Zeugnis für Eberhard Sinner:Still und fleißig

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Staatskanzleichef Eberhard Sinner agiert meist nur im Hintergrund. Deshalb kennen ihn auch bloß wenige Bürger.

Kassian Stroh

Einmal die Woche hat Eberhard Sinner seinen großen Auftritt. Donnerstagabend, kurz vor neun, ist er der Schlussgag von "Quer", einer der beliebtesten Sendungen des Bayerischen Fernsehens. Zu sehen ist er nie, das ist immer nur sein Chef, der Ministerpräsident, der Sinner einen Befehl zubellt.

Gehört laut Umfragen zu den kaum bekannten Politikern: Eberhard Sinner. (Foto: Foto: AP)

Das war zu Edmund Stoibers Zeiten so, das ist bei Günther Beckstein so. Und es trifft Sinners Arbeit ziemlich gut: Kein Kabinettsmitglied wirkt derart im Verborgenen. Stünde es nicht auf seinen Visitenkarten, man wüsste es nicht: Eberhard Sinner ist der Chef der Staatskanzlei.

Dabei ist das einer der wichtigsten Posten im Kabinett: Sinner ist der Koordinator der Regierung, er vermittelt zwischen den Ressorts, er stimmt die Kabinettsvorlagen ab, er ist zuständig für den Kontakt zur CSU-Parteizentrale wie zur Landtagsfraktion. Er nimmt an Runden mit einem handverlesenen Teilnehmerkreis teil: an der montäglichen Telefonschalte der Unionsspitzen inklusive der Bundeskanzlerin zum Beispiel. Oder an der Fünferrunde, die derzeit jede Woche den Wahlkampf bespricht: Ministerpräsident, Parteichef, Generalsekretärin, Fraktionsvorsitzender - und eben Sinner.

Dass sein Wirken für die Öffentlichkeit meist im Dunkel bleibt - was sich etwa darin ausdrückt, dass er laut Umfragen zu den unbekanntesten CSU-Politikern im Lande zählt -, würde Sinner nicht stören. Wäre es denn erfolgreich.

Doch genau da setzt die Kritik an ihm an: Die Koordination von Regierung und Fraktion hat im vergangenen Jahr nicht immer gut funktioniert, wie sich zum Beispiel am Rauchverbot zeigte, die Abstimmung mit der Parteizentrale auch nicht. Frühwarnsystem und Ausputzer sollte Sinner eigentlich auch sein - doch während der von der damaligen Fürther Landrätin Gabriele Pauli ausgelösten Stoiber-Krise versagte beides völlig.

Eilig versuchte Sinner den Schwelbrand auszutreten, doch am Ende stand Stoibers Rücktritt. Seine Kritiker sagen, dass es ihm an strategischem Denken mangele. Dass er fleißig ist, gestehen ihm alle zu. Manchmal zu fleißig: So saß er im vergangenen Jahr einmal mit mehr als 40 Grad Fieber in einer Kabinettssitzung, bis die Kollegen den Notarzt alarmierten. Den Kabinettsposten sicherte ihm nicht zuletzt die Tatsache, dass die unterfränkische CSU keinen anderen ministrablen Kandidaten aufzubieten hatte. Ob das diesmal reichen wird, ist fraglich.

(Foto: Grafik: SZ)

Nach der letzten Wahl wurde Sinner zunächst Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten. Zuvor hatte er durchaus erfolgreich das Verbraucherschutzministerium aufgebaut, welches Stoiber aber nach nur zwei Jahren wieder auflöste und dem Umweltministerium zuschlug.

Schon als Europaminister blieb Sinner politisch blass - die wichtigen Dinge erledigte Stoiber selbst, und Sinner verschwand irgendwo über den Wolken zwischen Brüssel, Berlin und München. 2005 - Stoiber hatte soeben seinen Wechsel nach Berlin samt Rückkehr hinter sich - wurde er Staatskanzleichef als Nachfolger Erwin Hubers, der aus Stoibers Umkreis in das Wirtschaftsministerium entfloh. Vorrangig sollte Sinner da vor allem das bis dato arg frostige Klima zwischen Regierungszentrale und CSU-Fraktion auftauen - was ihm auch gelang.

Doch neben atmosphärischen Verbesserungen, zu denen auch beitrug, dass sich Sinner um jedes Anliegen kümmerte, welches die CSU-Abgeordneten ihm ans Herz legten, gelang es ihm nie, eine eigene politische Handschrift zu entwickeln.

Was für ein Unterschied: Hier Huber, der Super-Reformminister, der zwischen 2003 und 2005 eine weitreichende Verwaltungsreform durchdrückte und tief in die Ministerien hineinregierte. Da Sinner, der Stille, der allenfalls noch die letzten Reste jener Reformen abwickelte und dessen Bemühungen um den Bürokratieabbau sich großteils darauf beschränkten, die zentrale Datenbank "Bayern-Recht" aufzubauen.

Als Beckstein Ministerpräsident wurde, war Sinner auch als neuer Umweltminister im Gespräch. Er musste dann aber in der Staatskanzlei bleiben, da Markus Söder das Angebot ausschlug, Leiter der Staatskanzlei zu werden - ihm hätte Beckstein nur den Rang eines Staatssekretärs zugebilligt. So blieb Sinners Schicksal, dass er keine eigene Politik betreiben darf - sieht man von der kleinen Spielwiese der Medienpolitik ab, die ihm die "Verordnung über die Geschäftsverteilung der Bayerischen Staatsregierung" lässt. Wie soll man da schon bekannt werden?

So erinnert sich der Karikaturist Dieter Hanitzsch, wie er vor einem guten Jahr eine Zeichnung anfertigte, auf der auch Sinner abgebildet war. Die Reaktion der Zeitungsredaktion kam prompt: Nur druckbar, wenn irgendwo der Name Eberhard Sinner auftauche. Sonst wisse niemand, wer gemeint ist.

© SZ vom 13.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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