Töpfermeister:Harry Potters ominöse Obstschale

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Der 75-jährige Franz Keck arbeitet noch immer in seiner Werkstatt und vertreibt seine Ware in der ganzen Welt. Wie eine seiner Schüsseln als Filmrequisit nach England kam, weiß er allerdings nicht

Von Anna Günther, Wernberg-Köblitz

Im Herrgottswinkel steht ein Bild von Franz Josef Strauß. Mit Trauerflor. Daneben eine Zeichnung. "Der Franz Josef war mal 20 Minuten bei mir in der Werkstatt", sagt Franz Keck. Ein bisschen stolz schwingt immer noch mit. Strauß ist vor 27 Jahren gestorben. Keck hat das Porträt selbst gezeichnet. Fast 40 Jahre ist der Töpfermeister in der CSU, war lange Gemeinderat. "Alfons Goppel und der Heubisch waren auch schon hier", sagt Keck. Wieso kommen die Politiker zum Töpfermeister am Rand von Wernberg-Köblitz? Keck zuckt mit den Schultern. Goppel senior habe einige seiner Töpfereien besessen und offenbar erkundigten sich Besucher, erzählt Keck. Und dann habe das so seinen Lauf genommen.

Seit 60 Jahren ist Keck Töpfer. Er ist einer der letzten Töpfermeister der Region, der seinen Beruf nicht nur als Hobby betreibt. Er verschickt seine Waren bis nach Afrika, kommuniziert über das Internet und Facebook. "Natürlich mache ich das alles selber, man darf doch nicht stehenbleiben", sagt er so selbstverständlich, dass man sich kurz fragt, wer der "digital native" ist. Die Motive zeichnet Keck klassisch - und mailt seinen Kunden dann das gescannte Bild zur Detailabstimmung.

Mit 75 geht Franz Keck noch jeden Tag in die Werkstatt, gießt Krüge und Tassen aus Ton, formt Teller oder Schalen, und er malt. Der Skizzenblock liegt auf dem Küchentisch, auf dem Papier die Werkstattkatze. Keck zeichnet beim Telefonieren, zwischendrin zur Entspannung und fürs Geschäft. Preiselbeeren, Porträts oder Wappen - besonders bei Steinkrügen sei das beliebt, sagt Keck. Die Zinndeckel gießt er im Keller selbst. In den Bolleröfen knackt Holz, es riecht nach feuchtem Ton und Farbe. Überall in der Werkstatt stehen Tonwaren, roh, gebrannt, lasiert, bemalt. Neben unbemalten Osterhasen stehen verzierte Schnupftabakfläschchen und Deko-Kugeln für den Garten. Gearbeitet wird nach Auftragslage. Die Bücher sind voll.

Doch der Keramik-Boom der Achtzigerjahre ist längst vorbei. 30 Mitarbeiter beschäftigte Keck vor gut 30 Jahren in der verwinkelten Werkstatt. Heute töpfern sie zu dritt. Der Geschmack hat sich geändert, die Baumärkte drücken mit Billigprodukten aus Fernost den Preis. Seit drei Jahren wickelt Kecks Mitarbeiterin Gabi Zitzler in dem blauen Haus auch die Post des Ortes ab. Die alte Filiale musste schließen, es fand sich kein neuer Platz, Keck sagte zu. Nicht weil er musste, sagt er. Praktisch ist das Zusatzeinkommen aber schon. Zitzler hat schon bei Keck gelernt, seit einem Jahr gehört beiden die Töpferei.

Eines von Kecks Produkten dürfte die ganze Welt gesehen haben. Wie das kam? Keck zuckt mit den Schultern. Eine getöpferte Obstschale tauchte im ersten "Harry Potter"-Kinofilm (2001) auf. Die Schale stand bei Harrys Verwandten, den Dursleys, im Muggel-Wohnzimmer. Ein Mitarbeiter hatte das Foto vom Set damals im Stern entdeckt. Nachforschungen, wie die Oberpfälzer Töpferei zur Requisite wurde, ergaben nichts. Er habe Geschirr nach England verkauft, aber keine Obstschale, sagt Keck. "Doch es muss meine sein, das Preiselbeeren-Muster habe ich schließlich erfunden." Ein Jahr lang wollten Fans aus aller Welt die Schale haben. Dann blieben die Stammkunden. Seit 45 Jahren malt er mit Majolikafarbe Beeren in rosé und blau auf Teller, Tassen, Kannen und Körbe aus Ton. 30 Minuten braucht Keck für eine Schale - wenn Kitty zwischen den Farbtöpfen herumtapst, auch etwas länger.

Seine Katzen sind die wahren Herren der Werkstatt. In einer Ecke steht der Kratzbaum, auf Stühlen liegen Kissen, am Boden stehen Schälchen mit Futter. Neben dem Ofen schläft Sammy im Körbchen, das jüngere Findelkind Kitty ist da schon umtriebiger. Sie frisst bevorzugt auf der Fensterbank neben den Farbtöpfen. Dass sie die Keramiken umkippen könnte, sieht Keck entspannt. Die Katze trinkt aus dem Wasserkrug, er wartet geduldig und taucht den Pinsel erst ein als sie fertig ist.

An Rente denkt er nach 60 Berufsjahren noch nicht. "Ich kann nicht aufhören, ich wüsste gar nicht, was ich sonst machen soll", sagt Keck. Er schickt ein Stoßgebet zum Himmel. "Wer hat es denn so schön wie ich? Wer kann denn machen, was er möchte?" Man glaubt ihm, und da hat er die Geschichte seiner Kindheit noch gar nicht erzählt. Franz Keck wurde im Böhmerwald geboren, 1946 siedelte die Familie um und kam nach Neunaigen, das heute ein Ortsteil von Wernberg-Köblitz ist. Eines Tages besprach der Lehrer die Erschaffung des Menschen im Alten Testament und Keck versuchte, am Bach auch kleine Figuren aus Lehm zu formen. Er hauchte sie an. Nichts passierte. "Ein bisschen bang war mir da schon", sagt Keck und kichert. Die Faszination für Lehm und Ton blieb. Als der Lehrer erzählte, wie die Chinesen Porzellan herstellen, sei er so fasziniert gewesen, dass es keinen anderen Beruf mehr für ihn gab. Die Lehre beim Porzellanhersteller Bauscher bekam er nicht und machte eine Ausbildung zum Töpfer.

"Bereut habe ich das nie", sagt Keck. Mitte der Sechzigerjahre machte er sich selbständig, baute am Chiemsee seinen Laden auf und verkaufte jedes Wochenende dort seine Waren an Touristen und Ausflügler aus München. Das Geschäft lief gut. Dann riefen ihn seine Eltern 1970 zurück in die Oberpfalz. Einige Kunden konnte er mitnehmen, arbeitete von Anfang an über Versand und Bestellung. Ein Glück, findet er, "bei uns in der Oberpfalz sind die Leute schon etwas anders."

© SZ vom 30.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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