Wellness im Oberland:Feuer, Wasser, Erde und viel heiße Luft

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Nach dem Ende des Alpamare will Bad Tölz für mehr als elf Millionen Euro in städtischer Regie eine luxuriöse Therme bauen. Das finanzielle Risiko ist groß, denn in der Region ist inzwischen starke Konkurrenz gewachsen

Von Matthias Köpf, Bad Tölz

Manche haben die Siebzigerjahren vor allem in Braun und Orange in Erinnerung, doch in Bad Tölz waren die Zeiten damals eher golden. Die Kurgäste kamen in Massen und blieben gleich mehrere Wochen, und das Alpamare als erstes Spaßbad Europas lockte die Menschen aus halb Bayern busweise in den Stadtteil, den die Tölzer selbst sächlich "das Badeteil" nennen. Doch über die chlorwasserblaue Badelandschaft hatte sich in den Kindheitserinnerungen vieler früherer Gäste längst ein sepiafarbener Vergangenheitston gelegt, noch ehe das Alpamare in diesem Sommer endgültig geschlossen hat. Die Stadt stemmt sich nun mit neuen Gesundheitsangeboten und Wellness-Plänen gegen ihren langsamen Niedergang als Badeort. Mehr als elf Millionen Euro sollen in ein Spa namens "Natura Tölz" fließen, und mindestens dessen Feuer-Sauna soll dann auch wieder in frischem Gold erstrahlen.

Dass ohne neue Angebote zwar vielleicht die Zahl der Gästeankünfte steigt, aber zugleich die Zahl der Übernachtungen sinkt, registrieren sie in der Tölzer Kurdirektion nicht erst seit der vergangenen Saison, in der die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste auf 4,3 Tage gesunken ist - kein Vergleich zur alten Kur bis Mitte der Neunzigerjahre, die nach Ansicht der Krankenkassen oft genug eine Art Sommerfrische auf ihre Kosten war. In Tölz steigen inzwischen viele Tagestouristen unten an der Isar aus dem Auto, schlendern einmal die sauber herausgeputzte Marktstraße hinauf und wieder herunter, Essen vielleicht ein Stück Kuchen, machen ein Foto vor dem Winzerer-Denkmal und erinnern sich dann beim Einsteigen ins Auto daran, dass im "Bullen von Tölz" im Fernsehen eigentlich vieles ein bisschen anders ausgesehen hat. Für den Bullen ist Kurdirektorin Brita Hohenreiter trotzdem dankbar, denn er ist immer noch der beste Werbeträger für die Stadt. Damit aber die Gäste auch wieder ein bisschen länger bleiben und ausgiebigere Aufenthalte in Hotels und Ferienwohnungen buchen, setzt nun auch Bad Tölz auf Wellness. Doch die Konkurrenz ist groß, und viele andere sind mit ihren neuen Thermen längst am Markt.

In Bad Aibling ist als nächste Erweiterung gerade ein neues "Sauna-Ruhehaus" in Bau

Im 2008 eröffneten "monte mare" im nahen Tegernsee zum Beispiel stehen die Erholungsbedürftigen an manchen Tagen eine halbe Stunde in der Kassenschlange, um endlich Einlass in die Seesauna und das Saunaschiff zu erhalten. Das macht den Nachbarn in Tölz einerseits Mut, zeigt ihnen andererseits aber auch, dass sie mit ihren eigenen Wellness-Plänen sicher nicht zu früh dran sind. Das "monte mare" gehört zur selben privaten Bäderkette wie das 2008 zur "Vitalwelt" mit Therme und Sauna umgebaute Kurzentrum in Schliersee. In Kurorten wie Bad Reichenhall oder Bad Aibling haben die Kommunen in den vergangenen Jahren selbst in große neue Wellness-Thermen investiert. In Bad Aibling ist als nächste Erweiterung gerade ein neues "Sauna-Ruhehaus" in Bau.

