Vogel mit Sender:Kuckis Weltreise

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Kuckuck "Kucki", der vom Bayerischen Landesbund für Vogelschutz mit einem Sender ausgestattet wurde. (Foto: N/A)

Kucki liebt es schwülheiß und drückend: Seit Juni hat ein Kuckuck aus der Oberpfalz einen Sender auf dem Rücken. Sein Weg führt ihn über Sizilien und die Sahara bis nach Angola, wo die Raupen gerade besonders fett sind.

Von Christian Sebald

Das oberpfälzische Kuckuck-Weibchen Kucki liebt es in der Winterzeit so richtig schwülheiß und drückend. Die Luft darf sogar so feucht sein, dass tagelang dichte Nebelschwaden übers Land ziehen. Und es macht dem 120 Gramm leichten, graugefiederten Vogel aus der Gegend von Regensburg überhaupt nichts aus, wenn es aus allen Kübeln regnet. Wichtig ist für Kucki nur, dass sie viele dicke, fette Schmetterlingsraupen fressen kann. Und die findet sie derzeit zur Genüge. Zumindest zeigen das die Flugdaten an, die der winzige Sender auf Kuckis Rücken dieser Tage aus dem Norden von Angola via Satellit nach Bayern schickt. Für Andreas von Lindeiner sind die Daten eine Sensation. "Das haben wir wirklich nicht erwartet, dass unsere bayerischen Kuckucke so weit ins Winterquartier fliegen", sagt der oberste Artenschützer beim Vogelschutzbund LBV. "Aber Kucki lässt es sich in Angola richtig gut gehen."

Kucki ist nicht der einzige bayerische Kuckuck, der dieser Tage aus Zentralafrika sendet. Auch Ruth, Richard, Reinhard, Prinzregent und Niederbayern 1, die wie Kucki allesamt aus der Gegend um Regensburg stammen, übermitteln alle 48 Stunden, wo sie sich in der Äquatorregion aufhalten. Die sechs Kuckucke sind Teil eines groß angelegten Forschungsprojekts. Im Juni 2013 haben Lindeiner und seine Helfer die Vögel in der Region um Regensburg eingefangen und mit Sendern ausgestattet. So wollen sie herausbekommen, was die bayerischen Kuckucke den Winter über in Afrika treiben. "Denn wir wussten bisher nur, dass sie von Ende Juni an dorthin fliegen und Ende April des Folgejahres wieder zurückkehren", sagt Lindeiner. "Ansonsten war alles unklar: ihre Flugrouten genauso wie die Aufenthaltsorte dort und ob sie an einem Standort bleiben oder umherziehen."

Die Flugroute der Kuckucke. (Foto: SZ Graphik)

Das ist erstaunlich. Denn Kuckucke sind in Bayern gar nicht so selten. Zwar ist ihre Zahl in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Aber es gibt nach wie vor ungefähr 11.000 Kuckuck-Reviere im Freistaat. Die Art zählt zu den markantesten heimischen Vögeln. Und zwar nicht nur wegen des Rufs, von dem der Kuckuck seinen Namen hat und mit dem er von Ende April an auf sich aufmerksam macht. Sondern weil er der wohl bekannteste Brutparasit ist. Die Weibchen legen ihre Eier in die Nester kleinerer Singvögel - in die von Rotkehlchen, Zaunkönigen und Bachstelzen zum Beispiel - und lassen diese ihren Nachwuchs aufziehen.

Mit ihrem Forschungsprojekt haben Lindeiner und seine Kollegen schon eine Reihe überraschender Erkenntnisse gewonnen: allein die Flugrouten der Vögel in die Winterquartiere. Von Regensburg in die tropischen Wälder in Nordangola sind es etwa 6200 Kilometer Luftlinie. Die Strecke, die Kucki zurückgelegt hat, ist aber sehr viel länger. "Kuckucke fliegen offenbar sehr gerne Umwege", sagt Lindeiner, "aus welchen Gründen auch immer." So überquerte Kucki erst die Alpen in südwestliche Richtung. Statt aber weiter geradeaus über Korsika und Sardinien übers Mittelmeer nach Afrika zu fliegen, bog sie bei Mailand nach Südosten ab und hielt sich den Apennin entlang. Erst bei Neapel schwenkte der Vogel erneut nach Südwesten ab.

Die Sahara überquerte Kucki nonstop, in 48 Stunden. "Das ist eine ganz erstaunliche Leistung", sagt Lindeiner. "Nicht nur, weil das eine 2000-Kilometer-Strecke ist. Sondern weil die Temperaturen dort tagsüber 40, 50 Grad erreichen." Vor dem anstrengenden Flug tankte Kucki richtig auf. "Sie hat sich in Tunesien Kraftreserven angefressen", sagt Lindeiner. "Und sie ist nachts geflogen. Da ist es viel kühler." In Nigeria drehte der Kuckuck abermals nach Südosten ab, überflog Kamerun, Gabun und den Kongo, bis er den Norden Angolas erreichte. "So tief in Afrika hat man bisher noch keinen bayerischen Kuckuck angetroffen", sagt Lindeiner, und man hört ein wenig Bewunderung in seiner Stimme.

Auf ihren langen Winterflügen drohen den Kuckucken offenbar eher wenig Gefahren - weder von den berüchtigten Jägern in Italien, noch von Greifvögeln. Der Grund dafür ist einfach. "Zugvögel fliegen auf ihren weiten Reisen sehr hoch in der Luft, manche erreichen Flughöhen von bis zu 3000 Metern", sagt Lindeiner. "Denn dort können sie sich von starken Luftströmungen in die gewünschte Richtung treiben lassen." Außerdem sind sie mit einem Tempo von bis zu 90 Kilometern pro Stunde unterwegs. Der angenehme Nebeneffekt solcher Flughöhen und Geschwindigkeiten: Die Tiere sind für Feinde praktisch unerreichbar - für menschliche genauso wie für tierische.

In den Winterquartieren selbst gehen freilich immer wieder welche zugrunde. Auch das Kuckucksprojekt musste in Zentralafrika Federn lassen: Zu einem Vogel ist der Kontakt abgebrochen. "Dass er zu wenig zum Fressen gefunden hat, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen." Schließlich sind die tropischen Wälder mit ihrem unermesslichen Reichtum an Schmetterlingsraupen ein Schlaraffenland für die bayerischen Kuckucke. Das verschollene Tier hatte seinen Namen von einem Weihnachtsgebäck-Hersteller, der das Forschungsprojekt sponsert. Der Kuckuck hieß "Lebkuchen Schmidt". Lindeiner ist sich sicher: "Den hat's zerbröselt."

© SZ vom 24.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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