SZ-Interview mit Günther Beckstein:"Übergang heißt nicht drei oder vier Jahre"

Lesezeit: 4 min

Der neue Ministerpräsident will im ersten Jahr seiner Amtszeit nur kleine Kurskorrekturen vornehmen. Für Bayerns Innenminister Günther Beckstein geht am heutigen Dienstag ein Traum in Erfüllung: Der 63-jährige CSU-Politiker aus Nürnberg wird vom Landtag zum neuen Ministerpräsidenten gewählt - als Nachfolger von Edmund Stoiber.

Sebastian Beck und Peter Fahrenholz

SZ: Konnten Sie mit Ihrem Aufstieg zum Ministerpräsidenten eigentlich noch rechnen oder ist das nicht ein unverhoffter Glücksfall?

"Die Schlüsselfragen sind: Wird Herrmann in die Staatsregierung gehen, bleibt Huber im Kabinett?" (Foto: Foto: ddp)

Günther Beckstein: Wenn mir vor 15 Jahren jemand gesagt hätte, dass ich einmal Ministerpräsident werden würde, den hätte ich gefragt, ob er noch ganz bei Trost ist. Ich habe da nie dran gedacht. Erst ab dem Jahr 2002 habe ich mich mit dieser Frage befasst. Erst waren das einzelne Gedanken, 2005 hatte ich mich an die Vorstellung etwas mehr gewöhnt.

SZ: Aber nach Stoibers Rückkehr aus Berlin im Herbst 2005 war doch der Zug für Sie eigentlich abgefahren.

Beckstein: Danach war für mich klar, dass es damit nichts mehr wird. Vor einem knappen Jahr habe ich mit meinen früheren Kollegen aus der Anwaltskanzlei darüber geredet, dass ich ab dem Herbst 2008 wieder das eine oder andere für sie machen könnte. Vielleicht nicht gerade ein Bußgeldverfahren. Ich hätte mir schon vorstellen können, dass dann ein anderer Lebensabschnitt jenseits der Politik beginnt. Ich hatte darüber auch mit Edmund Stoiber gesprochen. Er hat mir davon abgeraten und gesagt: Wir haben gemeinsam angefangen und wollen 2008 nochmal die Wahl gemeinsam gewinnen und irgendwann gemeinsam aufhören.

SZ: So hat sich Stoiber das aber wahrscheinlich nicht vorgestellt.

Beckstein: Darüber haben wir erst kürzlich ganz offen geredet. Aber nochmals zu Ihrer Ausgangsfrage: Für mich war das Thema abgeschlossen, und es ist dann völlig überraschend in Kreuth doch wieder aufgetaucht. Und dann hat es sich ja sehr schnell realisiert. Mich hat es auch ein wenig überrascht, dass die ganze Zeit kein anderer Name als meiner in der Diskussion war und es letztlich doch so glatt gelaufen ist.

SZ: Sie haben sich selbst als Mann des Übergangs bezeichnet. Bereuen Sie diese Selbstbeschränkung nicht schon wieder?

Beckstein: Überhaupt nicht. Dass ich nicht erwarten kann, 15 Jahre im Amt zu sein, ist doch selbstverständlich. Aber dass Übergang nicht heißt, dass das Amt jetzt auf drei oder vier Jahre beschränkt ist, das ist auch klar.

SZ: Wie lange dauert denn Übergang für Sie? Bis 2013 oder darüber hinaus?

Beckstein: Wie lange das sein wird, hängt von der Qualität meiner Arbeit ab. Und davon, wie ich politisch ankomme. Und natürlich auch von der Frage, ob ein mindestens gleich guter Bewerber zur Verfügung steht. In dem Moment, wo sich die Partei sicher ist, dass es ein anderer besser kann, ist es Zeit abzutreten.

SZ: Aber eine volle Legislaturperiode haben Sie in jedem Fall vor.

Beckstein: Ich finde, bevor man angefangen hat, soll man nicht übers Aufhören reden.

SZ: Politisch waren Sie noch nie so stark wie jetzt. Auf dem CSU-Parteitag haben Sie mehr als 96 Prozent bekommen. Was fangen Sie mit dieser Stärke an?