Trotzdem zeigen sich die Tölzer Stadträte und ihre österreichischen Projektentwickler überzeugt, dass sie pro Jahr mehr als 120 000 Gäste in die eigenen Themensaunen ziehen können, die nach den fünf chinesischen Elementen Feuer, Wasser, Erde, Metall, Holz und Luft gestaltet und zugleich mit lokalen Zutaten wie Jod, Moor, Eis und heimischen Hölzern angereichert und unverwechselbar gemacht werden sollen. Als Einzugsgebiet betrachten die Planer eine Region, in der 2,7 Millionen Menschen leben. Doch nicht nur die darin eingeschlossenen 1,4 Millionen Münchner werden die Tölzer sich mit der Konkurrenz teilen müssen. Eine sicherheitshalber hinzugezogene zweite Beraterin schätzt die Chancen ohnehin nicht ganz so optimistisch ein. Ihrer Ansicht nach dürfen die Tölzer für ihre Therme mit 106 000 Gästen pro Jahr rechnen, die aus einem Einzugsgebiet mit 1,9 Millionen Menschen kommen. Beide Büros nehmen ohnehin an, das um die 60 000 Saunagäste pro Jahr direkt aus Tölz und Umgebung stammen werden.

Im Alpamare durfte laut gelacht werden. Im neuen Spa wird es eher gedämpft zugehen

Insgesamt ist der inzwischen so hart umkämpfte Wellness-Markt aber auch auf der Nachfrage-Seite groß. Die amtliche Statistik für 2014 verzeichnet für ganz Bayern 32,5 Millionen Gästeankünfte und 85,2 Millionen Übernachtungen. Die Marktforschungsgesellschaft GfK hat im Auftrag der landesweiten Tourismus-Werber die Motive dieser Gäste untersucht. Demnach geben immerhin acht Prozent aller Reisenden das Thema Wellness als wichtigsten Anlass für ihre Reise an. Zu den tatsächlichen Aktivitäten gibt es nur Zahlen von Bayern-Urlauber aus den anderen Bundesländern. Von ihnen haben im vergangenen Jahr 14 Prozent Wellness-Angebote genutzt. Für die kommenden drei Jahre zeigen rund 13 Prozent Interesse an einer klassischen Kur, 14 Prozent an einem medizinisch orientierten Gesundheitsurlaub und knapp 18 Prozent an Wellness-Urlaub. Eine Bade- und Saunalandschaft am Urlaubsort betrachten die allermeisten Wellness-Gäste schlicht als Pflicht.

Dass Bad Tölz bei dem jedenfalls nicht Trendsetter ist, hat auch mit dem alten Alpamare zu tun. Das Spaßbad hatte zu seinen besten Zeiten eine halbe Million Gäste pro Jahr. Zuletzt waren es immerhin auch noch um die 200 000, was nach Ansicht des Betreiberunternehmens Jodquellen AG aber weitere Investitionen auf dem mittlerweile recht beengten Gelände mitten im Badeteil nicht gelohnt hätte. Diese Jodquellen AG ist mehrheitlich im Besitz der Familie Hoefter, deren Senior das Spaßbad-Konzept 1970 aus den USA nach Bad Tölz importiert hat. Die Stadt hält den weitaus kleineren Anteil der Aktien und hat im operativen Geschäft nichts zu melden. Ihr Vorschlag, auf einem Teil des Alpamare-Geländes ein Wellness-Bad in städtischer Regie zu errichten, scheiterte vor Jahren an den unterschiedlichen Preisvorstellungen für das Grundstück. Während sich die Jodquellen AG immer mehr vom Kur- und Tourismusunternehmen zum reinen Bauträger wandelt und längst auch das Hotel Jodquellenhof direkt neben dem Alpamare dichtgemacht hat, will die Stadt neben ihrem neuen Wellness-Bad auch zwei neue Hotels bauen lassen. Bei all dem ist gewiss, wer künftig kaum mehr zur Zielgruppe zählt: Kindheitserinnerungen wir es an "Natura Tölz" dereinst nicht viele geben.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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