Zweifel an Volksbefragungen:Mitreden, aber wie?

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Studiengebühren, dritte Startbahn, Donauausbau: Per Volksbefragung will Ministerpräsident Seehofer die Bayern bei wichtigen Fragen mitreden lassen. Die Idee scheint einfach - die Frage ist nur, ob die Verfassung das auch erlaubt.

Von Frank Müller, München

Ministerpräsident Horst Seehofer will das Volk häufiger zu Wort kommen lassen - die Frage ist nur, ob ihm die Verfassung das auch erlaubt. Das wurde am Donnerstag im Landtag bei einem geballten Auftritt von sechs Juristen im Rechtsausschuss des Landtags deutlich. Zwar sprach sich auch Gremiumschef Franz Schindler (SPD) mit einigem Pathos für mehr Bürgermitsprache aus, wie sie auch die SPD vorschlägt: "Wir wollen mit unserem Vorschlag mit Verlaub mehr Demokratie wagen." Doch die Details blieben unter den Rechtsexperten ebenso umstritten wie unter den Abgeordneten.

Dabei hatte es so einfach geklungen, was Seehofer nach seiner Wiederwahl vor einem Jahr verkündet hatte. Mit neuen "Volksbefragungen" wollte der Regierungschef eine von ihm ausgemachte Lücke bei der Bürgermitsprache schließen. Die Bayern haben zwar eine lange Tradition bei Volksentscheiden. Jedoch: Sie dürfen damit bislang nur über Gesetze befinden, wie etwa bei der Abschaffung der Studiengebühren. Wenn es aber um große Bauprojekte geht - den Ausbau der Donau, die dritte Startbahn am Münchner Flughafen - gibt es bislang kein Instrument. Die Lücke will Seehofer durch Volksbefragungen schließen, die juristisch zwar nicht verbindlich, aber dennoch von großem Gewicht sein sollen. Das sieht auch er pathetisch. Der Freistaat werde durch sie zum "modernsten Bürgerstaat des 21. Jahrhunderts".

Doch bei den Rechtsexperten gibt es gleich ein ganzes Bündel von Bedenken: Wird der Landtag in seinen Rechten beschnitten, wenn Seehofer in seiner oft beschworenen "Koalition mit der Bevölkerung" alles außerparlamentarisch regelt? Dient das neue Instrument nur der Regierung und schadet der Opposition? Das sind Fragen, die am Ende Seehofers Plan durchaus zu Fall bringen könnten - wenn, was absehbar ist, das Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof landet.

Denn die CSU hat mit ihrem Gesetzentwurf die Opposition erheblich provoziert: Sie will, dass nur Staatsregierung und Landtagsmehrheit gemeinsam eine solche Befragung starten können, also bis auf weiteres nur die CSU. Und sie will genau dies mit ihrer einfachen CSU-Mehrheit im Landtag beschließen und nicht etwa mit einer möglicherweise nötigen Zweidrittel-Mehrheit durch eine Verfassungsänderung. Die Opposition machte zwei Gegenentwürfe: Die SPD verlangt, dass schon ein Fünftel der Abgeordneten genügen soll für die Einleitung. Die Freien Wähler gehen noch weiter, und wollen auch das Volk selbst dazu ermächtigen - ganz ähnlich wie beim herkömmlichen Volksbegehren.

Im Ausschuss gab es dazu ein munteres dreistündiges Juraseminar. Drei der sechs Experten - die Professoren Martin Burgi (München), Kyrill-Alexander Schwarz (Würzburg) und Bernd Grzeszick (Heidelberg) - stützten eher die Position der Staatsregierung. Zwar werde mit der Volksbefragung "wirklich völliges Neuland betreten", sagte Burgi. Es sei aber davon auszugehen, dass Seehofers Plan vor dem Verfassungsgerichtshof bestehen könne.

Ganz anders werteten das die Rechtsprofessoren Josef Franz Lindner (Augsburg), Hermann Heußner (Osnabrück) und das Mitglied des Verfassungsgerichtshofs Klaus Hahnzog aus München. "Hier werden die Rechte der Opposition massiv entwertet", sagte Heußner. Selbst die SPD-Variante, auch einem Fünftel der Abgeordneten das Recht zur Initiative zu geben, sei bedenklich, meinte er. "Ein Fünftel würde die SPD jetzt gerade noch erreichen", sagte er - Freie Wähler und Grüne lägen dagegen schon unter der Marke.

Noch ist das Gesetz nicht beschlossen - Seehofer wirkte zuletzt schon weniger euphorisch bei dem Thema. Seine CSU hatte es ohnehin nur vorangetrieben, weil es der Ministerpräsident so wollte. Im Ausschuss am Donnerstag gaben sich die CSU-Abgeordneten dann eher desinteressiert. Die Opposition erheiterte sich dagegen an einem Zitat von Burgi über die Unterschiede von Gesetzgebung und Regierungshandeln. Letzteres sei "spontaner, es kann auch sprunghafter sein".

© SZ vom 17.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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