Einbrecher von Missionar überwältigt:"Und am Hals hab' ich ihn erwischt"

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"Ich bin nicht besonders groß, aber ich habe einen festen Griff": Andreas Thorwarth, wehrhafter Pater aus Bamberg. (Foto: SZ)

Sonntagabend, halb zehn. Pater Andreas sitzt am Schreibtisch, als es klingelt. Wer kommt so spät? Ein fremder Mann, mit einer Pistole. Der Geistliche aus Bamberg schickt ein Stoßgebet zum Himmel - und nimmt sein Schicksal in die Hand.

Von Olaf Przybilla, Bamberg

Andreas Thorwarth, 77, ist Pater bei den Comboni-Missionaren und hat gemeinsam mit zwei Ordensschwestern einen Einbrecher zur Strecke gebracht. Ein Gespräch über Gottvertrauen, die Vorzüge eines festen Griffs und die heilige Rosa.

SZ: Pater Andreas, was ist Ihnen denn widerfahren?

Pater Andreas: Ich lebe hier in Bamberg in einer Etagenwohnung. Vor zehn Monaten sind wir Comboni-Missionare aus unserem alten Haus in Bamberg weggezogen, meine Mitbrüder haben eine neue Aufgabe in Nürnberg bekommen. Ich bin also als Einziger hier geblieben, um noch die Übergabe des Hauses zu begleiten. Stellen Sie sich vor: Es ist Sonntagabend, ich sitze noch am Schreibtisch, weil ich einen Ausflug der Mitbrüder nach Waldsassen vorbereiten muss. Und gegen halb zehn läutet es.

Der da kam, hat bei Ihnen geläutet?

Nicht in höflicher Absicht, aber das konnt' ich ja nicht wissen. Ich dacht' mir noch: Ja, wer kommt zu dieser Stunde noch daher? Und der hat auch so wild geläutet. Ich hab' mir überlegt: Wer von uns mich wohl am Sonntagabend noch besuchen will?

Was meinen Sie mit "von uns"?

Na, einer von den Mitbrüdern vielleicht, zum Beispiel der Roberto aus Afrika, der arbeitet hier noch in der Diözese. Auf jeden Fall drück' ich auf den Aufmacherknopf. Der Mann kommt die Treppe runter, ich frag' ihn: Was wollen Sie denn?

Hat der Mann geantwortet?

Ja genau, er sagt, er habe Hunger, ob ich ihm nicht etwas geben könne, Brot oder was. Ich antworte, dass ich allein bin und höchstens ein paar Kekse im Haus habe. Er sagt, er kenne uns Missionare von Nürnberg her, sei dort schon öfters bei uns im Haus gewesen. Also hab' ich mir gedacht: Ich schau mal. Nur ist mir der dann in die Wohnung gefolgt. Und hat gefragt, ob er aufs Klo darf. Ich war schon widerwillig.

Aber man sagt halt nichts.

Ja eben. Eine Minute später steht er im Büro mit vorgehaltener Pistole, die sah für mich ziemlich echt aus. Mir ist vor Schreck fast schlecht geworden. Ich soll auf dem Bürostuhl Platz nehmen, er reißt die Kabel raus und bindet mich mit einem Klebeband fest. Mit dem Zeug, mit dem man Pakete verpackt. Das läuft hier ab wie im Fernsehen, hab' ich mir gedacht. Er macht noch die Rollos runter und fängt dann an: "Geld, Geld, Geld, wo ist das Geld?"

Da hätte man dann gern was im Haus.

Ja, aber ich hab' ihm gesagt, dass ich alleine zurückgeblieben bin und kein Geld hab'. Also reißt er alle Schubladen auf. In der einen hat er sogar was gefunden, von meiner letzen Reise ins Heilige Land. Ich musste ihm mit dem Stuhl durch alle Räume folgen, er durchwühlte alles. Am Ende meiner Wohnung ist ein Abstellraum, da wollt' er mich dann reinsperren. Das war der Moment, in dem ich gedacht habe: Jetzt ist es aus, da findet dich keiner. Ich hatte ein Riesenglück: Der Stuhl mit mir oben drauf hat in die Kammer nicht reingepasst.