Beckstein: Zunächst mal gilt für mich, dass ich nicht übermütig werde. Ich weiß sehr wohl, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, wenn man nach turbulenten Monaten einen solchen Rückenwind bekommt. Das ist ein riesiger Vertrauensvorschuss. Und gleichzeitig steht dahinter eine riesige Erwartungshaltung. Die Leute erwarten die Fortsetzung einer erfolgreichen Politik und eine gute Zusammenarbeit. Und unsere Anhänger erwarten sich natürlich auch, dass ich ein gescheites Wahlergebnis kriege.

SZ: Sie könnten den Rückhalt nutzen und sofort eine große Kabinettsreform machen.

Beckstein: Das muss in mehreren Stufen erfolgen. Wir sind jetzt in der heißen Phase des Kommunalwahlkampfes und haben nur noch elf Monate bis zur Landtagswahl. In dieser kurzen Zeitspanne kann man manche andere organisatorische Änderungen nicht einfach so machen. Ich gehe das pragmatisch an: Zunächst müssen die Schlüsselentscheidungen über die Rollen von Erwin Huber und Joachim Herrmann getroffen werden. Ich habe mit beiden darüber noch keine ernsthaften persönlichen Gespräche geführt. Für die Personalien habe ich ab meiner Wahl eine ganze Woche Zeit.

SZ: Aber Sie machen sich doch bereits Gedanken.

Beckstein: Ich habe Modelle im Kopf. Für jedes Ministerium, das versichere ich Ihnen, kommen mehrere Modelle in Frage. Die Schlüsselfragen sind: Wird Joachim Herrmann in die Staatsregierung gehen, und bleibt Erwin Huber im Kabinett?

SZ: Was wollen Sie konkret anders machen als ihr Vorgänger Stoiber? Wollen Sie die Reformpolitik der letzten Jahre wenigstens stellenweise korrigieren?

Beckstein: Wir werden sicher beim Haushalt ohne Neuverschuldung bleiben. Zu den Reformen: Eine Reform ist dann richtig, wenn sie deutlich besser ist als die alte Struktur. Auch die Unruhe, die damit einher geht, muss deutlich abgewogen werden, gerade in einer konservativen Partei.

SZ: Mit dem Büchergeld ist schon eine Reform in die Schlagzeilen geraten, die die CSU zurücknehmen will. Sie könnten ja auch die Polizeireform rückgängig machen, die Sie für unsinnig gehalten haben.

Beckstein: Das stimmt so nicht. Es ist kein Geheimnis, dass ich von mir aus keine Änderungen bei der Polizei vorgenommen hätte. Aber die Reform mit der Dreistufigkeit liegt in meiner Verantwortung. Ich werde sie nicht rückgängig machen, das garantiere ich. Beim Büchergeld ist die Kommunikation nicht gut gelaufen. Ich hatte die Absicht, das in der Regierungserklärung anzukündigen und darüber bereits Gespräche geführt. Nur sind die Pläne zu früh bekannt geworden. Beim Klimaschutz werden wir sehr schnell einen Schwerpunkt setzen - etwa bei der Sanierung staatlicher Gebäude. Auch die Föderalismusreform II und die Neustrukturierung der Landesbank werden Pflichtaufgaben.

SZ: Beim Thema ArbeitslosengeldI scheint es schon den ersten Dissens mit Ihrem Tandem-Partner Erwin Huber zu geben. Sie zeigen Verständnis für den Vorschlag von SPD-Chef Kurt Beck, Huber nicht.

Beckstein: Wir haben dazu schon im Dezember Beschlüsse gefasst, in denen wir gesagt haben, wir wollen eine höhere Beitragsgerechtigkeit. Das soll allerdings kosteneutral erfolgen. Nach meiner Auffassung verletzt es in der Tat das Gerechtigkeitsgefühl, wenn jemand lange einzahlt, und dann geht seine Firma pleite, und er wird dann genauso behandelt wie einer, der nur kurz oder gar nichts eingezahlt hat. Allerdings muss die Gegenfinanzierung genau überlegt werden. Und wir dürfen nicht in die alte Unsitte zurückfallen, ganze Jahrgänge in den Vorruhestand zu schicken. Aber jetzt müssen wir erst einmal abwarten, wie die Diskussion in der SPD weitergeht. Mit einem Koalitionspartner, der gleichzeitig Hüh und Hott ruft, ist es schwierig, zu einer Lösung zu kommen.

© SZ vom 9.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: