16-Jährige lehrt an Hochschule:Uni statt Klavierstunden

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Auf dem Flur wird sie ab und an noch für eine Studentin gehalten, bei ihrer ersten Vorlesung war der Hörsaal voll. Carina Lämmle ist mit ihren 16 Jahren noch Schülerin, doziert aber nebenher Massenspektrometrie an der Hochschule Biberach. Was sie selbst später studieren will, weiß sie übrigens noch nicht.

Roman Deininger

Ein "klein wenig unfair", sagt Carina Lämmle, sei das alles ja schon. Dass sie jetzt zwar ganz offiziell Dozentin ist an der Hochschule Biberach. Dass sie aber, im Gegensatz zu ihren Studenten, noch nicht mit dem Auto in die Vorlesung fahren darf. Oder nachher in die Disco gehen.

Mit ihren 16 Jahren ist Carina Lämmle die wahrscheinlich jüngste Hochschuldozentin in Deutschland. (Foto: privat)

Auf den Fluren der Hochschule wird sie ab und an für eine Studentin gehalten. Das könnte daran liegen, schätzt sie, dass sie ein bisschen älter aussieht, als sie ist. In Wahrheit ist Carina Lämmle 16, und sie hat noch eine Art Hauptberuf: Schülerin am Biberacher Pestalozzi-Gymnasium. 11. Klasse, eineinhalb Jahre bis zum Abitur.

Als sie ihre erste Vorlesung hielt, war der Hörsaal voll. Da waren die Studenten, die mussten natürlich kommen: siebtes Semester Pharmazeutische Biotechnologie, kurz vor dem Bachelor. Da waren aber auch viele andere Lehrbeauftragte, die sich die neue Kollegin mal aus der Nähe anschauen wollten. Und die noch nicht ganz glauben konnten, was ihnen Professor Chrystelle Mavoungou über ihre neue Mitarbeiterin erzählt hatte: Die junge Dame sei eine "geborene Naturwissenschaftlerin", nicht nur "fachlich geeignet", "sondern auch pädagogisch". Genau so, sagt Mavoungou heute, habe sich das ja dann alles bestätigt: "Frau Lämmle ist jemand, die sich auch mal durchsetzen kann bei unruhigen Studenten."

Frau Lämmle aus Oberschwaben hat sich also durchgesetzt, sie ist jetzt die wahrscheinlich jüngste Hochschuldozentin in Deutschland. Schon in den ersten Jahren am Gymnasium hatte sie sich für Bio, Physik und Chemie erwärmen können - ohne dafür, das ist ihr wichtig, Turnen, Tennis und Klavier zu vernachlässigen. Sie gewann Preise bei Wissenschaftswettbewerben und bekam einen Förderplatz am Schülerforschungszentrum im nahen Bad Saulgau. Und entdeckte dort ihre Leidenschaft für eine Disziplin, die andere nicht mal unfallfrei aussprechen können: die Massenspektrometrie.

Wer wirklich noch Zweifel haben sollte an den didaktischen Qualitäten der Carina Lämmle, sollte sich ein Massenspektrometer einfach mal von ihr erklären lassen: "Im Endeffekt ist das eine große Kiste, die mächtig Lärm macht, wenn sie an ist." Mit Hilfe der Kiste könne man chemische Substanzen in ihre einzelnen Bestandteile zerlegen, "sehr vereinfacht gesagt".

Bei einer Führung durch die Hochschule Biberach fiel ihr auf, dass die große Kiste dort überhaupt keinen Lärm machte. "Abschaltung tut den Vakuumpumpen gar nicht gut", ließ sie den Dekan wissen, und "ganz generell" könne man doch ein 500.000 Euro teueres Gerät nicht einfach so verstauben lassen. Der Dekan erklärte ihr, dass der zuständige Mitarbeiter die Hochschule leider verlassen habe - und man seit Monaten vergeblich nach qualifiziertem Ersatz suche.

Beim ersten Gespräch mit der unverhofften Interessentin, erzählt Professor Mavoungou, habe sie fast nur zugehört und doch die ganze Zeit den Mund offen gehabt. Bis zum Abitur will Carina Lämmle nun an Mavoungous Lehrstuhl arbeiten: "Was ich dann studiere, weiß ich aber noch nicht. Ich kann mich für einiges begeistern." Mavoungou sagt: "Ich werde mit allen Kräften um Frau Lämmle werben."

© SZ vom 27.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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