Puh.

Da wär ich nie wieder rausgekommen. Ich hab' in dem Moment inne gehalten und innerlich tief zu Gott gebetet, dass ich einen günstigen Moment erwisch'. Und habe auch Gebete gerichtet an meine Heiligen, den heiligen Josef und die heilige Rosa.

Die heilige Rosa?

Die erste Heilige von Südamerika, ich war ja in Peru in der Mission. Immer wenn ich dort wieder hinkomme, besuch' ich die Orte, wo die heilige Rosa von Peru gelebt hat. Kurz darauf bindet der mich los. Ich soll aufstehen und ihm den Inhalt meiner Hosentaschen geben. Schlüssel, Dokumente, alles. Ich steh da und überlege mir noch, was das jetzt alles für mich bedeutet. Und plötzlich, ich weiß auch nicht warum, handle ich wie vom Blitz getroffen.

Was meinen Sie?

Ich bin zur Tür gerannt, rein instinktiv, ohne zu denken, und hab' um Hilfe gerufen. Der Mann rennt mir nach. Es kommt zum Gerangel, er hat mich wohl unterschätzt. Jedenfalls gelingt es mir, ihn auf den Buckel zu werfen, wie man so sagt. Und dann kamen auch schon die Ordensschwestern.

Ungewöhnliche Konstellation.

Ja, die eine Schwester hat den rechten Arm von ihm arretiert, ich den linken. Die andere Schwester hat erst die Polizei gerufen und sich anschließend um die Füße des Mannes gekümmert. Und am Hals hab' ich ihn erwischt. Ich bin vielleicht nicht besonders groß, 1, 66 Meter nur, aber ich habe einen festen Griff. Er ersticke, hat er sich beklagt. Na, so schnell erstickt man schon nicht, hab' ich ihn beruhigt. Nach einer Viertelstunde hat ihn die Polizei abgeholt.

Hört sich fast so an, als hätten Sie Routine in solchen Dingen.

Routine nicht, aber ich war eben in Südamerika. Und hab' da schon Überfälle erlebt. Nicht mit der Pistole, aber mit dem Messer. Über eines haben wir uns damals mit den Schwestern immer verständigt: Einer von uns muss irgendwie raus kommen. Das war wohl noch so in mir drinnen, sozusagen als Grundeinstellung.

Das schweißt Sie drei jetzt zusätzlich zusammen, oder?

Natürlich. Wir waren immer schon beieinander gewesen. Aber jetzt sind wir schon vertrauter noch, kann man schon sagen.

So eine instinktive Flucht: Das nennt man dann wohl Gottvertrauen.

Oh ja. Was mich am meisten berührt, ist diese innere Haltung, die einem da geschenkt wird. Nicht durchzudrehen in so einer Situation. Und dazu die Überzeugung, dass man hier raus muss, unbedingt. Wissen Sie, mein Sprüchlein ist: Glücklich der Mensch, der vor dem Arbeiten denkt. Und vor dem Denken betet. Ich bin da wunderbar geführt worden in diesem Moment.

Ist der Kontakt mit der heiligen Rosa noch enger geworden seither?

Meine Heiligen sind immer da, das sind schon meine Freunde. Das ist eine ganz enge geistige Verbundenheit, ein großes Glück. Ich sage immer: Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.

Wenn Sie ein persönliches Wort an den Mann richten könnten?

Sie meinen: Ob ich Erbarmen hab' ? Mit der Zeit schon, ja. Man denkt sich: Was steckt wohl in ihm drin, dass er so was machen kann? So betrügerisch, so gemein. Er wusste doch offenbar um meine Situation, mein Alter, dass ich hier als einziger Pater unserer Mission bin. Ein armer Mensch wohl.

© SZ vom 11.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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