Exzellenz-Förderung:Wissenschaft im Wartesaal

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Bund und Länder wollen erneut Milliarden in Top-Forschung stecken. So viel zumindest steht fest. Ansonsten viele Fragezeichen - wer genau wofür gefördert wird, bleibt strittig.

Von Johann Osel und Ulrike Nimz

Das Spesenkonto mancher Staatssekretäre und Referenten dürfte momentan Höchststände verzeichnen. Es ist die Zeit der internen Runden, Arbeitssitzungen und Verhandlungen, wie man hört, auch bis in die Nacht hinein. 2017 läuft die Exzellenzinitiative aus, der Wettbewerb von Bund und Ländern für die Spitzenforschung. Seit 2006 hatte man damit fast fünf Milliarden Euro in die Wissenschaft gepumpt. Bund und Länder sowie die Koalitionsfraktionen im Bundestag haben sich grundsätzlich geeinigt: Es geht weiter mit der Förderung, zehn Jahre mindestens, wieder mit mehreren Milliarden. Wie das neue Konzept aussieht - darauf hat man sich nicht verständigt. Dazu wollte man erst einen externen Bericht der sogenannten Imboden-Kommission abwarten; seit deren Votum Ende Januar steht die Politik jetzt unter Zugzwang, muss Streit beilegen - und kommt in Zeitnot.

Am 22. April wollen Bund und Länder ein unterschriftsreifes Konzept vorlegen, im Juni sollen Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten dann den Beschluss fassen. Drei Förderlinien gab es bisher. Am bekanntesten sind die Zukunftskonzepte, die unter dem Etikett "Elite-Unis" öffentliche Aufmerksamkeit erfuhren. Elf waren es zuletzt, die Förderung soll ganze Standorte stärken, damit sie weltweit mithalten können. Um als Elite-Uni eine Chance zu haben, brauchte man mindestens ein Exzellenzcluster (Forschungskomplexe) und eine Graduiertenschule für Doktoranden - die beiden anderen Linien.

Die bisherigen Gewinner-Unis konnten beste Bedingungen für Forscher schaffen. Dass Deutschland drittbeliebtestes Gastland hinter den USA und Großbritannien für internationale Wissenschaftler ist, verdankt man auch der Exzellenzinitiative. Es ist nicht so, dass in Harvard Panik ausbricht, wenn zum Beispiel in Bochum ein Cluster entsteht; aber es hat sich herumgesprochen, unter welch guten Bedingungen es sich an Exzellenz-Standorten forschen lässt. Doch da sind auch die Schwächen des Wettbewerbs: zum Beispiel der Fokus rein auf die Forschung. Studenten haben wenig von dem Bohei, auch der "normale" Forscher. Auch ist es ein Hamsterrad an Anträgen, Verwaltung und Rechenschaftspflichten, in das Professoren durch derlei Wettbewerbe geraten. Strittig ist immer noch der Zuschnitt auf Spitze - die Initiative hatte gezeigt, dass Unis nun mal unterschiedliche Niveaus haben. Ein Thema, worüber in der Szene hierzulande nur die Erfolgreichen gern sprechen: Mancher Rektor, auf dessen Schlafanzug wohl noch ein Elite-Label prangen dürfte, trägt den Spottnamen "Exzellenz-Fetischist".

Mehr Geld für Top-Forschung? Ein Toxikologe der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf bringt Flüssigkeit auf ein Filterpapier auf. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Wobei die Expertenkommission, geführt vom Schweizer Wissenschaftsmanager Dieter Imboden, die Abgrenzungen begrüßt: "Als wichtige Folge der Exzellenzinitiative wurde im Zuge der Diskussion aufgezeigt, dass es im Universitätssystem hinsichtlich Forschungsleistung markante Unterschiede gibt." Mit großem Auftritt in der Bundespressekonferenz war das Gutachten Ende Januar präsentiert worden.

Angeblich keimt Sorge auf, dass es sich die Finanzminister am Ende noch anders überlegen

Das Hochschulsystem ist demnach dynamischer geworden. Gleichwohl sei eine Verbesserung nötig, um "auf Augenhöhe mit den Besten" der Welt zu gelangen. Und wie? Für die Zukunft bis 2028 schlägt das Gremium nun zwei statt drei Förderlinien vor - bestehend aus Clustern sowie einer "Exzellenzprämie". Die Prämie von 15 Millionen Euro pro Jahr tritt an die Stelle der Zukunftskonzepte und soll jene Universitäten stärken, "welche sich aufgrund bisheriger Leistungen als zur Spitze gehörend ausgewiesen haben". Die Vergabe soll also ohne Antrag erfolgen, sondern nach einem Ranking, das sich auf die Gesamtleistung der vergangenen sieben, acht Jahre bezieht. Dazu zentral: mehr Macht für die Hochschulchefs. Graduiertenschulen soll es künftig nicht mehr geben, Doktorandenausbildung sei für Unis selbstverständlich.

Höflich bedankten sich Politiker, aber manche hatten doch mehr erwartet vom Gutachten. Bremens Wissenschaftssenatorin Eva Quante­Brandt (SPD), die den Ländern in der gemeinsamen Ministerrunde mit dem Bund vorsteht, blieb verhalten: Man wolle die "wertvollen Hinweise" in die "Überlegungen für die Architektur der neuen Initiative mit einbeziehen". Auch die Organisatoren der Exzellenzinitiative legten nahe, dass nun alles nicht so kommen müsse. In der Praxis umgesetzt wird der Wettbewerb von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG und dem Wissenschaftsrat. Dessen Vorsitzender, der Münchner Bildungsforscher Manfred Prenzel, sagte nach dem Gutachten: "Wir wünschen uns eine intensive öffentliche Debatte über die mögliche Zielsetzung eines Nachfolgeprogramms und seiner Bausteine." Übersetzt: Alles offen, die Politiker muss jetzt ran!

Auf die Streichung der Doktorandenschulen kann man sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung einigen, es werden also definitiv zwei Förderlinien sein. Cluster soll es, so heißt es, eher mehr geben als jetzt, Förderungen für Standorte tendenziell weniger als die bisherigen elf. Das hieße aber, dass erst in der jüngsten Wettbewerbsrunde hinzugekommene Elite-Unis wie Dresden oder Bremen Gefahr liefen, wieder aus der Gesamtförderung zu fallen. Widerstand aus den entsprechenden Ländern ist zu erwarten. Und sonst? Über die Parteien hinweg und in Bund wie Ländern fremdelt man mit einer Exzellenzprämie als Lohn lediglich für vergangene Leistungen. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hält sich nach außen eher zurück. Der Deutschen Presseagentur sagte sie kürzlich immerhin: Die Verhandlungsrunden seien "auf einem guten Weg".

Details? "Vertraulich, sagte Wanka. Dabei muss die Bildungspolitik Tempo machen. Zum einen läuft der Wettbewerb aus, die Wissenschaftsszene wird ungeduldig. Zum anderen: 400 Millionen Euro im Jahr will der Bund für die neue Initiative zahlen, 100 Millionen Euro, wenn es bleibt wie bisher, kommen aus den Ländern. Doch angesichts der Flüchtlingskosten - von Integration bis Wohnungsbau - könnten sich, so sorgen sich angeblich einige Wissenschaftsminister, ihre Kollegen im Finanzressorts alles noch mal überlegen.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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