Hochschulpolitik:Halb Staatsfrau, halb Mädchen

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Wahlabend 2015 in Hamburg, Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank hätte wohl jedes Ressort haben können - sie wählte Wissenschaft. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Hamburgs Wissenschaft ist ein heißes Pflaster - 19 Hochschulen auf engstem Raum, riesige Erwartungen. Die grüne Senatorin Katharina Fegebank wählt einen Kurs des Ausgleichs. Zu ausgeglichen?

Von Thomas Hahn

Den Präsidenten der Universität Hamburg persönlich zu sprechen, ist nicht ganz einfach. Dieter Lenzen beantwortet Pressefragen zur Hochschulpolitik lieber via E-Mail, was an seinem vollen Terminkalender liegen mag - aber vielleicht auch an der Sorge, im Gespräch missverstanden zu werden. Auf die Fragen zum Stil der grünen Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank antwortet Lenzen jedenfalls schriftlich. Und zwar mit einem Text, der in Teilen wie Fegebank-PR klingt. "Die neue Senatorin Fegebank hat einen neuen Politikstil etabliert, der die Zusammenarbeit zwischen der Universität und der Politik ihrer Behörde erleichtert", schreibt Lenzen und lobt die "offene Persönlichkeit der Senatorin" sowie deren "optimistische, nach vorne schauende Politik des Bekräftigens und Anerkennens von Leistungen der Universität".

Ist das noch der Lenzen, der im Sommer 2014 vernehmlich über ein Strategiepapier der Wissenschaftsbehörde fluchte ("verdammt noch mal")? Der die Gebäude seiner Uni "Ruinen" nannte und damit die Regierenden im Hamburger Rathaus um Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) empörte? Oder hat Katharina Fegebank als Nachfolgerin der sozialdemokratischen Senatorin Dorothee Stapelfeldt tatsächlich einen neuen Frieden hergestellt zwischen Uni und Behörde? Kann man an der Alster ein gutes Jahr nach der Bürgerschaftswahl, nach der sich die zuvor alleinregierende SPD einen Partner suchen musste, schon die Folgen grüner Wissenschaftspolitik besichtigen?

In den Bundesländern zeichnen mittlerweile drei grüne Frauen für Wissenschaft verantwortlich

Hamburg ist kein Universitätsstandort wie jeder andere. Hafen und Handel haben die Tradition der Stadt geprägt. Die größte Universität am Ort ist relativ jung, gegründet 1919, und wie viele andere sanierungsbedürftig. Der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (Asta) mit seiner kommerzkritischen Einstellung ist hier stark. Insgesamt 19 Hochschulen bringen auf engem Raum ihre Interessen ein. Gleichzeitig gilt die Wissenschaft als Zukunftsmarkt. Unter dem Schlagwort "Innovation" will der Stadtstaat sie als zweite Säule neben dem Hafen etablieren. Ansprüche prallen aufeinander, die man erst mal moderieren muss. Und in dieser Situation scheint es sich auszuzahlen, dass nicht eine Leitfigur aus der eingesessenen Hamburger Sozialdemokratie die Debatten führt. Sondern eine junge Grüne, die Lust aufs Neue hat.

Katharina Fegebank, 39, sitzt in ihrem zweckmäßig eingerichteten Büro, das im Gebäude eines riesigen Einkaufszentrums an der Hamburger Straße liegt. Sie umgibt wieder diese seltsame Aura von Staatsfrau und großem Mädchen, wegen der man sie leicht unterschätzt. Katharina Fegebank besitzt die seltene Gabe, jung und gesetzt zugleich zu erscheinen. Bei den Koalitionsverhandlungen im Frühjahr 2015 mit der SPD fanden sie manche Außenstehende noch etwas zu arglos. Aber jetzt, da sie Senatorin und zweite Bürgermeisterin ist, hat es Charme, dass sie nicht als abgebrühte Behörden-Matrone auftritt, sondern interessiert und frisch wirkt.

Sie sieht sich als Vertreterin eines grünen Politikstils, der sein Heil im Respekt vor dem anderen sucht. Eine Zwischenbilanz auf Kosten der Vorgängerin ist deshalb von ihr nicht zu erhalten; zumal Dorothee Stapelfeldt Kollegin im rot-grünen Senat ist, zuständig für Stadtentwicklung. "Wir setzen auf viele Initiativen, die schon in der letzten Legislatur begonnen wurden", sagt Fegebank, ehe sie vorsichtig erklärt, wie sie die Stimmung in der Hamburger Wissenschaftswelt veränderte. "Ich bin sehr unvoreingenommen in mein Amt gegangen und habe mich sehr lange mit den Hochschulen und ihren jeweiligen Problemen auseinandergesetzt. Das hat vermutlich dazu geführt, dass die Hochschulen sich ernst genommen gefühlt haben."

Asta-Politik und grünes Milieu, da gibt es Überschneidungen. Dennoch: Studierende grummeln

Die Wissenschaft gilt nicht unbedingt als grünes Fach. Aber Katharina Fegebank findet, dass es durchaus eines ist. Neben Theresia Bauer (Baden-Württemberg) und Gabriele Heinen-Kljajić (Niedersachsen) ist sie inzwischen eine von drei grünen Ressort-Chefinnen. Sie alle setzen auf produktive Allianzen autonomer Unis als Stützen einer freiheitlichen Gesellschaft. "Wir hören zu", sagt Fegebank, "wir reden. Wir bilden Netzwerke. Wir geben unseren Universitäten und Hochschulen die Freiheit, sich zu entwickeln, und sehen uns verantwortlich dafür, einen geeigneten Rahmen zu setzen." Mit Vertrauen und Kommunikation hat Fegebank Hamburgs Wissenschaft anscheinend auf Linie gebracht.

Die Frage ist nur, was daraus erwächst. "Zu den Problemen der Wissenschaft in Hamburg gehören neben der Unterfinanzierung ein misslungenes Hochschulgesetz aus der Vergangenheit und ein kontinuierliches Imageproblem", schreibt Lenzen. Daran kann Fegebank nicht so leicht rütteln. Schon in den Koalitionsverhandlungen hat sie einsehen müssen, dass manche Forderungen aus dem Wahlkampf nicht einzulösen sind. Und nicht jeden überzeugt ihr Kurs des Ausgleichs.

Mit Trillerpfeifen und Plakaten ziehen Studierende der Universität vom Bahnhof Dammtor zum Rathaus. Die Studiengänge der Holzwirtschaft sollen weggespart werden - dagegen demonstrieren sie an diesem ersten Dienstag im Mai. Und gegen das Förderprogramm Exzellenzinitiative, weil es die Breitenbildung schwäche. Fegebanks versöhnliche Art kommt hier offenbar nicht an. Franziska Hildebrandt aus dem Asta-Vorstand, die natürlich mitmarschiert, klingt nicht begeistert, wenn sie von der Senatorin spricht. "Da ist keine Agenda, keine Strategiebildung." Viele Grüne sind im Asta. Trotzdem. Hildebrandt verteilt keine Gefälligkeiten. "Dieses Verständnisvolle ist am Anfang ganz gut, aber mal gucken, wie weit es geht", sagt sie. Verbesserungen im Vergleich zur Vorgängerin? "Man konnte sich an Stapelfeldt mehr reiben, weil die eine starke politische Position bezogen hat. Es ist ein bisschen schwierig, sich an Katharina Fegebank zu reiben, weil sie keine Position bezieht, die Konflikte birgt." Die Asta-Vertreterin klingt so, als könne ihr die nette Senatorin Fegebank bisweilen ziemlich auf die Nerven gehen.

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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