Hochschulaffäre:Die persönliche Wolke

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"Ich bin Überzeugungstäterin": Theresia Bauer sagt, sie kämpfe für die Hochschulautonomie. (Foto: M. Ernert/oh)

Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Bauer galt als geeignet für das höchste Amt im Land - dann begann ein Untersuchungsausschuss.

Von Josef Kelnberger

Theresia Bauer bittet zwischendurch einen Mitarbeiter, doch mal die Lage draußen zu erkunden: Könne ja sein, dass sie ihr Ministeramt schon los sei, sagt sie mit einem ironischen Lächeln. Dann hätte sich das Gespräch ohnehin erledigt.

Es ist Mittwoch vergangener Woche, die baden-württembergische Regierung ist gerade in schwere Turbulenzen geraten, weil die Grünen eine CDU-Kandidatin für das Amt der stellvertretenden Landtagspräsidentin haben durchfallen lassen. Im zweiten Wahlgang, so stellt sich heraus, ist alles noch mal gutgegangen. Grün-Schwarz regiert trotz zunehmender Entfremdung weiter und damit auch Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), die ihr eigenes Problem hat: einen Untersuchungsausschuss, der sie seit Monaten verfolgt wie eine ganz persönliche Regenwolke.

Ob das Regieren unter diesen Bedingungen überhaupt noch Spaß macht? "Aber ja doch", erwidert Bauer, Sonnenschein im Gesicht. "Sicher!"

Zu hohe Zulagen für Professoren: Hat sie das Thema unterschätzt?

Man hat sich in einem Raum der grünen Fraktion im Landtag getroffen, um über die "Zulagen Ludwigsburg" zu sprechen, so heißt der Untersuchungsausschuss. An der Verwaltungshochschule Ludwigsburg haben 13 Professoren Zulagen auf fehlerhafter Basis erhalten; der zuständige Rektor ist längst nicht mehr im Amt, die Aufarbeitung zieht und zieht sich. Die Materie ist komplex, aber die Fragestellung überaus populär: Hochschulprofessoren haben zu viel Geld kassiert - und die zuständige Ministerin hat es versäumt, Disziplinarverfahren einzuleiten, die Staatsanwaltschaft und den Rechnungshof einzuschalten? Führungsschwäche? Liegen gar Pflichtverletzung und Rechtsbeugung vor?

Die Heidelbergerin Theresia Bauer, 53, seit 2011 im Amt, seither dreimal zur "Wissenschaftsministerin des Jahres gewählt", wurde lange Zeit als Nachfolgerin von Ministerpräsident Winfried Kretschmann gehandelt. Eine ebenso kompetente wie eloquente Realpolitikerin, die den Hochschulen im Land eine nachhaltige Finanzierung gesichert hat. Deshalb lag es für die Opposition schon aus taktischen Gründen nahe, die Krisenfestigkeit der Ministerin zu testen. Das Ergebnis bislang: Der Ausschuss interessiert jenseits der Landesgrenzen so gut wie niemanden - aber in Baden-Württemberg wird Theresia Bauer nicht mehr als Ministerpräsidentin gehandelt.

Selbst wohlmeinende Beobachter finden, die Ministerin habe das Thema nicht ernst genug genommen. Fragt man Bauer selbst, so erwidert sie, in einem Punkt habe sie sich tatsächlich verschätzt: Sie habe nicht damit gerechnet, dass man diesem Thema solche "klebrigen" Begriffe wie "illegale Boni für Professoren" anhängen könnte. Sie habe nicht erwartet, dass dies zur "Affäre" stilisiert werden könnte. "Da schwingen Vorbehalte gegen die Wissenschaftswelt mit, eine Anti-Establishment-Haltung, Missgunst, Neid", sagt sie.

Der Ausschuss kostet Zeit und Energie. Ob sie genervt ist? "Ich war so lange angefressen, wie ich dachte, es geht um mich persönlich." Nun sei sie davon überzeugt, in diesem Ausschuss die Hochschulautonomie verteidigen zu müssen. "Ich bin da inzwischen Überzeugungstäterin."

Keiner der Vorwürfe habe sich erhärtet, sagt die Ministerin

Es droht, so sieht das Bauer, ein "Rollback" nach dem Systemwechsel 2005: Professorengehälter runter, leistungsabhängige Zahlungen rauf. Dabei bräuchten die Rektorate die damals gewährten Freiräume mehr denn je, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, glaubt sie. Fehler im System müsse man korrigieren. Aber es handle sich um vergleichsweise wenige Fälle, und die will sie so weit wie möglich im Rahmen der Hochschulautonomie geklärt wissen. Sie steht dazu: "Kein staatsanwaltschaftliches Verfahren auf Verdacht! Wenn wir das tun, dann traut sich niemand mehr an den Hochschulen, mutige Entscheidungen zu treffen. Dann bekommen wir eine Kultur der Fehlervermeidung."

Bauer hat es aber nicht geschafft, die politische Oberhoheit zu gewinnen. Eine mittlerweile von ihrem Ministerium gestartete Umfrage bei 44 Hochschulen im Land förderte einige weitere Fälle von fehlerhaften Zulagen zutage. Nun prüfen die Staatsanwaltschaften aufgrund der Medienberichte, ob ein Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen besteht. Und was die "Zulagen Ludwigsburg" betrifft, so sorgte im Ausschuss zuletzt die Aussage einer ehemaligen Rektorin für Wirbel. Die Frau war bei dem Versuch gescheitert, die Affäre zu bereinigen. Ministerin Bauer habe sie daraufhin gedrängt, freiwillig zurückzutreten, im Gegenzug werde ein Untersuchungsbericht freundlich ausfallen, berichtete sie. Von "Mobbing" war die Rede.

Die Ministerin verweist darauf, sie habe aus Fürsorgepflicht gehandelt - und dem Ausschuss von dem Gespräch längst selbst berichtet. Keiner der gegen sie gerichteten Vorwürfe habe sich bislang erhärtet, findet Bauer. "Es geht immer nur um Atmosphärisches, um Stilfragen." Aber die lassen sich schwer einfangen, so läuft das eben im politischen Geschäft. Ministerpräsident Kretschmann wurde schon gefragt, ob die Parteifreundin noch im Amt zu halten sei. Er sprach ihr selbstverständlich sein volles Vertrauen aus.

Winfried Kretschmann hält große Stücke auf die Ministerin. Sie hätten mehrmals kurz über das Thema Ludwigsburg gesprochen, sagt Theresia Bauer. "Ich habe nicht den Eindruck, dass er wegen mir schlaflose Nächte hat." Den Ministerpräsidenten plagen derzeit aber auch ganz andere Probleme.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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