US-Stützpunkt Grafenwöhr:Die Angst vor dem Abzug

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Die Amerikaner sind der größte Arbeitgeber in der Gegend um den US-Stützpunkt Grafenwöhr - jetzt droht eine Truppenreduzierung.

Max Hägler

Es war ein rauschendes Fest - wie immer, wenn in der Oberpfalz die Einheimischen mit den stationierten US-Soldaten feiern: 80.000 Menschen flanierten im August am US-Stützpunkt in Grafenwöhr zwischen alten Chevrolets, großen Panzern und einer Achterbahn umher. DJ MCM spielte Hip-Hop und die Stadtkapelle Bierzelt-Klassiker.

Womöglich wird eine hier stationierte Brigade mit mehreren tausend Soldaten den US-Stützpunkt Grafenwöhr verlassen. (Foto: DPA/DPAWEB)

Doch die Fröhlichkeit des Sommers ist vorbei. Denn das US-Militär baut um und muss sparen, womöglich zieht die Armee große Einheiten aus Grafenwöhr ab. Nicht nur das jährliche Deutsch-Amerikanische Volksfest könnte dann ausfallen, sondern vor allem würden viele Jobs wegbrechen. "Es wird Änderungen geben, wir wissen aber noch nicht welche", sagt Frank Zeilmann, Sprecher der US-Armee in Grafenwöhr. "Die Lage ist sehr, sehr ernst", sagt Klaus Lehl, der dortige Betriebsratsvorsitzende. Die bayerische Staatskanzlei will sich zwar nicht offiziell äußern, aber man spricht von einem "sehr unguten Bauchgefühl".

Der europäische Befehlshaber der US-Armee, General Mark Hertling, bestätigte bereits, dass eine von vier Kampfbrigaden aus Europa abgezogen wird - in der Oberpfalz sind zwei davon stationiert: Der traditionsreichste Verband der US-Armee, das Stryker-Regiment, das einst die Zonengrenze sichern sollte und mittlerweile als schnelle Eingreiftruppe arbeitet und als Brigade gezählt wird.

In den vergangenen Jahren wurde auch die 172. Infanteriebrigade mit etwa 5200 Soldaten hier stationiert. Dazu kommen die vielen Trainingsabteilungen auf den mehr als 300 Quadratkilometer großen Übungsplätzen Grafenwöhr und Hohenfels: Bei Manövern arbeiten hier Hubschrauber und Panzer mit Bodentruppen zusammen, vernetzt über Computern.

Das ist militärisch von Bedeutung und eben auch ein harter Standortfaktor. Insgesamt leben in der Region 30.000 US-Bürger: Soldaten, Zivilbeschäftigte und oft auch die Familienangehörigen. Reinigungen in Grafenwöhr werben natürlich mit dem Wort "Dry Cleaners", die Speisekarten sind auch auf Englisch gehalten, und das Sternenbanner ist beinahe öfter gehisst als die bayerische Raute. "Die US-Angehörigen sind wichtige Kunden und dazu kommen die deutschen Zivilbeschäftigten", sagt der Betriebsratsvorsitzende Lehl.

Mit etwa 3000 deutschen Angestellten - Bauarbeitern, Lageristen, Küchenhelfern - sind die USA der größte Arbeitgeber in der strukturschwachen Gegend. Schon in den vergangenen Monaten verlagerte die US-Armee einige hundert Stellen, strich andere ganz. "Das ist die Phase eins, die tut weh, aber das bekommen wir auf die Reihe", sagt Lehl. "Richtig ernst ist, was eben noch folgen könnte und was Ausdruck einer neuen militärischen Ausrichtung wäre."

Im November sprach US-Verteidigungsminister Leon Panetta in der New York Timesdavon, womöglich mehr Truppen aus Europa abzuziehen, um im Gegenzug Standorte in Asien und am Persischen Golf zu stärken. Dazu kommt die angespannte Haushaltslage in den USA. Dort blockieren sich Senat und Repräsentantenhaus, Demokraten und Republikaner.

Ein "Super-Komitee" sollte es richten, scheiterte aber jüngst, und so tritt vom Jahr 2013 an ein Sparautomatismus ein, der etwa das Militärbudget um eine halbe Billion US-Dollar kürzt. Was viele nur am Rande beachten, ist für die Oberpfalz von existentieller Bedeutung. "Ich verfolge die US-Nachrichten natürlich aufmerksam, denn wir hängen an der Weltpolitik", sagt Grafenwöhrs Bürgermeister Helmuth Wächter (SPD) über die US-Haushaltsverhandlungen und die flankierenden Ankündigungen von US-Verteidigungsminister Panetta: Es drohe "die kleinste Truppe am Boden seit 1940", sagte der.

Damit spitzt sich die Lage in Grafenwöhr nochmals zu. Gespannt harrt Wächter der für die kommenden Wochen angekündigten Entscheidung, welche Brigade aus Europa abzieht. "Ich hoffe, der Kelch geht an uns vorüber", sagt Wächter. "Denn ich wüsste nicht, wie wir das auffangen sollen."

Der Bürgermeister hofft, wie alle in Grafenwöhr, dass die US-Armee keinen Standort aufgibt, in den sie, wie in Grafenwöhr passiert, eine Milliarde Euro investiert hat und den selbst US-General Hertling als "Kronjuwel" bezeichnet. Und Wächter verweist darauf, dass die Stadt so viel erduldet habe, den Lärm von Hubschraubern und Granaten, der während des Kalten Krieges schlimm war und auch jetzt noch oft zu hören ist.

Und auch manche Discoschlägereien von GIs und Fehlschüsse wie in diesem Jahr, als Kugeln aus Versehen eine Schule in Grafenwöhr trafen. "Wir wollen jetzt auch ein wenig profitieren", sagt Wächter. Doch ob die Argumente stark genug sind für Grafenwöhr, das weiß niemand so recht, weder am US-Stützpunkt noch im Bürgermeisteramt. Über das Schicksal von Grafenwöhr, das sagen alle, werde ganz oben entschieden: im Pentagon, dem US-Verteidigungsministerium.

© SZ vom 12.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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