Taxifahrerin in Deggendorf:Grapscher stehen gelassen - Job verloren

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Plötzlich begrapschte sie ein Fahrgast am ganzen Körper: Eine Taxifahrerin aus Deggendorf erlebte in ihrem Wagen einen grässlichen Vorfall. Nur wenige Tage später will derselbe Mann wieder bei ihr einsteigen. Sie lässt ihn stehen - und ist deswegen nun ihren Job los.

Von Wolfgang Wittl, Deggendorf

Im Moment ist alles ein bisschen viel für Manuela Klier, mit einer derartigen Resonanz hatte sie nicht gerechnet. Journalisten, Freunde, Kollegen - alle wollen reden mit der jungen Frau aus Deggendorf. Wie sie sich fühlt, ob man ihr denn helfen kann, und dass sie sich bloß nicht unterkriegen lassen soll. "Es ist einfach der Wahnsinn", sagt Klier. Mehr kann sie gerade nicht erzählen, sie ist schon wieder auf dem Sprung. Schließlich gibt es auch noch ein Leben nach diesem Vorfall. Ein Leben, das sie nun neu ordnen muss.

Es war der Nachmittag des 22. Dezember, als die Taxifahrerin einen offenbar angetrunkenen Mann in ihren Wagen einsteigen ließ. Es dauert nicht lange, bis der Fahrgast zudringlich wird und die 27-Jährige am ganzen Körper zu begrapschen beginnt. Klier, seit sieben Jahren Taxifahrerin, reagiert professionell. Sie fährt erst den Mann nach Hause, nach Schichtende fährt sie dann zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. Als Klier wenige Tage später zu einer Tankstelle gerufen wird, steht erneut dieser Mann an ihrem Taxi. Sie lehnt es ab, ihn mitzunehmen. Stattdessen will sie ihm einen Kollegen schicken.

"Die Frau hat absolut richtig gehandelt", sagt der Polizeichef von Deggendorf. Doch Kliers Chefin sieht das anders. Erst teilt sie ihrer Angestellten die Beurlaubung mit, eine Stunde später folgt die Kündigung. Begründung: Manuela Klier fehle es an Härte, sie sei für den Beruf nicht geeignet. Die Taxiunternehmerin, der selbst schon einmal eine Waffe an den Kopf gehalten worden sein soll, glaubt offenbar, aus Fürsorgepflicht zu handeln. Klier müsse geschützt werden, sagt sie, denn betrunkene Kunden gehörten nun einmal zum Geschäft.

Manuela Klier ringt lange mit sich, ob sie den Vorfall publik machen soll. Sie ist keine Person, die sich gerne in den Vordergrund spielt. Eher spürt sie Verantwortung für andere - vielleicht auch deshalb, weil ihr früher in einem Frauenhaus selbst geholfen wurde. Heute ist sie ehrenamtlich für das Deggendorfer Frauenhaus tätig. Aus diesem Verantwortungsgefühl heraus - allgemein für Frauen und auch, "weil es so nicht geht" - wendet sich die 27-Jährige über Dritte dann doch an die Deggendorfer Zeitung, deren Berichterstattung eine Welle der Empörung und Solidarität auslöst.

Kliers Kollegen sind schockiert, kaum eine Wortmeldung kommt ohne den Begriff "ungeheuerlich" aus. Ein anderer Taxiunternehmer wirft Kliers Arbeitgeberin Charakterlosigkeit vor. Denn negativ aufgefallen ist die junge Frau in ihrem Beruf bislang nicht, im Gegenteil. Sogar ihre Chefin bescheinigt ihr Zuverlässigkeit.

Grundsätzlich unterliegen alle Taxifahrer einer Beförderungspflicht, von der es jedoch Ausnahmen gibt: etwa wenn ein Fahrgast eine ansteckende Krankheit hat, gefährliche Gegenstände mit sich führt oder wenn eine vorhersehbare Gefährdungssituation besteht. "Wenn die Sicherheit nicht gewährleistet ist, darf ein Taxifahrer einen Fahrgast ablehnen", sagt Frank Kuhle vom Landesverband Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmen.

Die Deggendorfer Polizei hegt keinen Zweifel, dass diese Voraussetzung bei Klier erfüllt war. Die Beamten ermitteln wegen "Beleidigung auf sexueller Basis", demnächst geht der Fall an die Staatsanwaltschaft. Taxifahrer seien keine Fußabstreifer und Frauen kein Freiwild, sagt der Polizeichef. Durch die Kündigung werde "ein völlig falsches Signal" an die Bevölkerung gesendet.

Auch Verbandssprecher Kuhle zeigt sich von der Entscheidung der Unternehmerin überrascht, ohne nähere Details zu kennen. Zwar befand sich Manuela Klier noch in der Probezeit, doch ob die Kündigung rechtmäßig ist? Gut 15.000 Menschen in Bayern verdienen ihren Lebensunterhalt als festangestellte Taxifahrer, etwa zehn Prozent von ihnen sind Frauen.

Viele Übergriffe stehen in Zusammenhang mit Alkohol - wie viele es insgesamt sind, dazu gibt es keine offizielle Statistik. Ohnehin gehen die Experten von einer hohen Dunkelziffer aus. Ein zentrales Thema für den Verband der Taxiunternehmer ist daher die Sicherheit seiner Angestellten. Neben der bereits vorhandenen Pflicht zu einer speziellen Alarmanlage spricht sich Kuhle für weitere technische Hilfsmittel in Taxis aus, etwa für Kameras oder für vorübergehend speicherbare Fotos von Passagieren beim Einsteigen. Allerdings sollten Taxiunternehmen selbst entscheiden können, ob sie das wollen.

Um nicht mit dem Datenschutz in Konflikt zu geraten, müsste am Auto überdies ein deutlicher Hinweis auf solche Kameras angebracht werden. Ein Modellversuch in Bremen zeige, dass die Überfälle dadurch zurückgingen. Falls es dennoch zu Belästigungen kommt, sollten Taxifahrerinnen jeden Übergriff sofort energisch zurückweisen, rät Kuhle.

Für Manuela Klier kommen diese Tipps wohl zu spät. Sie ist bereits auf Jobsuche, demnächst wird sie vor das Arbeitsgericht ziehen. Nicht um ihre bisherige Arbeitsstelle zurückzubekommen, sondern weil sie sich ungerecht behandelt fühlt.

© SZ vom 18.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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