Streit um Studiengebühren:Diskutieren, intrigieren, sabotieren

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An eine schnelle Lösung der Krise glaubt selbst er nicht mehr: Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer am Mittwoch im Landtag. (Foto: dpa)

In der schwarz-gelben Koalition in Bayern herrscht Endzeitstimmung, Seehofer lästert wieder - und längst hat das Thema Studiengebühren für den bayerischen Ministerpräsidenten auch bundespolitische Bedeutung. Nun interessiert sich sogar die Kanzlerin für den Streit.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Der CSU-Abgeordnete und frühere Justizminister Alfred Sauter (CSU) ist ein Meister in der Disziplin, subtil Druck aufzubauen. Es ist Mittwoch, in drei Stunden beginnt die Landtagsdebatte, jetzt stimmen sich die Fraktionen auf den Tag ein. Es wird ein ungemütlicher, so viel steht schon fest.

Es wird mal wieder um die Abschaffung der Studiengebühren gestritten - jenes Thema, das die Koalitionspartner CSU und FDP seit Monaten immer weiter auseinandergetrieben hat, sodass es sicher kein Zufall ist, dass Sauter sich die Gesetze zur Auflösung des Landtags vorgenommen hat und das Abgeordnetengesetz gleich dazu. Der Jurist steht jetzt vor dem Fraktionssaal der CSU und kommt zu dem Ergebnis: Zum Ende einer Legislatur nehme die Motivation, den Landtag aufzulösen, bei Abgeordneten spürbar ab.

Es geht um Altersansprüche, die verfallen, wenn Abgeordnete nicht auf ihre volle Zeit im Landtag kommen. Sauter blättert konzentriert in einem blauen Heft, das Abgeordnetengesetz, arbeitet sich mit dem Zeigefinder durch die Paragrafen und versprüht hernach Zuversicht nach dem Motto: So blöd können selbst die Landtagsneulinge der FDP nicht sein. Wenn der Laden hochgeht, zahlen die Liberalen doch den höchsten Preis.

So weit ist es schon wieder gekommen. Ein Hauch von Endzeitstimmung im Regierungslager, und das alles, weil CSU und FDP sich partout nicht einigen können: Die CSU will die Studiengebühren sofort abschaffen, mit einer breiten Mehrheit im Landtag. Nur die FDP sträubt sich und besteht darauf, nach dem erfolgreichen Volksbegehren auch noch den Volksentscheid durchzuführen.

Für Wochen und Monate müsste das Regierungslager noch mit dem offenen Konflikt leben. Zwei Parteien, zwei Fronten - so muss man es mittlerweile nennen. Man belauert sich, belagert sich, verabredet sich zu Krisengesprächen in der Staatskanzlei, das erste soll gleich am Abend beginnen.

"Diese Koalition hat exzellent gearbeitet"

Ministerpräsident Horst Seehofer bringt Landtagspräsidentin Barbara Stamm mit, die Parteimutter der CSU, wenn man so will - ein klares Zeichen dafür, dass die Lage wirklich ernst ist. Auch Georg Schmid ist dabei, der Fraktionschef. Der sagt: "Diese Koalition hat exzellent gearbeitet. Es wäre unklug, jetzt eine falsche Weiche zu stellen."

Doch an eine schnelle Lösung der Krise glaubt selbst Seehofer nicht. "Eine Gesprächsreihe" werde man mit der FDP schon benötigen, sagt der Ministerpräsident. "Wir brauchen die Zeit zum Reden." Die Koalition sei nun an einer Weggabelung: Der eine Weg führt zum Volksentscheid, der andere zu einer Abschaffung der Gebühren im Landtag. "Die Frage ist: Gehen wir links oder rechts." Zwar will er nach der Faschingswoche Klarheit in der Koalition haben. Aber welche Form von Durchbruch soll das sein?

Seehofer macht gleich mehrmals klar, dass der Bruch des Bündnisses durchaus eine der Optionen ist, mit denen er nun kalkuliert. "Ich halte es insgesamt für wahrscheinlicher, dass wir uns verständigen als das Gegenteil" , sagt er zwar. Der Umkehrschluss daraus lautet: Die Wahrscheinlichkeit, dass Schwarz-Gelb wegen der Studiengebühren platzt, ist aus Seehofers Sicht gar nicht so klein.

