Warngau:Politischer Sperrmüll

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Sortenreine Wertstoffe wie Papier sind ein lukratives Geschäft, das Kommunen gerne selbst machen wollen. (Foto: Catherina Hess)

Landkreise lehnen Entwurf für Wertstoffgesetz ab, weil sie höhere Gebühren befürchten

Von Matthias Köpf, Warngau

Auf dem weitläufigen Gelände am Rand eines Gewerbegebiets bei Holzkirchen türmt sich der Müll. Halden von Plastik, Tonnen von Metall, Berge aus Karton - das meiste sortenrein, vieles zu Ballen gepresst und alles zusammen von einem beträchtlichen Marktwert. Die Erlöse aus dem, was die Bürger zuvor in die Wertstoffhöfe der Umgebung getragen haben, möchte das Entsorgungsunternehmen Vivo gern behalten, und mit ihm sein Eigentümer, der Landkreis Miesbach. Deswegen lassen Landrat Wolfgang Rzehak (Grüne) und Vivo-Vorstand Thomas Frey drinnen im Bürogebäude kein gutes Haar an dem Entwurf für ein neues Wertstoffgesetz, den Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) im Herbst vorgelegt hat. Das Thema treibt alle Kreise um, seit ihnen der Bayerische Landkreistag dazu kurz darauf eine Musterresolution zukommen ließ.

Im Detail ist die Angelegenheit selbst für Fachleute wie den Vivo-Vorstand Frey arg unhandlich, aber eines machen er und Rzehak deutlich: Der Gesetzentwurf gehört aus ihrer kommunalen Sicht auf den politischen Sperrmüll. Wieder einmal sollten Gewinne privatisiert und Kosten sozialisiert werden, schimpft Rzehak. Durch unentwegte Lobbyarbeit wollten sich Privatunternehmen die lukrativen Wertstoffe sichern, während die Kommunen auf der teuren Restmüllabfuhr sitzen blieben. Ohne die Erlöse für Kunststoffe, Metall und weiterhin für das gesamte Papier müssten die Müllgebühren in Miesbach um fünf Prozent steigen, warnt Rzehak.

Im Kreis Garmisch-Partenkirchen würde die Müllentsorgung sogar um bis zu 20 Prozent teuerer, hat der dortige Landrat Anton Speer (Freie Wähler) ausrechnen lassen. Sollte der Entwurf Gesetz werden, müssten die "in Bayern bestens bewährten Wertstoffhöfe" schließen, weil dann alles auf die Einführung einer Wertstofftonne hinauslaufe. "Ökologisch ist das nicht", sagt Speer. Denn in einer solchen Tonne würden alle Wertstoffe durcheinander landen - vermutlich vermischt mit einigem Restmüll. Und erfahrungsgemäß würden alle nicht sortenrein erfassten Wertstoffe "oft nur scheinverwertet, also verbrannt". Damit ließe sich auch die im Bundesvergleich sehr hohe bayerische Wiederverwertungsquote nicht mehr halten.

Diese Quote liegt gerade im Oberland besonders hoch. Für Miesbach beziffert sie Thomas Frey auf 81 Prozent der gesamten Müllmenge. Hendricks' erklärtes Ziel liegt bei 72 Prozent nur der Kunststoffe und damit deutlich über dem, was gerade in vielen Städten erreicht wird. Im Bundesschnitt wird derzeit nur ein gutes Drittel allen Plastikmülls wiederverwertet. Dieser Anteil soll höher werden, indem nicht nur Verpackungen abgeholt werden wie im 1991 eingeführten Gelben Sack, sondern auch andere Kunststoffe und Metalle wie ausgediente Spielsachen oder Kochtöpfe.

Statt Unternehmen wie dem Dualen System Deutschland und seinen mittlerweile neun Mitbewerben zusätzlich zu den Verpackungen noch mehr Wertstoffe zu überlassen, wollen die Kreise die Zuständigkeit für die komplette Entsorgung wieder in ihre kommunalen Hände bekommen und dann das Sammeln, Sortieren und Verwerten nach Ausschreibung an eigene oder private Unternehmen vergeben. Diese hingegen fürchten um ihre Geschäftsgrundlage; der Handelsverband warnt vor einem kommunalen Monopol mit steigenden Entsorgungskosten. Unterstützung bekommen die Kommunen vom Bundesrat, der auf Initiative fünf grün-mitregierter Länder einen entsprechenden Beschluss gefasst hat, mit dem sich die Bundesregierung nun befassen muss.

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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