Verkehrspolitik in Bayern:CSU macht auf nachhaltig

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  • Der Verzicht auf die B 15 neu ist der zweite spektakuläre Rückzieher der Staatsregierung. Vor gut zwei Jahren erteilte Ministerpräsident Seehofer dem Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen eine Absage.
  • Dabei dürften es nicht nur die Proteste gewesen sein, die das Kabinett zum Umdenken gebracht haben.
  • Beide Projekte wären sehr teuer gewesen: Der Donauausbau hätte wenigstens 320 Millionen Euro verschlungen, für die B 15 neu wären im Bereich der Isar um die 20 Millionen Euro pro Straßenkilometer fällig geworden.

Von Frank Müller, Christian Sebald und Wolfgang Wittl, München

Man kann sich die Gesichter vorstellen: Mit einem Dutzend Aktenordner im Arm kreuzten die Befürworter der B 15 neu am Montag stolz bei Innenminister Joachim Herrmann auf. Mehr als 33 000 Unterschriften hatten sie für den Weiterbau der autobahnähnlichen Fernstraße zwischen Landshut und Rosenheim gesammelt. Herrmann habe die Listen dankend angenommen. Im Grunde hätte er sie seinen Gästen gleich wieder mitgeben können. Herrmann eröffnete seinen Besuchern nämlich, dass der Ministerrat das umstrittene Vorhaben Minuten zuvor stillgelegt hatte - auf seine Initiative hin.

Die Terminkollision mag ein unglücklicher Zufall gewesen sein. Sie zeigt aber auch, welch schweren Stand die Befürworter großer Infrastrukturprojekte in Bayern mittlerweile haben. Der Verzicht auf die B 15 neu ist der zweite spektakuläre Rückzieher der Staatsregierung in Folge bei so einem Vorhaben. Vor ziemlich genau zwei Jahren erteilte Ministerpräsident Horst Seehofer dem Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen mit Staustufe und Kanal seine Absage.

Beide Projekte ähnelten sich sehr - nicht nur, weil sie höchst umstritten waren. Verkehrsplaner und Wirtschaft wollten sie unbedingt durchboxen. Ihr Argument: Nur mit einem Top-Verkehrsnetz bleibe Bayern Top-Wirtschaftsstandort. Die komplett kanalisierte Donau, so die Vision, sollte Teil einer internationalen Wasserstraße zwischen Schwarzem Meer und Nordsee werden, für richtig große Binnenfrachter. Und die B 15 neu, die 130 Kilometer durch Niederbayern nach Oberbayern führen sollte, stellten sie sich als Teil einer neuen Autobahnverbindung von den bayerischen Bergen in den Norden Deutschlands vor - zusätzlich zu A 8 und A 9.

Ursprünglich geplante Trasse der B 15 neu. Quelle: SZ-Grafik (Foto: N/A)

Erwin Huber war für die B 15 neu

In der CSU hatten Planer und Wirtschaft einen treuen Verbündeten. Ex-Parteichef Erwin Huber legte sich noch ins Zeug für die B15 neu, als das Kabinett den Daumen gesenkt hatte. Huber, Chef des Wirtschaftsausschusses im Landtag, wurde von dem Beschluss kalt erwischt. Er hält ihn für "überstürzt, nachteilig, unverständlich". Schonungslos fällt seine Kritik an Herrmann aus: Mit seinen Trassen-Entwürfen habe der die Proteste "geradezu provoziert". Auch Wirtschaftsvertreter nennen den Verzicht "wenig akzeptabel". "Infrastrukturausbau muss möglich bleiben", sagt Bertram Brossardt von der VBW.

Dabei dürften es nicht nur die Proteste gewesen sein, die das Kabinett erneut haben umdenken lassen. Die Argumente der Kritiker solcher Großprojekte sind einfach zu überzeugend. Das gilt nicht nur für das Verkehrsaufkommen. Weder auf der Donau noch der B 15 ist es so stark, dass es die Betonierung der Landschaft rechtfertigen würde. An der Donau wären die letzten freifließenden Flusskilometer des Stroms in Bayern zerstört worden, samt den Biotopen dort.