Längst schon hat das Thema für Seehofer auch bundespolitische Bedeutung. Wenn das Bündnis an den Gebühren scheitere, dann könnte das Schwarz-Gelb auch bei der Bundestagswahl belasten, glaubt der CSU-Chef. Aber ob die FDP deswegen in München einlenkt? Seehofer selbst hat mittlerweile mit Kanzlerin Angela Merkel über die Studiengebühren gesprochen. Sie hat ihm ein schnelles Ende der Diskussion empfohlen.

An diesem Mittwoch hält die Koalition - trotz aller Zerstrittenheit. Die Opposition versucht erneut, mit einem Dringlichkeitsantrag die Koalition zu spalten. So leicht macht die Koalition es SPD, Grünen und Freien Wählern nicht. Bei der Abstimmung im Plenum bleibt die CSU einmütig und die FDP bei einer Gegenstimme von Thomas Dechant auf Kurs. "Kein Problem", sagt CSU-Fraktionschef Schmid.

Nur: Die echte Herausforderung kommt erst noch. An dem Tag, an dem der Landtag das Ergebnis des Volksbegehrens an sich beraten muss. Dann will wohl keiner mehr in der CSU gegen seine Überzeugung stimmen. Seehofer selbst will, dass die CSU diesen Schritt dann gemeinsam geht. Also: Alle gegen die Gebühren.

Auch in der FDP-Fraktion wächst die Zahl der Zweifler

Beide Seiten haben Mühe, ihre Reihen geschlossen zu halten. Auch in der FDP-Fraktion wächst die Zahl der Zweifler. Der Abgeordnete Georg Barfuß aus Schwaben gehört zu ihnen. Er empfiehlt seiner Fraktion umzudenken. Wichtig für eine Regierungspartei sei "Handlungs- und Regierungsfähigkeit. Wenn wir beides nicht mehr sind, sind wir entbehrlich", sagt er.

Es wird sehr viel geredet an diesem Tag. Es geht um Maximalforderungen, um denkbare Kompromisse und um Zeitpläne. Wird sich die FDP ihre Zustimmung zur CSU-Linie dadurch abkaufen lassen, dass es ein großes Bildungspaket mit starken FDP-Schwerpunkten gibt? Die Fraktionslinie ist: nein.

Aber was passieren könnte, wenn es ein sehr verlockendes Angebot gibt, wird schon deutlich, als FDP-Senior Dietrich von Gumppenberg ins Sinnieren kommt: "Wenn man den Bildungsbereich als Ganzes sehen würde . . .", sagt er und lässt den Satz unvollendet. Man müsse ja schließlich nicht verhandeln, wenn es nichts zu verhandeln gibt, sagt er noch.

Hinter den Kulissen wird bereits darüber geredet, neben der Studentenausbildung auch die Meistergebühren zu subventionieren. Käme dazu auch ein großzügiges Angebot für weitere kostenlose Kindergartenjahre, könnten die Liberalen womöglich schwach werden. Andererseits läuft die Koalition so Gefahr, den Eindruck zu erwecken, sie lasse sich ihre Befriedung mit vielen Millionen Steuergeld bezahlen.

"Dipferlscheißer"

Seehofer ist nach diesem Tag im Parlament jedenfalls schlecht gelaunt. Die Opposition hat Schwarz-Gelb in der Debatte zum Dringlichkeitsantrag wieder einmal als einen zerstrittenen Haufen vorgeführt. Der Riese Seehofer wirkte immer kleiner auf seinem Platz in der Regierungsbank. Als es zur Abstimmung geht und die Stimmkarten abgegeben werden, kommen die Abgeordneten auf ihn zu. Eine richtige Traube bildet sich um ihn. Jetzt steht Seehofer auf und geht zur FDP. Er steuert Tobias Thalhammer an, den parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführer. Der hatte zuvor gesagt: "Keine Kompromisse, komme, was wolle." Seehofer baut sich vor ihm auf, redet aufgeregt auf ihn ein. Die Worte sind nicht zu hören. Aber es ist klar, es sind keine freundlichen.

Vor Journalisten redet er sich in Rage, vergleicht die FDP mit einem kleinlichen Mitarbeiter aus seiner Zeit im Ingolstädter Landratsamt. "Dipferlscheißer", hätten sie den genannt. Es ist eigentlich eine vertrauliche Gesprächsrunde, aber einer von den Grünen hört mit und Spitzenkandidatin Margarete Bause berichtet davon auf ihrer Facebook-Seite. "Schwarz-Gelb ist handlungsunfähig", kommentiert sie. Aus Partnern in der Regierung sind längst Gegner geworden.

© SZ vom 07.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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