Bildungspolitik:Unterm Strich

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Die Jamaika-Sondierer wollen künftig deutlich mehr Geld für Bildung ausgeben. Im internationalen Vergleich zeigt sich Deutschland bisher eher knauserig.

Von Paul Munzinger, München

Das Papier, das die Jamaika-Sondierungsgespräche zum Thema Bildung erbracht haben, ist kaum mehr als eine Seite lang, aber immerhin: Es ist ein erstes Zwischenergebnis - und damit deutlich mehr, als CDU, CSU, FDP und Grüne in anderen Bereichen bisher erreicht haben. "Rahmenbedingungen für optimale Lehr- und Lernbedingungen" wolle man schaffen, heißt es dort. Das lebensbegleitende Lernen wolle man fördern, einen Pakt zur Stärkung der beruflichen Bildung auf den Weg bringen, die Hochschulen stärken, das Bafög modernisieren. Das Kooperationsverbot, einer der größten Streitpunkte zwischen den Unionsparteien auf der einen Seite sowie FDP und Grünen auf der anderen? "Über die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen muss noch gesprochen werden."

So weit, so vage. Eine Zahl aber ragt heraus aus diesen Willensbekunden und Allgemeinplätzen: Mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) will die mögliche kommende Regierung für Bildung und Forschung aufwenden, gesamtstaatlich, bis zum Jahr 2025. 3,5 Prozent davon sollen in die Forschung fließen.

Das wäre deutlich mehr als bisher. Im Jahr 2014, das ist der aktuellste verfügbare Wert, investierte Deutschland 9,1 Prozent des BIP in Bildung und Forschung, genau 265,5 Milliarden Euro. Ein Prozent mehr, das würde also ein Plus von etwa 25 Milliarden Euro bedeuten - und einen Sprung für das deutsche Bildungssystem, das im internationalen Vergleich "eher unterfinanziert" ist, wie Matthias Rumpf, Sprecher der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), sagt. Blickt man auf das Verhältnis der Ausgaben für Bildungseinrichtungen zum BIP, dann liegt Deutschland deutlich unter dem OECD- und dem EU-Schnitt; Staaten wie Großbritannien, die skandinavischen Länder, aber auch Chile, Mexiko oder die Türkei investieren deutlich mehr.

Allerdings ist das BIP als Vergleichswert nur bedingt aussagekräftig. In der vergleichsweise alten deutschen Gesellschaft verteilen sich die Bildungsausgaben auf weniger Menschen als anderswo. Was die Pro-Kopf-Ausgaben angeht, steht Deutschland dann auch deutlich besser da: über dem Schnitt, aber immer noch deutlich hinter Ländern wie der Schweiz oder Luxemburg. Auch die Pro-Kopf-Angaben aber, sagt Rumpf, zeigten deutlich zwei Bereiche, in denen Deutschland zu wenig investiere und unter den OECD-Schnitt zurückfalle: zum einen die Hochschulen, wo die Investitionen mit der in den letzten Jahren massiv gestiegenen Studentenzahl nicht Schritt gehalten hätten. Und zum anderen den Grundschulbereich, wo staatliche Investitionen besonders sinnvoll wären. Die Chancen, ungleiche soziale Bildungsvoraussetzungen auszugleichen, seien hier am größten.

Ein Prozent mehr, "das wäre schon eine Hausnummer", sagt Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Doch das Geld müsse nachhaltig eingesetzt werden. Meidinger sieht vor allem zwei Bereiche, wo Investitionen des Bundes nötig seien. Zum einen die Digitalisierung, die die neue Regierung "auf stabile Füße" stellen müsse - heißt konkret: Es genüge nicht, jeder Klasse neue Computer zu spendieren, der Effekt wäre nach drei Jahren verpufft. Stattdessen müsse etwa auch in pädagogische Software investiert werden. Zum anderen fordert Meidinger ein Sanierungs- und Neubauprogramm für Schulen, das die Mittel nicht "mit der Gießkanne" verteile, sondern gezielt dort einsetze, wo der Bedarf am größten sei. Einer Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zufolge fehlen für die Modernisierung von Schulgebäuden etwa 34 Milliarden Euro.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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