Warnstreiks:Bayern droht Chaos im Berufsverkehr

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U-Bahnen und Busse in Bayern stehen still: Schüler und Berufspendler müssen mit massiven Einschränkungen rechnen.

M. Hummel, S. Mayr und O. Przybilla

Das geringste Problem, glauben die Streikwilligen von der Gewerkschaft Verdi, dürften noch die Schüler haben. Ein schulfreier Tag außer der Reihe werde ihnen wohl nichts ausmachen, sagt Verdi-Sprecher Hans Sterr. "Unschön" sei aber, dass der am Dienstag anstehende Arbeitskampf im Nahverkehr auch Eltern treffe, wenn sie wegen ihrer Kinder zu Hause bleiben müssten.

Nichts geht mehr im Münchner Untergrund: Warnstreiks legen die U-Bahnen und bayernweit Busse und Straßenbahnen lahm. (Foto: Foto: AP)

Der Landesverband der bayerischen Omnibusunternehmen betont, dass der Schülerverkehr und der öffentliche Personennahverkehr in 2000 bayerischen Kommunen nicht betroffen sei. In Nürnberg und Augsburg stehen die Busse und Straßenbahnen dagegen 24 Stunden lang still - also werden dort viele Schüler nicht zur Schule kommen.

In allen größeren bayerischen Städten bleiben heute und am Mittwoch Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen in ihren Depots. Die Gewerkschaft Verdi hat etwa 15.000 Beschäftigte in 15 bayerischen Städten zu Warnstreiks von zwölf bis 24 Stunden Dauer aufgerufen. Das dürfte den öffentlichen Personennahverkehr weitgehend zum Erliegen bringen.

Nur in München fährt die S-Bahn, weil deren Personal zur Deutschen Bahn gehört. Betroffen sind heute München, Augsburg, der Großraum um das Städtedreieck Nürnberg, Fürth und Erlangen sowie Landshut, Bamberg und Regensburg. Würzburg kommt ungeschoren davon, weil dort die Verkehrsbetriebe einem anderen Tarif angehören.

Streikfrei für viele Schüler

Da viele Schüler am Dienstag nicht zur Schule kommen dürften, haben diverse Behörden bereits reagiert: An Nürnbergs städtischen Schulen soll "kein neuer Stoff durchgenommen" werden, ordnete Schulreferent Klemens Gsell an. Auch Prüfungen hält er für nicht sinnvoll. Vielmehr soll der Tag genutzt werden, um "mit den vorhandenen Schülern Wiederholungen und Vertiefungen" durchzunehmen.

Die Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Schwaben und für die staatlichen Realschulen in Mittelfranken erließen ähnliche Anweisungen. In den vom Streik betroffenen Realschulen werden Prüfungen allerdings nur dann ausfallen, wenn eine "größere Anzahl von Schülern" fehle. Dies liege im Ermessensspielraum der Lehrer.

In Nürnberg sind etwa 19.000 Schüler vom Streik betroffen, in Augsburg sind es 16.500. Sowohl Lehrer als auch Schüler sind grundsätzlich verpflichtet, in die Schule zu kommen. Schüler, für die kein Beförderungsmittel zur Verfügung steht, müssen den Weg freilich nicht zwingend zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen - sie dürfen zu Hause bleiben, die Eltern müssen sie aber abmelden. Die Schüler müssen grundsätzlich kein Taxi nehmen.

Am zweiten Streiktag, also am Mittwoch, sind nach Gewerkschaftsangaben Warnstreiks in Dachau, Aschaffenburg, Hof, Bayreuth, Schweinfurt, Coburg, Bad Kissingen, Passau und Bad Reichenhall vorgesehen. Konkrete Angaben kann der Verdi-Sprecher noch nicht machen, weil einerseits die Planungen noch nicht abgeschlossen seien, andererseits die Beschäftigten die Arbeitskampfmaßnahmen so spät wie möglich bekanntgeben wollen, um den Einsatz privater Busunternehmen zu verhindern.