Auch von Kosten her passen solche Projekte nicht mehr in Zeiten, in denen neue Schulden tabu sind. Der Donauausbau hätte wenigstens 320 Millionen Euro verschlungen. Für die B 15 neu wären im Bereich der Isar um die 20 Millionen Euro pro Straßenkilometer fällig geworden. Derweil bröseln andernorts Brücken vor sich hin, weil das Geld für ihre Sanierung fehlt.

Bei den Umweltschützern keimt nun Hoffnung auf einen grundsätzlichen Sinneswandel in der CSU auf. "Experten sagen ja schon länger, dass das Verkehrsaufkommen am Zenit ist", erklärt der Grünen-Politiker und Vorsitzende des Umweltausschusses im Landtag, Christian Magerl. "Da muss selbst die CSU einsehen, dass es Unfug ist, weitere Millionen für Großprojekte zu verbrennen."

Selbst CSU-Größen waren gegen die B 15 neu

Beim Bund Naturschutz sehen sie ebenfalls Anzeichen, dass die CSU von ihrem "sturen Weiter so" lassen könnte, wie Verbandschef Hubert Weiger sagt. "Zumal Seehofer gesehen hat, welche Sympathien ihm der Erhalt der Donau gebracht hat."

Ausbau der B 15
:Zündstoff aus Asphalt

Der geplante Ausbau der Bundesstraße von Regensburg nach Rosenheim spaltet eine ganze Region. Die B 15 soll zu einer autobahnähnlichen Nord-Süd-Achse mit insgesamt vier Fahrspuren werden. Die Argumente der Gegner und Befürworter im Überblick.

Von Heiner Effern und Wolfgang Wittl

Auch in der Partei selbst mehren sich die Stimmen für einen sorgsameren Umgang mit Natur und Landschaft. So rühmt nicht nur Seehofer gerne die "Einmaligkeit der bayerischen Heimat". Umweltministerin Ulrike Scharf und Staatskanzleichef Marcel Huber haben stets bekundet, dass sie gegen die B 15 neu sind - weil sie die Landschaft schützen wollen. Andere lassen immer offener durchblicken, dass die Zerstörung des Isentals, in das derzeit die A 94 hineinbetoniert wird, hoffentlich der letzte große Naturfrevel in Bayern sei.

Was die neue Marschrichtung der CSU bedeuten könnte

Dazu passt die Stimmung auf der CSU-Klausur in Kreuth. Schon bei der Auffahrt zum Tagungsgelände grüßt ein Transparent, auf dem ein Mädchen einen Baum umarmt. Auf dem nächsten sitzt eine junge Frau im Gras und blickt in ihren Tablet-PC. Die Botschaft: Die CSU macht auf sanft und präsentiert sich als nachhaltig. Neue Straßen sind auf den Großbildern nicht zu sehen. Nur unten an der Zufahrt demonstrieren welche, die die neue Entwicklung offenbar nicht kennen, gegen die B 15 neu.

Derweil stehen Seehofer und seine CSU schon vor der nächsten Entscheidung. Im Sommer urteilt das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich über den Bau der dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Auch bei diesem Großprojekt stehen sich Befürworter und Gegner gegenüber. Die Argumente ähneln denen im Streit um die B 15 neu und die Donau sehr.

Seehofer selbst will bei seiner Marschrichtung bleiben. Nach dem Richterspruch will er mit allen reden, mit Gegnern wie Befürwortern, und dann entscheiden. So habe er es ja auch beim Donauausbau gemacht, sagt er dabei gerne. Manch einer stuft die Worte schon als Absage an die dritte Startbahn ein. Doch dagegen verwahrt sich Seehofer.

© SZ vom 21.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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