. Das Recht auf freie Meinungsäußerung im Klassenzimmer deckt außerdem mit Sicherheit auch die Meinung ab, dass Geld unglücklich macht.

Skurrile Prüfungsantworten
:"Um ganz ehrlich zu sein, das Thema langweilt mich"

Der Faulheit überführt: Ein US-Schüler stellt seinem Lehrer in einem Aufsatz eine Falle - und der Pädagoge tappt prompt hinein. Diese und weitere Prüfungscoups in unserer Galerie der Schülerchuzpe.

Aber: Auch wenn der Lehrerin kein Gesetz verbietet, der Klasse Privates mitzuteilen, muss sie das dosiert tun - und darf keinesfalls einen Überzeugskampf daraus machen. Den Schülern ihre Meinung aufzudrücken, hat nichts mit dem Lehrauftrag zu tun. Wenn Sie und Ihre Mitschüler das als Indoktrination empfinden, sollten Sie das der Lehrerin offen sagen. Lässt sie dennoch nicht davon ab, können Sie zum Oberstufenkoordinator gehen, der das Gespräch mit ihr suchen sollte.

Der Oberstufenkoordinator ist auch erster Ansprechpartner für das zentrale Problem: Angst um die Abiturnote. Wenngleich es immer heißt, dass man zwischenmenschliche Probleme aufarbeiten soll, gibt es zumindest in der Schule in der Situation eigentlich einen Königsweg, den auch Franz Vogl, Schulleiter des Oskar-Maria-Graf-Gymnasiums in Neufahrn, empfiehlt: "Wenn es irgendwie möglich ist, tendiere ich bei so einem Fall immer zum Kurswechsel." So seien alle Betroffenen geschützt und könnten sich wieder der Arbeit zuwenden.

Wenn der Wechsel bei Ihnen tatsächlich nicht möglich ist, tragen Sie das Problem dem Oberstufenkoordinator vor. Kommt er im Gespräch mit der Deutschlehrerin nicht weiter, müsste er sich an den Schulleiter wenden. Denn im BayEUG steht auch: "Die Schulleiterin oder der Schulleiter ist für einen geordneten Schulbetrieb und Unterricht [...] verantwortlich." Gibt es Stress zwischen Lehrern und Schülern, kann der Lehrbetrieb gefährdet sein. Das zu verhindern, ist ein Fall für den Rektor. Es gehört zu seinem Job, zwischen Streitparteien zu vermitteln und sich um eine kurzfristige Lösung zu bemühen.

Abi nur mit Zweitkorrektor

Was die Notengebung betrifft, so können Sie sich ebenfalls an den Oberstufenkoordinator wenden, wenn Sie das Gefühl haben, mündlich grundlos schlecht beurteilt zu werden. Das müssen Sie allerdings sehr fundiert begründen und im Idealfall auch von Klassenkameraden anhand konkreter Beispiele bestätigen lassen.

Bei schriftlichen Noten wird, sobald Sie beim Oberstufenkoordinator waren, jede Ihrer Arbeiten bei der besagten Lehrerin im Normalfall nochmal vom zuständigen Fachbetreuer überprüft werden. Schulen versuchen gerade in Streitfällen, sehr korrekt zu handeln, um sich vor - möglicherweise juristischem - Ärger zu schützen. Und was die Sorge um die Abiturprüfung betrifft: Im Abi gibt es standardmäßig einen Zweitkorrektor, so dass ein Lehrer einem Schüler aus persönlichem Groll die Note nicht "vermasseln" kann.

Abschließend noch ein persönlicher Rat abseits aller Rechte und Gesetze: Sie müssen mit der besagten Lehrerin nur noch einen überschaubaren Zeitraum zubringen. Natürlich ist es prinzipiell gut und richtig, die eigene Meinung zu vertreten. Aber womöglich sollten Sie sich auch einfach ein Dreivierteljahr auf die Zunge beißen und die Geschichten von Weltreise und Meditation das sein lassen, was sie sind: Geplauder. Das kann man ignorieren, statt es - womöglich ungewollt abfällig - zu kommentieren und damit weiteres Öl ins Klassenzimmerfeuer zu tröpfeln.

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