Im Großraum München reagiert die Bahn auf den Warnstreik mit dem Einsatz von 36 zusätzlichen S-Bahn-Zügen. Von 9 Uhr bis etwa 15.30 Uhr verkehren die Züge zwischen Pasing und Ostbahnhof. Dies bedeutet drei zusätzliche Verbindungen pro Richtung und pro Stunde auf der Stammstrecke. Somit stellt die S-Bahn München rund 36.000 zusätzliche Plätze zur Verfügung und weitet das Angebot erheblich aus.

Der Streik falle deshalb so massiv aus, sagt Verdi-Sprecher Sterr, weil sich bei den Beschäftigten der städtischen Verkehrsbetriebe erheblicher Unmut angestaut habe. Bereits im vergangenen Dezember habe Verdi die Forderungen vorgelegt, jedoch seitdem nichts Konkretes von der Arbeitgeberseite gehört, ausgenommen die "beiläufig geäußerte Bemerkung", dass man sich einen Inflationsausgleich in Höhe von zwei Prozent vorstellen könne.

Es sei also genug Zeit gewesen, um ein Angebot zu unterbreiten, sagt Sterr. Verdi fordert für die Beschäftigen 9,5 Prozent mehr Entgelt, mindestens 250 Euro rückwirkend ab 1. Januar 2009, sowie höhere Zuschläge für Schicht- und Wechselschichtbeschäftigte. "Die Beschäftigten haben es verdient, für gute Leistung auch gutes Geld zu bekommen", erklärt Verdi-Verhandlungsführer Frank Riegler.

Überfüllte Ersatzbusse

"Wir halten die Forderung für nicht angemessen. Wir müssen die Preise erhöhen, um kostendeckend zu sein, das zahlt dann wieder der Fahrgast", sagt der Verhandlungsführer des kommunalen Arbeitgeberverbands und Personalvorstand der Stadtwerke München, Reinhard Büttner. Der Inflationsausgleich sei in Ordnung, und man sei auch bereit, die Schichtzuschläge anzupassen. Verdi hofft, dass die Wucht des Streiks die kommunalen Arbeitgeber dazu bewegen wird, in der nächsten Verhandlungsrunde am Donnerstag ein ordentliches Angebot vorzulegen. Blieben die Arbeitgeber weiter unverbindlich, werde sich der Konflikt verschärfen.

Den Ersatzverkehr für die U-Bahnen, Trambahnen und Busse im Großraum Nürnberg nennt eine Sprecherin der Verkehrsgesellschaft VAG "nur eine Geste", die einen normalen Verkehrsfluss unter keinen Umständen ersetzen könne. Auf den Strecken, auf denen Nachtbusse verkehren, werden in Nürnberg Ersatzbusse im Takt von 30 Minuten eingesetzt. Deren Fahrer werden von privaten Busunternehmen angemietet. Die Busse starten an den jeweiligen Endhaltestellen der Nachtlinien. Je näher sie ins Zentrum gelangen, desto unwahrscheinlicher dürfte es wegen Überfüllung werden, noch einsteigen zu können. In Fürth dürfte die Situation ähnlich heikel wie in Nürnberg werden, in Erlangen etwas entspannter - dort konnten mehr private Busfahrer gewonnen werden.

In Augsburg wird es keinerlei Ersatzverkehr geben. Lediglich die Regionalbusse und Regionalbahnen fahren ihre gewohnten Strecken aus dem Umland ins Stadtzentrum, eine Taktverdichtung kann der Augsburger Verkehrsverbund (AVV) aus Kapazitätsgründen nicht anbieten. Vielmehr erwarten die AVV-Verantwortlichen aufgrund des verstärkten Andrangs überfüllte Fahrzeuge.

Erfahrungen mit früheren Streiks haben gezeigt, dass Berufstätige früher losfahren und Fahrgemeinschaften bilden. Die Augsburger Polizei plant keinerlei Maßnahmen, die mittelfränkischen Kollegen werden an neuralgischen Verkehrspunkten die Schaltung der Ampeln überwachen.

© SZ vom 03.02.2009/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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